OGH 9Ob13/12w

OGH9Ob13/12w29.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn in der Rechtssache der klagenden Partei C***** T*****, vertreten durch Dr. Christian Schöffthaler, Rechtsanwalt in Imst, gegen die beklagte Partei T***** T*****, vertreten durch Mag. Christian Linser, Rechtsanwalt in Imst, wegen Unterlassung (12.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 21. Dezember 2011, GZ 2 R 225/11x‑27, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 30. September 2011, GZ 59 Cg 190/10g‑23, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wird.

Die Kostenentscheidung ist der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer von 110/372‑Mindestanteilen an der Liegenschaft EZ *****, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung Top 2 verbunden ist. Der Beklagte ist Eigentümer von 118/372‑Mindestanteilen an der selben Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung Top 3 verbunden ist. Die Wohnung des Beklagten liegt über jener des Klägers. Zwischen den Wohnungen befindet sich eine Trägerdecke. Der Beklagte baute seine Wohnung 2007 auf das bestehende Haus auf und diese aus. Damals wurde Wohnungseigentum begründet. Die Streitteile bewohnen ihre Wohnungen gemeinsam mit ihren Familien. Der Beklagte ist Invaliditätspensionist und zu Hause, auch seine Gattin ist nicht berufstätig. Ihre drei Kinder, geboren 2005, 2007 und 2009, besuchen die Schule bzw den Kindergarten, sonst sind auch sie zu Hause.

Der Kläger begehrt die Unterlassung der Verursachung von Lärm, soweit dadurch der Grundgeräuschpegel in der Wohnung Top 2 um mehr als 5 dB (A) überschritten und ihre ortsübliche Benutzung wesentlich beeinträchtigt werde. Es komme bereits seit längerer Zeit zu einer von der Wohnung Top 3 ausgehenden, auf die Wohnung Top 2 einwirkenden mittelbaren Lärmimmission, die das nach den dortigen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite und die ortsübliche Benutzung der Wohnung Top 2 wesentlich beeinträchtige. Der Beklagte wisse, dass der strittige Boden von ihm nicht sach‑ und fachgerecht ausgeführt worden sei. Er habe praktisch nur eine Wärmedämmung, aber keinerlei Schalldämmung angebracht. Auch fehle die Schüttung in Form von Kies oder Sand. Er sei bei den Bauarbeiten ausdrücklich gewarnt worden, dass die erforderliche Schüttung fehle, habe sie jedoch nicht gewollt, um nicht an Raumhöhe zu verlieren. Voraussetzung für den Kläger, die Wohnung zu übergeben, sei jedoch gewesen, dass der Beklagte einen technisch und baurechtlich einwandfreien Zustand herstelle. Durch die mangelhafte Bodenisolierung komme es schon durch das Herumgehen der Familie des Beklagten zu einer unzumutbaren Lärmeinwirkung.

Im Zuge des Verfahrens brachte der Kläger vor, dass es zu einer offenbar bewusst vom Beklagten gesetzten erheblichen Verschlechterung der Lärmsituation ‑ wohl infolge des für den Klagsstandpunkt günstigen Gutachtensergebnisses ‑ gekommen sei. So beginne erhebliches starkes Getrampel der Kinder, aber auch der Erwachsenen schon ab 7:00 Uhr Früh und ziehe sich über den ganzen Tag hinweg bis deutlich nach 9:00 Uhr (wohl: abends). Der Beklagte setze auch keinerlei erzieherisch durchaus sinnvolle und zumutbare Maßnahmen, damit sich die Kinder leise benehmen.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und wandte ein, die Bodenisolierung sei laut Baubescheid ausgeführt worden und sei nicht mangelhaft. Es komme zu keinen Lärmimmissionen, die das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Nutzung der Wohnung des Klägers wesentlich beeinträchtigen. Von der Wohnung des Beklagten gehe kein anderer als der durch den normalen Spielbetrieb der Kinder verursachte Lärm aus. Dem Kläger sei bei der Wohnungseigentumsbegründung und im Zuge des Dachbodenausbaus bekannt gewesen, dass der Beklagte mit seiner Familie einziehen werde. Vielmehr komme es zu überdurchschnittlichen Lärmimmissionen ausgehend von der Wohnung des Klägers. Ein starkes Getrampel tagsüber sei nicht möglich, weil die beiden älteren Kinder tagsüber regelmäßig im Kindergarten seien und von der zweijährigen Tochter altersbedingt kein Getrampel verursacht werden könne.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Basis folgender Feststellungen statt:

„Der Basispegel LA,95 beschreibt das Maß für die Ruheerwartungen in einem Raum (früher bezeichnet als 'Grundgeräuschpegel'). Dieser beträgt im Wohnzimmer des Klägers 22 dB. Dies entspricht einer Geräuschbasis in einem ruhigen ländlichen Gebiet. Schon durch einen leisen Spielbetrieb der Kinder in der Wohnung des Beklagten werden im Wohnzimmer des Klägers Lärmeinwirkungen mit kennzeichnenden Spitzen von 44 dB, beim 'Herumtollen' von 49 dB erreicht. Der gemessene vorhandene Trittschallschutz der Deckenkonstruktion im Wohnzimmer/Küche des Beklagten ausgedrückt als bewerteter Standard‑Trittschallpegel L'nT,w erreiche 55 (‑5) dB. Zur Beurteilung von Schallimmissionen im Nachbarschaftsrecht dient die ÖAL‑Richtlinie. Gemäß den Punkten 4.4.1 und 4.4.2 der ÖAL‑Richtlinie Nr 3 Blatt 1 dürfen kennzeichnende Pegelspitzen den Planungsbasispegel um nicht mehr als 10 dB übersteigen. In diesem Fall wird von einer jedenfalls unzulässigen Immission gesprochen (Planungsziel). Wird diese Bedingung nicht erfüllt, so ist von einer wesentlichen Beeinträchtigung zu sprechen. Gemäß der ÖNORM B 8115‑2, in der die Anforderungen an den baulichen Schallschutz festgelegt sind, beträgt der Mindestschallschutz zu Aufenthaltsräumen zwischen Wohnungen in Gebäuden, ausgedrückt als bewerteter Standard‑Trittschallpegel L'nT,w,48 dB. Dieser Wert ist ein höchstzulässiger Pegel und darf nicht überschritten werden. Bei Erfüllung dieser Anforderungen sind Gehgeräusche zu erwarten, welche bei üblichen Deckenaufbauten ca 45 dB betragen. Diese Immissionen beschreiben damit jenen Pegel, welcher das Baurecht als zulässige Beeinträchtigung ansieht.“

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Hinblick auf § 364 Abs 2 ABGB aus, der Basispegel LA,95 sei mit 22 dB ermittelt worden. Die Grenze nach der ÖAL‑Richtlinie liege bei 32 dB (LA, Sp). Aufgrund der mit 44 bis 49 dB ermittelten kennzeichnenden Spitzen des von den Kindern verursachten Lärms würden die gemessenen Immissionen deutlich das beschriebene Planungsziel je nach Spielweise um 12‑17 dB verfehlen. Damit liege eine wesentliche Veränderung des nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnlichen Maßes vor. Die wesentliche Beeinträchtigung durch Gehgeräusche lasse sich aus normativen Anforderungen ableiten. Trittschallimmissionen seien aber auch bei Überschreiten des Irrelevanzmaßes nach ÖAL‑Richtlinie Blatt 1 bei üblicher Nutzung als zulässig anzusehen, wenn die bauakustische Qualität Mindeststandards genüge. Bei Beurteilung der Frage, ob der Eigentümer einer Wohnung durch Lärmeinwirkungen in seinem Wohnrecht unzumutbar beeinträchtigt sei, sei die ÖNORM B 8115 über den Schallschutz und die Raumakustik im Hochbau jedenfalls dann als Maßstab zugrundezulegen, wenn diese ÖNORM für das Bundesland, in dem das Bestandobjekt liege, gemäß § 5 NormenG 1971 BGBl 1971/240 für Baumaßnahmen für verbindlich erklärt worden sei. Der laut ÖNORM B 8115‑2 zulässig bewertete Standard‑Trittschallpegel L'nT,w, betrage 48 dB. Der vorhandene gemessene Trittschallschutz der Deckenkonstruktion im Wohnzimmer bzw der Küche des Beklagten ausgedrückt als bewerteter Standard‑Trittschallpegel L'nT,w verfehle mit 55 dB die Mindestanforderung laut dieser ÖNORM um 7 dB und sei damit Ursache für die auftretenden Störungen. Damit sei der (wohl:) Kläger in seiner ortsüblichen Benutzung seiner Wohnung wesentlich beeinträchtigt. Die Wiederholung der unzulässigen Immission sei zu vermuten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten im klagsabweisenden Sinn Folge. Nach ständiger Rechtsprechung stehe der gesetzliche Abwehranspruch nach § 364 Abs 2 ABGB dem Wohnungseigentümer unter den dort genannten Voraussetzungen nur bei Immissionen zu, die durch eine nicht verkehrsübliche oder nicht der vertraglichen Sonderbeziehung entsprechende Nutzung des Nachbarobjekts hervorgerufen würden (RIS‑Justiz RS0110784). Die mit dem bestimmungsgemäßen (vertragsgemäßen) Gebrauch einer Wohnung verbundenen üblichen Geräusche würden eine Unterlassungsklage selbst dann nicht rechtfertigen, wenn sie durch die mangelhafte Isolierung der Trennwände in der Wohnungseigentumsanlage stärker zu hören seien. Wenn auch nach den Feststellungen des Erstgerichts bereits durch einen leisen Spielbetrieb der Kinder in der Wohnung des Beklagten Lärmeinwirkungen mit kennzeichnenden Spitzen von 44 dB, beim Herumtollen sogar von 49 dB erreicht würden, so rechtfertige dies dennoch keinen Unterlassungsanspruch des Klägers, da das Spielen von Kindern in einer Wohnung eine übliche Aktivität darstelle, die auch einer verkehrsüblichen und dem Wohnungseigentumsvertrag entsprechenden Nutzung der Wohnung entspreche. Die Revision sei zulässig: Die Anwendbarkeit der Judikaturkette zu RIS‑Justiz RS0110784 auf den vorliegenden Sachverhalt könne zumindest strittig sein, weil die von der Wohnung des Beklagten ausgehenden Lärmimmissionen auf einen von ihm selbst zu vertretenden mangelhaften Trittschallschutz zurückzuführen seien.

In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Kläger das Urteil im Sinn einer Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Immissionen im Allgemeinen und Geräusch‑ bzw Lärmimmissionen im Besonderen können nach § 364 Abs 2 ABGB dann untersagt werden, wenn sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Die unzulässige Einwirkung wird demnach durch zwei Kriterien bestimmt: Einmal, dass die Störung nicht (mehr) ortsüblich ist, und zum anderen, dass die ortsübliche Benützung des Grundstücks durch den Eingriff wesentlich beeinträchtigt wird (7 Ob 286/03i; 9 Ob 62/09x uva). Da diese beiden Kriterien kumulativ vorliegen müssen, sind selbst übermäßige Immissionen zu dulden, wenn sie die ortsübliche Nutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigen, aber auch dann, wenn sie das ortsübliche Maß nicht übersteigen, obwohl die ortsübliche Nutzung des Grundstücks durch sie wesentlich beeinträchtigt wird (RIS‑Justiz RS0010587 [T4]).

2. Bei der Beurteilung, ob eine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benützung der Wohnung vorliegt, ist nicht auf die besondere Empfindlichkeit der betroffenen Person, sondern auf das Empfinden eines Durchschnittsmenschen in der Lage des Beeinträchtigten abzustellen (RIS‑Justiz RS0010557 [T4]; 7 Ob 286/03i; 9 Ob 62/09x). Denn wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 1 Ob 6/99k (nachbarschaftliches Klavierspielen) ausführte, erfordert es der nach dem Nachbarrecht gebotene sozialrelevante Interessenausgleich, die Frage nach der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung vom Standpunkt eines verständigen Durchschnittsmenschen aus zu beantworten, der auf die allgemeinen Interessen und gesellschaftlich bedeutsamen Gesichtspunkte wenigstens auch Bedacht nimmt. Es kommt also nicht auf die individuelle Person des mehr oder minder sensiblen Nachbarn, sondern auf das Empfinden des Durchschnittsmenschen an, der sich in der Lage des Gestörten befindet (vgl RIS‑Justiz RS0010607; 7 Ob 286/03i mwN).

3. Der erwähnte Interessenausgleich erfordert von beiden Seiten gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz. Beim Zusammenleben mehrerer Personen in einem Haus sind dadurch bedingte Unannehmlichkeiten grundsätzlich in Kauf zu nehmen. Es ist ein akzeptabler Ausgleich der gegenläufigen Interessen zu finden (1 Ob 6/99k; 7 Ob 286/03i; 9 Ob 62/09x). Besondere Umstände (Krankheit, Aufenthalt von Kleinkindern) können allerdings eine besondere nachbarrechtliche Rücksichtnahme gebieten (RIS‑Justiz RS0112954). Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 7 Ob 286/03i aus dem nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebot und dem Zweck des § 364 Abs 2 ABGB, die langfristigen Interessen an einer Wohnungsnutzung zu schützen und einen Ausgleich zwischen Nachbarn herbeizuführen, die Pflicht abgeleitet, Immissionen, die zwar zulässig sind, möglichst unter Schonung des davon betroffenen Nachbarn zu erzeugen, weil andernfalls der angestrebte Interessenausgleich nur unvollkommen verwirklicht wäre. Dazu wurden dort etwa die einem Pianisten zumutbaren Schallschutzmaßnahmen, aber auch die berufsbedingt geänderten Ruhe‑ und Schlafzeiten der Lebensgefährtin des beeinträchtigten Klägers angesprochen.

4. Das Berufungsgericht hat sich zur Begründung seiner Klagsabweisung auf die mit der Entscheidung 5 Ob 180/98a begründete Judikaturkette RIS‑Justiz RS0110784 berufen, die den nachbarrechtlichen Abwehranspruch zwischen Wohnungseigentümern betrifft.

Nach dieser Rechtsprechung steht der nachbarrechtliche Abwehranspruch nach § 364 Abs 2 ABGB dem Wohnungseigentümer nur bei Immissionen zu, die durch eine nicht verkehrsübliche oder nicht der vertraglichen Sonderbeziehung entsprechende Nutzung des Nachbarobjekts hervorgerufen werden (zB wiederholtes Musizieren zur Nachtzeit oder mit großer Lärmentwicklung verbundenes nächtliches Baden und Duschen). Dies wurde damit begründet, dass zwischen den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft insofern eine den nachbarschaftsrechtlichen Immissionsschutz gestaltende Sonderrechtsbeziehung besteht, als sie einander versprochen haben, die ausschließliche Nutzung der Wohnungseigentumsobjekte auf der Liegenschaft durch den jeweiligen Wohnungseigentümer zu dulden (§ 1 Abs 1 WEG), und zwar nach Maßgabe der einvernehmlichen Widmung, aber auch, weil es um die gemeinsame Verantwortung für gemeinsames Eigentum geht, nach Maßgabe des Bauzustands jener Teile der Liegenschaft, die der gemeinsamen Benützung dienen. In ergänzender Vertragsauslegung ist überdies zu unterstellen, dass jedem Mit‑ und Wohnungseigentümer die verkehrsübliche Nutzung seines Objekts gewährleistet sein soll, sofern der Wohnungseigentumsvertrag oder die Hausordnung keine abweichende Regelung enthält. Die mit dem bestimmungsgemäßen (vertragsgemäßen) Gebrauch einer Wohnung verbundenen üblichen Geräusche rechtfertigen daher eine Unterlassungsklage selbst dann nicht, wenn sie durch mangelhafte Schallisolierung in der Wohnungseigentumsanlage stärker hörbar sind (RIS‑Justiz RS0110784). Die Berufung auf den nachbarrechtlichen Anspruch ist einem beeinträchtigten Wohnungseigentümer folglich dann verwehrt, wenn die störende Nutzung des benachbarten Objekts noch verkehrsüblich ist oder der vertraglichen Sonderbeziehung entspricht.

5. Selbst für den Fall einer verkehrsüblichen oder bestimmungsgemäßen Nutzung der Wohnung zeigt der Kläger aber zutreffend auf, dass diese Grundsätze dann einer Einschränkung bedürfen, wenn der störende Wohnungseigentümer selbst jene Umstände (hier mangelnder Trittschallschutz) geschaffen hat, durch die die Lärmimmissionen eine wesentliche Beeinträchtigung verursachen, weil er dann bei Abwägung der nachbarrechtlichen Interessen nicht in gleichem Maße schutzwürdig ist. In diesem Fall ist daher vom Störer ‑ über die Vermeidung solcher Immissionen, die durch eine nicht verkehrsübliche bzw bestimmungsgemäßen Widmung hervorgerufen werden, hinaus ‑ auch eine besondere Rücksichtnahme auf die Interessen des beeinträchtigten Wohnungseigentümers zu verlangen, solange er die Störquelle (mangelnder Trittschallschutz) nicht beseitigt hat. Dieser gebotenen Rücksichtnahme kann auch ein sinn‑ und maßvolles erzieherisches Vorgehen entsprechen.

6. Die Entscheidung 5 Ob 180/98a (mangelhafte Schallisolierung der Trennwand) steht damit nicht im Widerspruch: Die Beklagte jenes Falls überschritt die Grenzen eines bestimmungsgemäßen (vertragsgemäßen) Gebrauchs der Wohnung nicht und trug der schlechten Schallisolierung der Trennwand zur Wohnung des Klägers sogar durch eine rücksichtsvollere Nutzung der Küche Rechnung.

7. Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass von der Eigentumswohnung des Beklagten durch das Spielen seiner drei Kinder Lärmimmissionen auf die darunter liegende Eigentumswohnung des Klägers ausgehen (44 dB, bei Herumtollen 49 dB), die ihre Ursache in einem vom Beklagten errichteten unzureichenden Trittschallschutz der Deckenkonstruktion haben. Fraglos ist das Spielen von Kindern grundsätzlich eine übliche Aktivität in einer Eigentumswohnung, die in der Regel auch mit ihrer bestimmungs‑(vertrags‑)gemäßen Nutzung im Einklang steht. Von einer verkehrsüblichen bzw widmungsgemäßen Nutzung der Wohnung könnte aber dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn ‑ wie der Kläger vorbringt ‑ ganztägig eklatant Lärm (Getrampel) in der Wohnung des Beklagten erregt wird, dem vom Beklagten und seiner Frau keinerlei Einhalt geboten wird. Solange er für keinen zureichenden Trittschallschutz sorgt, wären im Sinne der aufgezeigten Interessenabwägung selbst bei einem Spielen der Kinder, das die Grenzen der verkehrsüblichen bzw widmungsgemäßen Nutzung der Wohnung nicht übersteigt, vom Beklagten überdies Maßnahmen der besonderen Rücksichtnahme zu verlangen, nach denen der Kläger im Wesentlichen keinen größeren Lärmimmissionen als bei ordnungsgemäßer Isolierung und verkehrsüblicher Nutzung ausgesetzt ist. Insoweit wird auch eine Ergänzung des Sachverständigengutachtens dahin vorzunehmen sein, welche Immissionen der Kläger dann zu gewärtigen wären, sodass beurteilt werden kann, inwieweit die konkreten Immissionen davon abweichen.

8. Der festgestellte Sachverhalt lässt jedoch noch keine abschließende Erledigung der Rechtssache zu, weil zum Vorbringen des Klägers einer verkehrsunüblichen, sich über den ganzen Tag erstreckenden Lärmerregung keine Feststellungen getroffen wurden. Erst Feststellungen zur zeitlichen Lage und Dauer des Lärms werden eine Beurteilung erlauben, ob die Wohnung in verkehrsüblicher bzw der vertraglichen Sonderbeziehung entsprechender Weise genutzt wird. Selbst wenn dies der Fall ist, wäre das Unterlassungsbegehren noch nicht unberechtigt, wenn der Beklagte den mangelhaften Trittschallschutz zu verantworten hat und keine hinreichenden Maßnahmen zur gebotenen Rücksichtnahme erkennen lässt. Auch dazu bedarf es aber entsprechender Feststellungen.

9. Auf die Größe der Wohnungseigentumsanlage ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht Bedacht zu nehmen. Dass es sich im vorliegenden Fall um eine sehr kleine Wohnungseigentumsanlage handelt (drei Wohnungseigentumsobjekte in ausgebautem Einfamilienhaus), bei dem der Beklagte den Dachausbau selbst vornahm, kann nur insoweit von Bedeutung sein, als ihm die im mangelhaften Trittschallschutz gelegene Störquelle zuzurechnen ist.

10. Von all dem unberührt bleibt, dass das Wohnungseigentumsgesetz jedem Wohnungseigentümer gemäß § 30 Abs 1 WEG einen im außerstreitigen Verfahren durchsetzbaren Anspruch auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten gewährt. Dazu gehört auch die erstmalige Herstellung des mängelfreien Zustands von allgemeinen Teilen der Liegenschaft, zu denen etwa auch eine Trennwand zwischen Wohnungseigentumsobjekten (RIS‑Justiz RS0110785) oder die zwischen zwei Geschoßen eingezogene Decke (RIS‑Justiz RS0082890) zählt.

11. Nach all dem ist der Revision Folge zu geben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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