Spruch:
Javier F***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Nachdem in dem zu AZ 2 St 209/10y der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis geführten Auslieferungsverfahren zur Strafverfolgung in Guatemala die Auslieferung des guatemaltekischen Staatsangehörigen Javier F***** mit - seit 6. Dezember 2011 rechtskräftigem (ON 89) - Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 18. Oktober 2011, GZ 11 HR 168/10t-69, für unzulässig erklärt, die über ihn verhängte - von 23. Mai 2011 bis 27. Mai 2011 und von 21. Juni 2011 bis 6. Dezember 2011 andauernde (ON 18, 27, 31, 34, 38, 47, 52, 69) - Auslieferungshaft aufgehoben (ON 89) und ein Inlandsverfahren wegen der Verbrechen des Mordes nach §§ 12 zweiter und dritter Fall, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen gegen den Genannten eingeleitet worden war (ON 1 S 49 ff), verhängte das Landesgericht Ried im Innkreis am 7. Dezember 2011 über ihn die Untersuchungshaft aus dem Grund des § 176 Abs 6 StPO (ON 82) und setzte diese mit Beschlüssen vom 21. Dezember 2011 (ON 87; rechtskräftig seit 5. Jänner 2012; vgl den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz zum AZ 8 Bs 416/11z [ON 98a] sowie das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 6. März 2012 zum AZ 14 Os 22/12k [ON 122]) und vom 5. März 2012 (ON 113) aus dem selben Haftgrund fort.
Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Linz seiner Beschwerde (ON 119) gegen den zuletzt genannten Beschluss nicht Folge und ordnete erneut die Haftfortsetzung gemäß § 173 Abs 1 und Abs 6 StPO an (ON 127).
Dabei erachtete es Javier F***** weiterhin dringend verdächtig, er habe am 25. September 2006 in Guatemala zur Erschießung von sieben, in der angefochtenen Entscheidung namentlich genannten Häftlingen nach deren gezielter Verbringung in einen gesonderten Bereich der Gefängnisanlage P***** durch bislang unbekannte Befehlsempfänger psychisch beigetragen, indem er in seiner Funktion als Unterdirektor der Nationalen Zivilpolizei und nach vorangegangener Teilnahme an mehreren Einsatztreffen die unmittelbare Tatausführung in Kenntnis des gesamten Tatplans vor Ort mitüberwachte und mitlenkte.
In rechtlicher Hinsicht subsumierte es dieses Verhalten sieben Verbrechen des Mordes nach §§ 12 dritter Fall, 75 StGB.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen gerichteten Grundrechtsbeschwerde, die eine Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen (§§ 9 Abs 2, 177 Abs 1 StPO) moniert, kommt keine Berechtigung zu.
Soweit sie eine Verfahrensverzögerung darin erblickt, dass der Beschuldigte mit Ausnahme kurzer Vernehmungen durch den Ermittlungsrichter bei der Verhängung der Untersuchungshaft am 7. Dezember 2011 und anlässlich der Haftverhandlungen am 21. Dezember 2011 und 5. März 2012 nicht „umfassend und im Detail zum Tatgeschehen“ vernommen worden sei, vernachlässigt sie die im Auslieferungsverfahren durchgeführten ausführlichen Befragungen des Beschwerdeführers zum Sachverhalt (ON 5 und ON 17), auf die er sich anlässlich der Verhängung der Untersuchungshaft ausdrücklich bezog und erklärte, keine weiteren Angaben machen zu wollen (ON 81). Die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft, mit einer - bislang nicht nach § 55 StPO beantragten (vgl zu den Anforderungen an einen solchen Beweisantrag Schmoller, WK-StPO § 55 Rz 42 ff) - ergänzenden Beschuldigtenvernehmung bis zum Einlangen weiterer Verfahrensergebnisse, insbesonders der bereits mittels Rechtshilfeersuchen angeforderten (vgl ON 90 ff, ON 99) Unterlagen aus den in der Schweiz, in Spanien und in Guatemala anhängigen Verfahren gegen die mutmaßlichen Mittäter Carlos Roberto V***** und Erwin Johan S*****, die Javier F***** bislang als einzige Entlastungszeugen nannte (vgl ON 5 S 4 und ON 81 S 4), begegnet unter dem Aspekt der Verfahrensökonomie keinen Bedenken, sodass insoweit eine grundrechtsrelevante Verfahrensverzögerung nicht vorliegt.
Die ohne konkreten Vorwurf mit der Begründung erhobene Behauptung einer Säumigkeit der Staatsanwaltschaft, eine „vorausschauende Planung der Ermittlungsschritte“ sei „für den Beschwerdeführer nicht zu erkennen“, die Rechtshilfeersuchen an „ausländische Behörden“ scheinen sich „auf die Sammlung des Prozessstoffs zu konzentrieren“, bei der man erkunde, „ob es Belastungs- oder Entlastungsmaterial gäbe“, ist schlicht nicht nachvollziehbar und wird zudem den prozessualen Erfordernissen (§ 3 Abs 1 erster Satz GRBG; vgl 11 Os 84/06x, 15 Os 55/07p, 14 Os 59/09x) nicht gerecht. Der unsubstantiierte Verweis auf eine dem Oberlandesgericht „vorgelegte Urkunde, in der ein Ermittlungsstopp behauptet wurde“ (angesprochen wird ersichtlich ein - zudem nach Ablauf der Beschwerdefrist an das Beschwerdegericht übermittelter - Artikel aus der oberösterreichischen Kronen Zeitung [ON 129]), reicht zur Erfüllung dieser Begründungspflicht nicht aus. Darüber hinaus lässt das Vorbringen eine Auseinandersetzung mit den ausführlichen oberlandesgerichtlichen Erwägungen (ON 127 S 2 bis 6) vermissen und scheitert mangels entsprechenden deutlichen und bestimmten Vorbringens in der Beschwerde gegen den Fortsetzungsbeschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 5. März 2012 (ON 119) schon an der nach Maßgabe des § 1 GRBG verlangten, nicht bloß formalen (nämlich Anrufung des Beschwerdegerichts), vielmehr auch inhaltlichen Ausschöpfung (vgl § 88 Abs 1 erster Satz StPO) des Instanzenzugs (RIS-Justiz RS0114487 [insbesondere T6, T8, T9, T11 bis T15, T19, T20]).
Gleiches gilt für den ebenfalls unter dem Aspekt einer Verletzung des Beschleunigungsgebots erhobenen Einwand, es wäre mit Blick auf die Verantwortung des Beschuldigten notwendig gewesen, die spanischen und die Schweizer Behörden um Vernehmung der Verdächtigen Carlos Roberto V***** und Erwin Johan S***** zu ersuchen, wobei der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen ist, dass die oben angesprochenen, unmittelbar nach Einleitung des Inlandsverfahrens gegen Javier F***** an die Staatsanwaltschaften von Madrid und Genf gerichteten und akribisch betriebenen (ON 1 S 63 ff, ON 105, ON 1 S 71, 75) Rechtshilfeersuchen (ON 90 ff) die Forderung nach Übermittlung beglaubigter Kopien der Protokolle über die in den dortigen Verfahren durchgeführten Vernehmungen der Genannten enthielten. Eine audivisuelle Aufzeichnung der Befragung des Carlos Roberto V***** in Spanien langte bereits am 16. Februar 2012 beim Landesgericht Ried im Innkreis ein und wurde - entsprechend einer Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 17. Februar 2012 (ON 1 S 77) - nach Herstellung einer Kopie der CD-R (ON 107 S 47) am 21. Februar 2012 der Dolmetscherin zur Übersetzung in die deutsche Sprache übermittelt (ON 1 S 77; vgl auch ON 109 und ON 127 S 4).
Dass zur ausreichenden Klärung des Sachverhalts (nach Einlangen der Beantwortung der Rechtshilfeersuchen) allenfalls kontradiktorische Vernehmungen der angesprochenen weiteren Verdächtigen sowie - mit Blick auf das nunmehrige Vorbringen in der Haftbeschwerde - eine umgehende ergänzende Befragung des Beschuldigten notwendig sein wird, hat das Oberlandesgericht im Übrigen bereits klargestellt (ON 127 S 7).
Ergänzendes Vorbringen des Beschwerdeführers zu nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts angeblich eingetretenen weiteren Verzögerungen in der gemäß § 24 StPO erstatteten Äußerung ist unbeachtlich, weil es zum einen gegen den von § 285 Abs 1 erster Satz StPO iVm § 10 GRBG auch im Grundrechtsbeschwerdeverfahren gültigen Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels verstößt (RIS-Justiz RS0097061 [T2], RS0097055 [T3]) und zum anderen neuerlich an der fehlenden Ausschöpfung (vgl § 88 Abs 1 erster Satz StPO) des Instanzenzugs scheitert (RIS-Justiz RS0114487 [insbesondere T6, T8, T9, T11 bis T15, T19, T20]).
Die Grundrechtsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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