OGH 15Os46/12x

OGH15Os46/12x27.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Oshidari und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Marvan als Schriftführer in der Strafsache gegen Amra K***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Jänner 2012, GZ 12 Hv 143/11a-122, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird - soweit sie den Schuldspruch A./ betrifft - zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch B./, demzufolge im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Strafsache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde - soweit diese den Schuldspruch B./ betrifft - und ihrer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird die Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf den kassatorischen Teil dieser Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten wegen des Zuspruchs an die Privatbeteiligten werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Amra K***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (A./) und des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat sie in Wien

A./ die ihr in ihrer Eigenschaft als Buchhalterin der I***** Personaltraining ***** GmbH und der I***** Individuum***** GmbH durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht und den genannten Unternehmen einen 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, dass sie in zahlreichen (im Urteil näher bezeichneten) Angriffen zwischen 1. September 2005 und 13. Oktober 2010 Geldbeträge von insgesamt 284.000 Euro (I./ zum Nachteil der I***** Individuum***** GmbH und von insgesamt 880.500 Euro (II./) zum Nachteil der I***** Personaltraining ***** GmbH mittels Scheck behob und sich zueignete;

B./ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachstehende Unternehmen durch die Vorgabe, nicht sie sondern die I***** Personaltraining ***** GmbH sei deren Vertragspartner und würde die Rechnungen bezahlen, zur Ausführung von Leistungen verleitet, welche die I***** Personaltraining ***** GmbH in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag in ihrem Vermögen schädigte, und zwar

1./ vor dem 29. August 2008 durch eine Rechnung des Unternehmens Ku***** in Höhe von 1.008 Euro.

2./ vor dem 15. Juni 2009 durch eine Rechnung des Unternehmens Ka***** in Höhe von 7.800 Euro.

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten der - soweit sie den Schuldspruch A./ betrifft - keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) übersieht mit ihrem Einwand, das Erstgericht habe „die beantragte Beischaffung“ der Telefonrechnungen der Zeugin S***** zur Telefonnummer 0664/***** für die Zeiträume 30. Dezember 2009 bis 2. Jänner 2010 und 16. bis 19. April 2010 nicht durchgeführt, dass nichtigkeitsbegründend im Sinn dieser Bestimmung nur der Umgang mit in der Hauptverhandlung gestellten Anträgen sein kann (vgl RIS-Justiz RS0099244, RS0099250; Danek, WK-StPO § 238 Rz 4; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 309 f), Beschwerdeausführungen, die sich auf einen nur in einem Schriftsatz enthaltenen Beweisantrag (hier: ON 109) beziehen, daher unbeachtlich sind.

Indem die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) behauptet, es seien einerseits die Vereinbarung vom 19. Oktober 2010, wonach der Angeklagten 1.654 Überstunden abzugelten gewesen wären, andererseits die Aussagen des Zeugen Mag. B***** zu den nachträglich erstellten Darlehensverträgen unerörtert geblieben, bezieht sie sich nicht auf für die Feststellung entscheidender Tatsachen maßgebende erhebliche Verfahrensergebnisse (vgl RIS-Justiz RS0118316; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421; Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153 Rz 40).

Weil die Urteilskonstatierung, wonach die Angeklagte „im Wissen darum, dass Dr. D***** die Wohnung über private Mittel und eine Kreditaufnahme bei der Bank finanziert hatte“, die von ihr mittels Schecks getätigten Geldbehebungen in diesem Darlehensvertrag vermerkte und dadurch versuchte, die „entnommenen Gelder zu verschleiern“ (US 12), keine entscheidende Tatsache berührt (vgl RIS-Justiz RS0099497; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399), unterlag sie - der Beschwerde zuwider - nicht der mit Nichtigkeitssanktion (Z 5) bewehrten Begründungspflicht.

Soweit die Beschwerde (teilweise auch aus Z 4) aus den in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen (insbesondere zu den Telefonrechnungen, Bankkontoauszügen, Durchsuchungs-ergebnissen und dem ungeklärten Verleib der entnommenen Gelder) sowie den Aussagen der Angeklagten für diese günstigere Schlüsse als das Erstgericht zieht, ein „merkwürdiges Verhalten des Steuerberaters Mag. B*****“ behauptet und den Erhalt von Geldbeträgen durch Dr. D***** für möglich hält, bekämpft sie bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die erstrichterliche Beweiswürdigung und verkennt so den Anfechtungsrahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Der auf die Geldbehebungen vom 16. und 23. Dezember 2009 sowie vom 16. April 2010 über insgesamt 490.000 Euro (Schuldspruch A./II./14./ und 15./ sowie 18./) bezogene Einwand, das Erstgericht hätte darzulegen gehabt, wie es der Angeklagten möglich gewesen sei, mit den darauf bezogenen Verrechnungsschecks Bargeld zu beheben, betrifft - angesichts dessen, dass es für die Tatbestandsmäßigkeit nach § 153 StGB unmaßgeblich ist, ob die Gelder durch Barbehebung oder Überweisung entzogen wurden - keine entscheidende Tatsache.

Dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war das Gericht nicht verpflichtet, sämtliche Details der Aussagen der Zeugen Mag. B***** und Dr. D***** - vorliegend deren Wahrnehmungen bei Konfrontation der Angeklagten mit den Schecks vom 16. und 23. Dezember 2009 - im Einzelnen zu erörtern (vgl RIS-Justiz RS0098778; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit eigenen beweiswürdigenden Überlegungen einerseits zum Verhalten und zur Glaubwürdigkeit der Zeugen Mag. B***** und Dr. D*****, andererseits zu behaupte, überwiegend nicht auf entscheidende Tatsachen bezogenen Beweisergebnissen und ohne Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken (vgl RIS-Justiz RS0117446, RS0118780; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487).

Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde auf den Schuldspruch A./ bezieht, war sie daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil im Schuldspruch B./ der von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 StPO) Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet.

Betrug nach § 146 StGB setzt ein auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetes Täuschungsverhalten voraus, das den Irregeführten selbst zu einer Handlung verleitet, die ihn oder andere am Vermögen schädigt (vgl RIS-Justiz RS0094598; Kirchbacher in WK2 § 146 Rz 52 ff).

Im vorliegenden Fall ist der I***** Personaltraining ***** GmbH durch die auf sie ausgestellten Rechnungen (noch) kein Schaden entstanden, einen solchen erlitt sie erst durch die aus Betriebsmitteln vorgenommene Zahlung der Werklohnforderungen, zumal die Leistungen nicht ihr, sondern der Angeklagten zu Gute kamen (US 13 f). Für die Unterstellung des Geschehens unter den Tatbestand des Betrugs wären aber - im Urteil nicht getroffene - Feststellungen dahingehend erforderlich gewesen, dass Verfügungsberechtigte der I***** Personaltraining ***** GmbH durch Täuschung über Tatsachen zur Bezahlung der Rechnungen veranlasst worden sind.

Die vom Erstgericht vorgenommene Subsumtion leidet daher an einem Rechtsfehler mangels Feststellungen, der die mit dem Auftrag zur Verfahrenserneuerung verbundene Kassation des Schuldspruchs B./, somit auch des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) erfordert (§ 285e StPO).

Im zweiten Rechtsgang wird zu prüfen sein, ob die Angeklagte (auch) in diesen Fällen den Tatbestand der Untreue verwirklicht hat, indem sie die ihr eingeräumte Befugnis, mittels ihr zur Verfügung gestellter TAN-Codes Überweisungen vorzunehmen, missbraucht, auf diese Weise die angeführten Rechnungen bezahlt und dadurch der I***** Personaltraining ***** GmbH einen Vermögensnachteil zugefügt hat (vgl US 12; ON 48 S 63, 69 [Vermerk: „überwiesen“]; vgl 14 Os 123/05b, 12 Os 118/09h).

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zu B./ und mit ihrer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war die Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.

Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die gegen den - ausschließlich das Schuldspruchfaktum A./ betreffenden (s US 24) und daher unberührt gebliebenen - Privatbeteiligtenzuspruch erhobene Berufung der Angeklagten folgt aus § 285i StPO.

Die Kostenentscheidung, die sich nicht auf die Maßnahmen nach § 290 Abs 1 StPO bezieht (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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