OGH 12Os57/12t

OGH12Os57/12t26.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ilmi O***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 12. März 2012, GZ 22 Hv 15/12y-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, und des Verteidigers des Angeklagten Dr. Plattner zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Angeklagten enthaltenden - Urteil wurde Ilmi O***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 3 SMG (A./) sowie dreier Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen September 2010 und 5. November 2011 in I***** und an anderen Orten

A./ im Zuge einer Vielzahl - mit Ausnahme des Punktes A./IV./ - gewinnorientierter Verkaufshandlungen vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 1.446,3 Gramm Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 20 % (289,26 Gramm reines Kokain) anderen überlassen, und zwar

I./ zwischen September 2010 und Juli 2011 insgesamt zumindest 800 Gramm Kokain dem Messut T*****;

II./ zwischen Herbst 2010 und Ende 2010 insgesamt 200 Gramm Kokain dem Mehmed M*****;

III./ zwischen März und Juli 2011 insgesamt zumindest 150 Gramm Kokain dem Metin D*****;

IV./ zwischen Jänner und September 2011 durch die wiederholte unentgeltliche Überlassung von insgesamt 2,5 Gramm Kokain der Yvese F*****;

V./ am 5. November 2011 293,80 Gramm Kokain einem verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts;

B./ durch den am 5. November 2011 per Pkw von Italien über den Brennerpass erfolgten Schmuggel der unter Punkt A./V./ angeführten 293,80 Gramm Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 20 % (58,76 Gramm reines Kokain) vorschriftswidrig Suchtgift in die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigender Menge aus Italien aus- und nach Österreich eingeführt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete und auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der Nichtigkeitsgrund der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099431).

Die Mängelrüge behauptet zu A./I./ des Schuldspruchs Aktenwidrigkeit, weil die Tatrichter die Feststellungen betreffend den Tatzeitraum neben den - in der Hauptverhandlung diesbezüglich revidierten - Angaben des Zeugen T***** im Ermittlungsverfahren vor der Polizei auch auf Telefonüberwachungsprotokolle gestützt hätten, solche aber nur für die Zeit ab Mai 2011 vorlägen. Dabei missachtet sie, dass das Schöffengericht die Konstatierung zum Verkauf an Mesut T***** bereits ab September 2010 auf dessen erwähnte Depositionen im Ermittlungsverfahren stützte, und „in Bezug auf die für den Angeklagten verfügbaren großen Mengen an Kokain“ darauf hinwies, die umfangreichen und detaillierten Angaben des genannten Zeugen vor der Polizei seien mit den Telefonüberwachungsprotokollen in Einklang zu bringen (US 11).

Indem die Mängelrüge ausführt, das Erstgericht hätte zur Gänze den Angaben des Angeklagten folgen sollen, weil dieser „von Anfang an wesentlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen“ habe, bekämpft sie in unzulässiger Weise nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Zu Punkt A./ des Schuldspruchs verweist der Rechtsmittelwerber darauf, die Tatrichter hätten den Feststellungen zur verkauften Menge an Suchtgift jeweils die „für den Angeklagten ungünstigsten Angaben“ der Zeugen oder des Angeklagten selbst zu Grunde gelegt und wiederholt seine Ausführungen der Mängelrüge, womit es ihm nicht gelingt, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen beim Obersten Gerichtshof zu wecken.

Entgegen dem auf Punkt B./ des Schuldspruchs bezogenen Vorbringen der Subsumtionsrüge (Z 10) hat der Angeklagte nicht bloß ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG begangen: Jedes die Grenzmenge übersteigende Suchtgiftquantum genügt dem Erfordernis des § 28a Abs 1 SMG. Sobald der Täter mehr als die zweifache Grenzmenge an Suchtgift in Verkehr setzt, verwirklicht er ein weiteres Verbrechen nach der genannten Bestimmung. Auch nach der SMG-Novelle 2007 (mit welcher das im Rechtsmittel hervorgehobene Wort „ein“ im § 28 SMG aF beseitigt wurde, sodass die darauf bezogene Argumentation von vornherein ins Leere geht) bedarf es weiterhin einer gedanklichen Abtrennung ab Überschreiten der Grenzmenge (RIS-Justiz RS0123911; näher dazu Schroll, RZ 2008, 90 ff). Der Oberste Gerichtshof sieht auch mit Blick auf die in die Beschwerde integrierte Kritik (Schwaighofer in WK2 § 28a SMG Rz 10 ff) keine Veranlassung, von seiner diesbezüglichen Judikatur abzugehen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Erschwerend wertete es dabei das Zusammentreffen von vier Verbrechen, den langen Tatzeitraum und zwei einschlägige Vorverurteilungen aus Italien, mildernd hingegen die teilweise geständige Verantwortung des Angeklagten, die teilweise Sicherstellung des Kokains und die Tatprovokation durch einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts, welche - zum Ausgleich der Verletzung des Art 6 Abs 1 EMRK - eine Strafreduktion von zwei Jahren und sechs Monaten auf zwei Jahre Freiheitsstrafe gebot.

Mit Blick auf diese zutreffend angeführten Strafzumessungsgründe hat das Erstgericht ausgehend von einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe eine tat- und schuldangemessene Sanktion verhängt, welche entgegen dem auf eine stärkere Berücksichtigung der Milderungsgründe dringenden Berufungsvorbringen keiner Korrektur bedarf.

Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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