OGH 8ObS7/12f

OGH8ObS7/12f26.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Günter Steinlechner und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J***** O*****, vertreten durch die Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei IEF-Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenzentgelt (1.976,44 EUR sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Februar 2012, GZ 9 Rs 154/11z-14, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. Februar 2011, GZ 4 Cgs 292/10s-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist aufgrund eines vollstreckbaren Unterhaltsvergleichs aus dem Jahr 2008 (Unterhalts-)Gläubigerin ihres ehemaligen Ehegatten. Zur Hereinbringung offener Forderungen wurde ihr im April 2008 sowie im Dezember 2008 (unter anderem) die Gehaltsexekution bewilligt. In der Folge führte die Klägerin gegen die Arbeitgeberin ihres ehemaligen Ehegatten ein Drittschuldnerverfahren, das zufolge Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin unterbrochen wurde. Im Juni 2010 stellte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag auf Auszahlung des pfändbaren Teils des dem Verpflichteten zustehenden Insolvenzentgelts. Mit Bescheid vom 5. 10. 2010 wies die Beklagte diesen Antrag unter Hinweis auf § 6 Abs 8 IESG ab.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 1.976,44 EUR sA. Die Voraussetzungen für die subsidiäre Geltendmachung des Insolvenzentgelts durch sie als Überweisungsgläubigerin seien gegeben. Der in § 6 Abs 8 IESG geforderte Exekutionstitel sei im Unterhaltsvergleich vom 30. 1. 2008 gelegen.

Die Beklagte entgegnete, dass einem Überweisungsgläubiger gemäß § 6 Abs 8 IESG das Antragsrecht nur dann zustehe, wenn der verpflichtete Arbeitnehmer keinen Antrag auf Gewährung auf Insolvenzentgelt innerhalb der Antragsfrist gestellt und der Gläubiger gegen den Verpflichteten einen rechtskräftigen Exekutionstitel auf Durchsetzung der Verpflichtung zur Antragstellung bei der Beklagten erwirkt habe. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dem Überweisungsgläubiger stehe nach § 6 Abs 8 IESG nur ein subsidiäres Antragsrecht zu. Der von der Klägerin vorgelegte Unterhaltsvergleich stelle einen Exekutionstitel im Sinn dieser Bestimmung dar. Aufgrund dieses rechtskräftigen Exekutionstitels sei es nicht erforderlich, ein gesondertes Feststellungsverfahren zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Antragstellung durchzuführen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Auf 8 ObS 6/08b könne sich die Klägerin nicht berufen, zumal der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 6 Abs 8 IESG auf diese Rechtsprechung reagiert habe. Demnach solle grundsätzlich nur dem Anspruchsberechtigten, also dem Arbeitnehmer selbst, das Antragsrecht auf Insolvenzentgelt zustehen. Dem Überweisungsgläubiger stehe nur ein subsidiäres, eingeschränktes Antragsrecht zu. Über einen entsprechenden Exekutionstitel, der den Anspruchsberechtigten zur Antragstellung verpflichte, verfüge die Klägerin nicht. Der von ihr herangezogene Exekutionstitel (Unterhaltsvergleich) sei nicht geeignet, das subsidiäre Antragsrecht des Überweisungsgläubigers zu begründen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Auslegung des § 6 Abs 8 IESG höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie eine gänzliche Klagsstattgebung anstrebt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Maßgebender Zeitpunkt für die Frage, ob eine vom Obersten Gerichtshof zu klärende erhebliche Rechtsfrage vorliegt, ist jener der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs. Ist zu diesem Zeitpunkt die entscheidungserhebliche Rechtsfrage geklärt, so ist eine erhebliche Bedeutung nicht mehr gegeben und die Revision zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0112921).

2.1 In der Entscheidung 8 ObS 3/12t vom 28. 6. 2012 hat der Oberste Gerichtshof die neue Rechtslage zum Antragsrecht eines Überweisungsgläubigers auf Gewährung von Insolvenzentgelt nach § 6 Abs 8 IESG idF BGBl I 2009/90 (ab 1. 8. 2009) geklärt. Dazu hat er ausgesprochen, dass das Antragsrecht auf Zahlung des Insolvenzentgelts nach der genannten Bestimmung nur dem anspruchsberechtigten Arbeitnehmer selbst zusteht. Dies gilt auch für gepfändete (und überwiesene), verpfändete oder übertragene Teile des Insolvenzentgelts oder der gesicherten Ansprüche. Einem Überweisungsgläubiger steht ausschließlich das gesonderte subsidiäre Antragsrecht zur Verfügung, das nur bei Vorliegen der speziellen normierten Voraussetzungen in Anspruch genommen werden kann.

Für das subsidiäre Antragsrecht des Überweisungsgläubigers müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Die (rechtzeitige) Antragstellung durch den Anspruchsberechtigten selbst muss unterbleiben. Der Überweisungsgläubiger (also erst nach Überweisung des gepfändeten Anspruchs auf Lohn oder auf Insolvenzentgelt) muss die Antragspflicht des Arbeitnehmers gegen diesen durch Klage geltend machen. Erst mit Vorliegen des entsprechenden rechtskräftigen Urteils wird der Überweisungsgläubiger zum „antragsberechtigten“ Gläubiger. Den von ihm gegen den verpflichteten Arbeitnehmer erwirkten rechtskräftigen Exekutionstitel betreffend die Verpflichtung zur Antragstellung muss der Überweisungsgläubiger mit seinem Antrag auf Insolvenzentgelt (fristgerecht) bei der Beklagten vorlegen. Die 6-monatige Frist zur subsidiären Antragstellung durch den Überweisungsgläubiger ist während des Verfahrens auf Durchsetzung der Antragspflicht des Arbeitnehmers im Ablauf gehemmt.

2.2 Nach diesen Grundsätzen muss der nur subsidiär antragsberechtigte Gläubiger somit einen gesonderten Exekutionstitel gegen den Arbeitnehmer erwirken, der dessen Verpflichtung zur Antragstellung bei der Beklagten titelmäßig ausspricht. Der Exekutionstitel auf Geldleistung, auf den sich die Anspruchsberechtigung des Gläubigers gründet (hier Unterhaltsvergleich) und der im Rahmen der Forderungsexekution die Grundlage für die Pfändung und Überweisung der pfändbaren Forderung bildet, genügt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht.

In der Entscheidung 8 ObS 3/12t wurde schließlich auch ausgesprochen, dass Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs 8 IESG idF BGBl I 2009/90 nicht bestehen.

3. Da im Hinblick auf die jüngste Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht mehr vorliegt, war die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch nach § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG sind nicht gegeben.

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