OGH 15Os49/12p

OGH15Os49/12p30.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Mai 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richterin Mag. Weiß als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang S***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 5. Jänner 2012, GZ 36 Hv 52/11w-86, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Verfallserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung gegen das Verfallserkenntnis wird der Angeklagte auf diese teilkassatorische Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthält, wurde Wolfgang S***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von Herbst 2008 bis September 2009 in L***** und anderen Orten mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern sowie in der Absicht, sich durch die Begehung von Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Nachgenannte durch Täuschung über seine Zahlungsfähigkeit bzw -willigkeit zu nachstehenden selbstschädigenden Vermögensdispositionen verleitet, die diese in einem 3.000 Euro, nicht jedoch 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar

1. im Herbst 2008 F***** zur Lieferung von Abflussrohren, Kanalrohren, Heizungsrohren und dergleichen sowie zur Durchführung von Installationsarbeiten im Gesamtwert von 10.055,51 Euro,

2. im November 2008 J***** zur Durchführung von Grabungsarbeiten im Gesamtwert von 1.480,20 Euro,

3. am 23. November 2008 Verfügungsberechtigte der D***** GmbH zur Durchführung von Sanierungsarbeiten am Dach des Betriebsgebäudes im Gesamtwert von 15.076,14 Euro,

4. im Sommer 2009 Verfügungsberechtigte des Unternehmens T***** zur Lieferung eines Kopier- und eines Faxgeräts, diverser Kabel und Steckdosen sowie zur Installation einer Telefonanlage und Inbetriebnahme eines Internetanschlusses im Gesamtwert von 3.681,27 Euro.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 4, 5, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der zu 4./ ausgeführten Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf „Einvernahme der Zeugen Dr. Stefan B***** und M*****“ zum Beweis dafür, dass „seitens des Angeklagten versucht wurde, im Wege deutscher Förderungen für eine zu gründende Gesellschaft mit Sitz in Deutschland mangels anderweitiger Fördermöglichkeiten das Unternehmen auch in Mampasberg aufzufangen“, sodass er im Sommer 2009 noch davon ausgehen konnte, dass er auch die Rechnungen des Unternehmens W***** würde bezahlen können (ON 85 S 12), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Schon nach dem Antragsinhalt ist nicht zu ersehen, inwieweit die Vernehmung dieser Zeugen die Behauptung, der Angeklagte habe zum Zeitpunkt des Abschlusses des gegenständlichen Kaufvertrags über ausreichende Mittel für eine zeitnahe Bezahlung verfügt bzw sei deren Eingang äußerst wahrscheinlich gewesen, stützen könnte. Der Antrag wurde daher zu Recht abgewiesen (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO).

Zu 1./ bis 3./ des Schuldspruchs bringt die Mängelrüge (Z 5) vor, dem Angeklagten sei zum Zeitpunkt der Beauftragung nicht nur ein Überziehungsrahmen von 150.000 Euro aus dem Geschäftskonto der A***** GmbH, sondern auch „die volleinbezahlte Stammeinlage in Höhe von 35.000 Euro“ zur Verfügung gestanden und es hätten (plangemäß) die Dienstnehmer aus Förderungsmitteln entlohnt werden sollen, weshalb der Schluss, der Angeklagte sei nicht zahlungsfähig gewesen, im Widerspruch zum Akteninhalt stehe. Dabei übersieht sie einerseits, dass dem Beschwerdeführer nicht nur mangelnde Zahlungsfähigkeit, sondern auch Zahlungsunwilligkeit vorgeworfen wird, und stellt andererseits bloß eigenständig beweiswürdigende Erwägungen zur finanziellen Situation des Unternehmens an. Einen Begründungsmangel im Sinn des intendierten Nichtigkeitsgrundes vermag der Beschwerdeführer solcherart ebensowenig darzustellen wie einen - von der Beschwerde nominell angesprochenen - Feststellungsmangel (Z 9 lit a).

Die Annahme mangelnder Zahlungswilligkeit (US 13) wurde der Beschwerde zuwider (Z 5 vierter Fall) nicht bloß auf die „angebliche Zahlungsunfähigkeit“ gegründet, sondern - logisch und empirisch einwandfrei - aus den finanziellen Verhältnissen der A***** GmbH, dem Umstand, dass keinerlei Zahlungen erfolgten, in Verbindung mit der „widersprüchlichen und ausweichenden Verantwortung des Angeklagten“ erschlossen.

Soweit der Angeklagte zu 4./ in der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) ein Übergehen der Förderzusage der Bayerischen Landesförderanstalt behauptet, vernachlässigt er die ausführliche Erörterung derselben („LfA“) wie auch der Einbindung der „H*****“ in die Antragstellung bei der LfA durch das Erstgericht (US 30 f). Nicht nachvollziehbar in diesem Zusammenhang ist einerseits die Bemängelung der - urteilsfremden - Annahme, der Angeklagte hätte im Ergebnis „die H***** bereichern“ wollen, andererseits die Bezeichnung derselben als „angeblich geschädigt“ (s aber den diesbezüglichen Freispruch US 4, Punkt 1.).

Die Kritik der Subsumtionsrüge (Z 10) an der Urteilserwägung, Gewerbsmäßigkeit liege trotz formaler Bereicherung der A***** GmbH (zufolge der alleinigen Gesellschaftereigenschaft des Angeklagten an der A.***** GmbH, die wiederum alleinige Gesellschafterin der A***** GmbH ist; US 32) vor (US 32), greift die erstgerichtlichen Konstatierungen lediglich eigenständig beweiswürdigend an, statt von diesen ausgehend einen Rechtsfehler der Tatrichter aufzuzeigen (vgl US 13: „Er handelte dabei in der Absicht, sich … eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.“). Solcherart verfehlt sie die gebotene Orientierung an der Verfahrensordnung.

Im Recht ist die gegen das Verfallserkenntnis gerichtete Sanktionsrüge (Z 11). Das Erstgericht hat nämlich die vermögensrechtliche Anordnung auf den seit 1. Jänner 2011 geltenden § 20 StGB idF des sKp BGBl I 2010/108 gestützt, wiewohl tatzeitbedingt die davor geltende Fassung der genannten Bestimmung anzuwenden gewesen wäre (eingehend zum Günstigkeitsvergleich 11 Os 83/11g, EvBl 2011/150, 1026; RIS-Justiz RS0119545). Mit Blick auf die hinsichtlich der Betrugstaten konstatierten Schäden (US 11 ff), eine nachträgliche Schadensminderung durch eigenmächtiges Zurückholen von Geräten durch das Opfer (US 13) sowie ein zugunsten dreier Geschädigter ergangenes Adhäsionserkenntnis (US 3) lassen sich dem Ersturteil derzeit keine zur Abschöpfung einer Bereicherung nach § 20 Abs 1 Z 1 StGB (idF vor BGBl I 2010/108) tauglichen Feststellungen entnehmen, sodass eine Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof in der Sache nicht ergehen kann.

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das Verfallserkenntnis aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten (§ 445 Abs 2 StPO) zu verweisen. Mit seiner diesbezüglichen Berufung war der Angeklagte auf die teilkassatorische Entscheidung zu verweisen.

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe und gegen das Adhäsionserkenntnis ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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