OGH 12Os40/12t

OGH12Os40/12t26.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Strafsache gegen Robert M***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 19. Dezember 2011, GZ 14 Hv 163/11w-41, sowie über dessen Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Robert M***** der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (I./1./), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I./2./), des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB (II./1./) und der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II./2./) schuldig erkannt.

Danach hat er

I./ in G***** den Mithäftling Kevin H***** in der Justizanstalt G*****

1./ im Zeitraum von 5. bis 12. Mai 2011 in wiederholten Angriffen durch gefährliche Drohung mit Verletzungen am Körper, insbesondere durch Äußerungen, er werde ihm „eine kleschen“ oder ihn nach seiner Entlassung mit seinem Bruder aufsuchen und zusammenschlagen,

a./ zur Duldung von Fesselungen an Händen und Armen,

b./ zur Unterlassung der Meldung der Nötigungen laut Punkt a./ sowie der zu Punkt 2./ genannten Tathandlung an die Justizwache

genötigt;

2./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt kurz vor dem 12. Mai 2011 durch die zuvor wiederholt geäußerten Drohungen verstärkter Gewalt, indem er ihm mit einem Gürtel und einer Schnur die Hände am Rücken fesselte, ein Wäschenetz und einen Polsterüberzug über den Kopf zog, ein weiteres Wäschenetz über die Beine zog, und ihn in die Toilette des Haftraumes zerrte, zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich dem Einführen des Endstücks (Verschluss) einer 1 ½ Liter Plastikflasche in den After, genötigt;

II./ am 6. Oktober 2011 in G*****

1./ Nada K***** deren Handtasche samt darin befindlicher Geldbörse und Fahrzeugschlüssel, somit fremde bewegliche Sachen, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

2./ E-Card, Personalausweis und Aufenthaltstitel der Nada K***** sowie die E-Card der Ilija K*****, somit Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts oder einer Tatsache gebraucht werden.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten aus Z 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die methodisch fundierte Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810, RS0118415, RS0116565; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584, 588).

Diesen Erfordernissen wird die eine Beurteilung des dem Schuldspruchpunkt I./2./ zu Grunde liegenden Sachverhalts als Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) nicht gerecht:

Zum Einen stellt sie unter Zugrundelegung isoliert herausgegriffener Passagen der Aussage des Tatopfers anlässlich seiner kontradiktorischen Vernehmung die urteilsfremde (vgl US 5) Hypothese auf, der ausschließliche Grund für die Analpenetration sei „offenkundig“ die zeitlich kurze Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Zeugen H***** gewesen, sodass die gemäß § 201 StGB geforderte Nötigung zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung bzw ein diesbezüglicher Vorsatz des Angeklagten nicht vorgelegen habe. Zum Anderen behauptet sie, gestützt auf die Überlegung, wonach es „fraglich“ sei, ob diese „Diagnose“ (volle Vergleichbarkeit mit einem Beischlaf bei Eindringen des Gliedes in den Mund oder Anus des Opfers) dieselbe bleibe, wenn die Penetration nicht mittels des männlichen Geschlechtsorgans, sondern mit den Fingern oder mit Gegenständen erfolge, und demnach im Ergebnis ohne tragfähige Begründung pauschal, es sei „unhaltbar, schlichtweg jede vaginale, anale oder orale Penetration (im Sinne des Einführens anderer Körperteile als des männlichen Gliedes oder von Gegenständen) als beischlafswertig zu qualifizieren“.

Im Übrigen erhellt schon aus § 206 Abs 4 StGB, dass die Penetration mit einem Gegenstand das Tatbestandsmerkmal „einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung“ erfüllt, sofern sie ein zur Geschlechtssphäre gehörendes Organ des Opfers betrifft (RIS-Justiz RS0120457).

Dass die Tat von einem auf die Befriedigung des Geschlechtstriebs gerichteten Willen des Angeklagten getragen worden sein müsste und das Vorliegen weiterer Tatmodalitäten, die eine Sexual- bzw Geschlechtsbezogenheit ausdrücken, erforderlich gewesen wäre, wird von der Rüge lediglich begründungslos behauptet, nicht jedoch methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet (vgl Philipp in WK2 § 201 Rz 23, 35; RIS-Justiz RS0094905 [T16, T19]).

Mit dem aus dem klinisch-psychologischen Sachverständigengutachten abgeleiteten Einwand, das Erstgericht hätte die verhängte Freiheitsstrafe zur Gänze bedingt nachsehen müssen, wird kein unvertretbarer Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung, insbesondere gegen § 32 StGB und § 5 Z 1 JGG aufgezeigt, sondern lediglich ein Berufungsgrund geltend gemacht (RIS-Justiz RS0091489; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 728).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizit erhobene) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte