Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Die Klägerin kaufte im Mai 2008 beim beklagten Autohändler einen PKW Range Rover Sport 3,6 Td um 87.000 EUR.
Das Fahrzeug verfügt - wie sämtliche andere Dieselneufahrzeuge im Kaufzeitpunkt - über einen Dieselpartikelfilter (DPF), der Teil des Schadstoffbegrenzungssystems des Fahrzeugs ist und einen großen Anteil schädlicher Kohlenstoffpartikel (Ruß) aus den Abgasen entfernt, bevor diese den Auspuff verlassen. Die Partikel werden aus dem Abgas gefiltert und verbleiben im Filter, bis sie verbrennen und der Filter entleert werden kann. Erscheint die Meldung „DPF voll“, so ist das in der Betriebsanleitung vorgesehene Regenerierungsverfahren durchzuführen. Dabei ist das Fahrzeug nach Erreichen der normalen Betriebstemperatur 20 Minuten lang mit einer Geschwindigkeit von über 48 km/h und einer Motordrehzahl von 2500 bis 4000 Umdrehungen pro Minute zu fahren. Durch dieses Regenerierungsverfahren werden hohe Temperaturen im Dieselpartikelfilter erzeugt und dadurch die Selbstregenerierung bzw Selbstreinigung des Dieselpartikelfilters durchgeführt. Im Gegensatz zu einem normalen Filter muss der Dieselpartikelfilter nicht regelmäßig ausgetauscht werden. Der Regenerierungsprozess findet in den meisten Fällen automatisch statt, unter bestimmten ungünstigen Fahrbedingungen muss der Regenerierungsprozess jedoch vom Fahrer eingeleitet werden. Das beschriebene Regenerierungsverfahren ist bei den meisten mit einem Dieselpartikelfilter ausgestatteten Fahrzeugen durchzuführen.
In welchen Abständen der Dieselpartikelfilter zu reinigen ist, hängt von den Einsatzbedingungen des Fahrzeugs ab. Wird es vorwiegend in der Stadt und nur kurze Strecken gefahren, so führt dies zu einem relativ schnellen Füllen des Filters, sodass unter Umständen bereits nach rund 200 km die Meldung „DPF reinigen“ aufleuchtet. Leuchtet diese Meldung auf, so hat der Fahrer die in der Betriebsanleitung vorgesehene, etwa zwanzigminütige Regenerationsfahrt durchzuführen und dadurch den Reinigungszyklus einzuleiten. Wird das Fahrzeug nicht ausschließlich in der Stadt sondern auch Überland betrieben, so sind die Reinigungsintervalle wesentlich länger, etwa alle 30.000 bis 50.000 km oder teilweise mehr. Für die Regenerierung des Dieselpartikelfilters ist ein Werkstättenbesuch in der Regel nicht erforderlich, vielmehr kann der Filter entsprechend der Betriebsanleitung durch Regenerationsfahrten selbst gereinigt werden. Die Regenerierung kann jedoch auch in einer Fachwerkstätte durchgeführt werden.
Das gegenständliche Fahrzeug, insbesondere dessen Dieselpartikelfilter, entsprach im Kaufzeitpunkt dem Stand der Technik.
Das Verkaufsgespräch wurde sowohl von der Klägerin als auch von deren Ehemann geführt. Die Klägerin bzw ihr Ehemann wiesen die Beklagte weder auf ihr bisheriges Fahrverhalten noch auf den geplanten Verwendungszweck näher hin. Der Beklagten war dies auch nicht bekannt. Tatsächlich benutzte die Klägerin das Fahrzeug unter der Woche überwiegend für innerstädtische Fahrten, am Wochenende wurden sowohl innerstädtische Fahrten als auch Fahrten außerhalb Wiens durchgeführt. Beim Verkaufsgespräch stellten sowohl die Klägerin als auch deren Ehemann den Sicherheitsaspekt des Fahrzeugs sowie dessen Motorisierung in den Vordergrund. Entscheidend (und dies wurde beim Verkaufsgespräch auch so kommuniziert) war für die Klägerin demnach, ein Fahrzeug zu erwerben, das den Fahrzeuginsassen größtmöglichen Schutz bietet. Lediglich am Rande erwähnte die Klägerin bzw ihr Ehemann gegenüber dem Verkäufer der Beklagten beiläufig, dass die Klägerin mit dem Fahrzeug unter anderem auch die Kinder zur Schule bzw in den Kindergarten bringe bzw selbst zur Arbeit fahre.
Der Verkäufer der Beklagten wies die Klägerin nicht darauf hin, dass bei einem reinen Stadtbetrieb des Fahrzeugs regelmäßige Regenerationsfahrten durchzuführen sind. In der Betriebsanleitung wird darauf zwar ausdrücklich hingewiesen, die Klägerin las sich diese vor dem Erwerb des Fahrzeugs jedoch nicht durch. Der Klägerin war im Kaufzeitpunkt nicht bewusst, dass regelmäßige Regenerationsfahrten erforderlich sind.
Etwa vier bis fünf Monate nach Übernahme des Fahrzeugs durch die Klägerin leuchtete erstmals die Warnleuchte „DPF voll“ auf. Die Klägerin las sich das Betriebshandbuch durch und versuchte, die dort vorgesehene Regenerationsfahrt durchzuführen. Da dies aus nicht näher feststellbaren Umständen nicht zu einer Reinigung des Dieselpartikelfilters führte, kontaktierte die Klägerin die Werkstätte der Beklagten, welche mittels Regenerationsfahrt den Filter reinigte. Anschließend musste der Dieselpartikelfilter einige Zeit nicht gereinigt werden, bis in regelmäßigen Abständen (ca alle 200 km) wieder die Meldung „DPF voll“ aufleuchtete. Die Klägerin führte dann teilweise selbst die vorgesehenen Regenerationsfahrten durch, teilweise (insgesamt fünfmal) brachte sie das Fahrzeug in die Werkstätte der Beklagten, damit dort der Dieselpartikelfilter gereinigt wird, was jeweils durch die in der Betriebsanleitung vorgesehene Regenerationsfahrt erfolgte.
Am 22. 3. 2011 meldete die Klägerin das Fahrzeug ab und hinterlegte die Zulassungsbescheinigung und die Kennzeichentafel bei der Behörde.
Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Kaufvertrags und die Bezahlung von 78.280 EUR (Rückerstattung des Kaufpreises abzüglich eines Benützungsentgelts von 10.000 EUR zuzüglich Nebenspesen) Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Sie stützt das Klagebegehren auf Gewährleistung, die sie zur Wandlung berechtige, und auf arglistige Irreführung durch die Beklagte bzw auf von dieser veranlassten Irrtum durch nicht ausreichende Aufklärung.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht verneinte, dass in der Notwendigkeit, häufig Regenerationsfahrten durchführen zu müssen, ein Mangel liege, und verneinte auch Arglist sowie einen von der Beklagten veranlassten Irrtum der Klägerin. Es ließ die Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
1. Die Klägerin sieht eine erhebliche Rechtsfrage darin, ob bei technischen Neuerungen, die dazu führen, dass eine Sache, anders als vergleichbare Sachen, die noch nicht mit der technischen Neuerung versehen sind, nur mit bestimmten Einschränkungen verwendet werden kann, schon der Umstand, dass die Neuerung dem Stand der Technik entspricht, einen Mangel ausschließt.
Die Veränderungen, die technische Neuerungen in den Verwendungsmöglichkeiten von technischen Geräten welcher Art auch immer, aber auch in der Verkehrsauffassung im Lauf der Zeit mit sich bringen, sind so verschieden und vielfältig, dass die von der Klägerin gestellte Frage nicht generell, sondern nur im Einzelfall beantwortet werden kann. Bei der Prüfung, ob ein die Wandlung ausschließender geringfügiger Mangel iSd § 932 Abs 4 ABGB vorliegt, ist eine auf den konkreten Vertrag und die Umstände des Einzelfalls bezogene objektive Abwägung der Interessen der Vertragspartner vorzunehmen (RIS-Justiz RS0119978). Die Beurteilung der Erheblichkeit bzw Geringfügigkeit eines Mangels stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (6 Ob 26/11h; 2 Ob 205/10a = RIS-Justiz RS0119978 [T7]).
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, ein Mangel liege nicht vor, wäre daher vom Obersten Gerichtshof nur dann aufzugreifen, wenn sie eine auffallende Fehlbeurteilung wäre, was hier nicht der Fall ist: Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe den Verkäufer der Beklagten nicht darauf hingewiesen, dass sie das Fahrzeug fast ausschließlich im Stadtverkehr verwenden wolle, der Verkäufer habe mit einer solchen Verwendung des Fahrzeugs - einem sehr schweren und sehr leistungsstarken Geländewagen mit Allradantrieb - auch nicht rechnen müssen.
Diese Ansicht ist vertretbar, zumal die Funktionsweise des Dieselpartikelfilters Stand der Technik war.
Ergänzend sei erwähnt, dass der Bundesgerichtshof zum verwandten deutschen Gewährleistungsrecht (§ 434 BGB) die Mangelhaftigkeit eines Kraftfahrzeugs mit Dieselpartikelfilter mit Eigenschaften wie im vorliegenden Fall verneint hat (4. 3. 2009, VIII ZR 160/08).
2. Die Klägerin sieht eine erhebliche Rechtsfrage auch im Umfang der den Verkäufer einer mit einer technischen Neuerung versehenen Sache treffenden Aufklärungspflichten, wenn die technische Neuerung dazu führt, dass die Sache im Vergleich zu Sachen ohne diese technische Neuerung nur noch eingeschränkt verwendet werden kann.
Wann die Aufklärungspflicht des Vertragspartners nach der Übung des redlichen Verkehrs besteht, ergibt sich jeweils aus den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0111165). Dies gilt auch für die von der Klägerin benannten Umstände, die - wie oben ausgeführt - vielfältig und verschieden sein können.
Wenn das Berufungsgericht eine Aufklärungspflicht des Verkäufers über häufig notwendige Regenerationsfahrten bei nahezu ausschließlicher Verwendung im Stadt- bzw Kurzstreckenverkehr verneint hat, stellt dies angesichts des Umstands, dass der Verkäufer mit einer solchen Verwendung des sehr schweren und sehr leistungsstarken Geländewagens mit Allradantrieb nicht habe rechnen müssen, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
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