Spruch:
Dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 768,24 EUR (darin 128,04 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Das Berufungsgericht wies die am 25. 1. 2011 elektronisch eingebrachte Berufung des Beklagten gegen das klagestattgebende Versäumungsurteil des Erstgerichts vom 30. 10. 2008 als verspätet zurück. Dieser Zurückweisung lag die Beurteilung zugrunde, dass das Versäumungsurteil an den Beklagten bereits am 24. 11. 2008 durch Hinterlegung gemäß § 8 Abs 2 ZustG wirksam zugestellt worden sei. Die Hinterlegung nach dieser Bestimmung sei zulässig gewesen, weil es der Beklagte verabsäumt habe, dem Erstgericht nach wirksamer Zustellung des Zahlungsbefehls vom 21. 7. 2008 und Änderung seiner früheren Abgabestelle gemäß § 8 Abs 1 ZustG die neue Abgabestelle bekanntzugeben.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
Der Kläger beantragt, dem Rekurs des Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde nach § 8 Abs 1 ZustG unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist die Zustellung nach § 8 Abs 2 ZustG durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Der Rekurswerber bezweifelt nicht, dass die vierwöchige Berufungsfrist versäumt wurde (§ 464 Abs 1 ZPO), wenn man wie das Berufungsgericht von einer wirksamen Zustellung des Versäumungsurteils am 24. 11. 2008 ausgeht. Er leugnet auch nicht, dass er nach Zustellung des Zahlungsbefehls und Erhebung seines Einspruchs die frühere Abgabestelle in H***** aufgegeben, dem Erstgericht jedoch keine neue Abgabestelle bekanntgeben hat. Gegen die Annahme der Voraussetzungen für eine Hinterlegung nach § 8 Abs 2 ZustG durch das Berufungsgericht macht er aber geltend, dass es ihm zufolge häufiger berufsbedingter Änderungen „faktisch unmöglich“ gewesen sei, dem Erstgericht den jeweiligen Aufenthaltsort bekanntzugeben.
Die Argumentation des Beklagten zur „Unmöglichkeit“ der Bekanntgabe überzeugt nicht. Dass in der Mitteilung nach § 8 Abs 1 ZustG nicht nur die Aufgabe der bisherigen Abgabestelle, sondern auch eine neue Adresse anzugeben ist, hat der Oberste Gerichtshof bereits entschieden (3 Ob 200/09x ua). Dass der Beklagte nach der Aufgabe der bisherigen Abgabestelle nach Zustellung des Zahlungsbefehls keine neue Abgabestelle hatte, behauptet er gar nicht. Vielmehr räumt er ein, seinen Hauptwohnsitz in Deutschland bzw bei Zustellung des Versäumungsurteils am 24. 11. 2008 wieder eine Wohnung in Österreich in L***** gehabt zu haben. Ob sich nun der Mitteilungspflichtige der Mühe unterzieht, häufig wechselnde Abgabestellen dem Gericht jeweils bekanntzugeben, nach § 9 ZustG eine Zustellungsvollmacht erteilt oder überhaupt einen Prozessbevollmächtigten bestellt, liegt in seinem Ermessen und in seiner Verantwortung (3 Ob 200/09x ua). Dass seine Abgabestelle vom Gericht ohne Schwierigkeiten feststellbar gewesen wäre, behauptet der Beklagte nicht.
Die Annahme des Beklagten, die Zustellung hätte gemäß § 25 ZustG durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen müssen, übergeht, dass ein Vorgehen nach dieser Bestimmung unter anderem nur dann in Frage kommt, wenn nicht gemäß § 8 ZustG vorzugehen ist.
Auch aus der Aufhebung der vom Erstgericht zunächst erteilten Bestätigung der Rechtskraft des Versäumungsurteils durch das Erstgericht ist für den Standpunkt des Beklagten nichts zu gewinnen. Die Wirkung der formellen Rechtskraft tritt kraft Gesetzes ein und haftet der Entscheidung als eine Eigenschaft an (RIS-Justiz RS0041308 ua). Bindung käme allenfalls der rechtskräftigen Zurückweisung der Berufung durch das Erstgericht zu (§ 468 Abs 1 ZPO), die hier aber nicht vorliegt. Dass das Erstgericht dem Berufungsgericht die Berufung zur Entscheidung in der unrichtigen Annahme vorlegt, sie sei rechtzeitig, bindet das Berufungsgericht nicht (siehe § 471 Z 2 iVm § 473 Abs 1, § 474 Abs 2 ZPO).
Dem unbegründeten Rekurs des Beklagten muss somit ein Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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