OGH 2Ob63/12x

OGH2Ob63/12x24.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen 1. der Klägerin (zu 6 Cg 124/10d des Landesgerichts Salzburg) E***** G*****, 2. des Klägers (zu 6 Cg 125/10a des Landesgerichts Salzburg) T***** W*****, und 3. des Klägers (zu 5 Cg 140/10z des Landesgerichts Salzburg) G***** W*****, alle vertreten durch Dr. Klaus Perner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. E***** AG, *****, vertreten durch MMag. Dr. Johannes Neumayer ua, Rechtsanwälte in Wien, und 2. M***** AG, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 11.083,79 EUR (6 Cg 124/10d des Landesgerichts Salzburg), 23.042 EUR sA (6 Cg 125/10a des Landesgerichts Salzburg) und 16.608,58 EUR sA (5 Cg 140/10z des Landesgerichts Salzburg), über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2012, GZ 6 R 384/11z-24, womit das Zwischenurteil des Landesgerichts Salzburg vom 19. August 2011, GZ 6 Cg 124/10d-17, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Revision wird zurückgewiesen.

2. Die Revisionsbeantwortung der zweitbeklagten Partei wird zurückgewiesen.

3. Der Zurückweisungsantrag der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.

4. Die erstbeklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 2.300,28 EUR (darin enthalten 383,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

1. Die Kläger haben Zertifikate einer im Ausland ansässigen Gesellschaft als Wertanlage gezeichnet. Sie seien von der Erstbeklagten unrichtig beraten und in die Irre geführt worden, weil ihnen die tatsächlich risikoträchtige Investition als absolut sicher dargestellt worden sei. Die Zweitbeklagte habe die Kläger durch ihre Verkaufsprospekte in die Irre geführt. Die Kläger begehren mit der am 21. August 2010 eingebrachten Klage Naturalrestitution, also Rückerstattung des Kaufpreises der Zertifikate Zug um Zug gegen deren Rückgabe.

Die Beklagten wenden ua Verjährung ein, weil die Kläger mehr als drei Jahre vor Einbringung der Klage von den Kursverlusten der Zertifikate erfahren hätten.

Das Erstgericht fällte ein Zwischenurteil zur Verjährung gemäß § 393a ZPO und sprach aus, die Verjährungseinreden der Beklagten würden verworfen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Erstbeklagten nicht Folge, derjenigen der Zweitbeklagten jedoch teilweise dahingehend, dass der Verjährungseinwand (nur) gegen die auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gestützten Klagebegehren verworfen wurde.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, da noch keine höchstgerichtliche Judikatur zur Fällung eines Zwischenurteils zur Verjährung gemäß § 393a ZPO vorliege. Insbesondere komme der Frage erhebliche Bedeutung zu, ob die Fällung eines Zwischenurteils nach § 393a ZPO auch dann zulässig sei, wenn ein Zusammenhang zwischen den für die Beurteilung der Verjährung und des Anspruchsgrundes maßgeblichen Tatsachenfragen bestehe, dies insbesondere im Hinblick auf § 272 Abs 1 ZPO, der dem Gericht eine Beweiswürdigung unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse der gesamten Verhandlung und Beweisführung auftrage.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Revision enthält - abgesehen von der Wiederholung der vom Berufungsgericht formulierten Rechtsfrage - dazu keinerlei Rechtsausführungen.

Selbst wenn das Berufungsgericht - zu Recht - ausgesprochen hatte, die ordentliche Revision (oder der Rekurs an den Obersten Gerichtshof) sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision (der Rekurs) trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0102059).

Die Revisionswerberin kann auch keine anderen erheblichen Rechtsfragen aufzeigen.

Sie bringt vor, es liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vor, wann von „Beschwichtigungsversuchen“ (von Anlageberatern gegenüber Anlegern, die wegen der Kursverluste ihrer Veranlagungen nervös geworden sind; vgl 6 Ob 103/08b) gesprochen werden könne.

Diese Frage kann nicht allgemein beantwortet werden, sondern ist im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen und wirft daher - von krassen Fehlbeurteilungen abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Die Vorinstanzen haben Folgendes festgestellt: Der Berater meinte bei einem Telefonat Anfang August 2007 zur Erstklägerin, der Wert (der Zertifikate) sei zwar von 21 auf 18 heruntergegangen, das würde aber nur zwei oder drei Wochen dauern, der Wert würde wieder steigen. Er würde sich in zwei oder drei Wochen neuerlich melden. Das Sinken des Wertes erklärte der Berater so, dass etwas „umgeschichtet worden sei“. Die Erstklägerin war zunächst über den ihr mitgeteilten Kursverlust beunruhigt, jedoch vertraute sie dem Berater, der Wert werde wieder steigen. Die Erstklägerin informierte von diesem Telefonat die beiden anderen Kläger. Dass es sich bei der Veranlagung „eigentlich um Aktien“ handle, erfuhren die Kläger erst Anfang September 2007.

Das Berufungsgericht hat die Äußerungen des Beraters als beschwichtigend bezeichnet und daher den Beginn der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB nicht schon mit Kenntnis vom Kursverlust Anfang August 2007, sondern erst mit der Kenntnis davon, keine risikoarme Veranlagung gewählt zu haben, Anfang September 2007 angenommen. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der einschlägigen Rechtsprechung (6 Ob 103/08b; 3 Ob 40/07i; 9 Ob 17/07a).

Weiter meint die Erstbeklagte, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob es sich beim von den Klägern behaupteten Schaden nicht um reine Folgeschäden handle und der Primärschaden deshalb bereits verjährt sei. Die Revisionswerberin führt dazu aber nichts aus, weshalb die aufgeworfene Frage nicht nachvollziehbar ist.

Die Revisionswerberin rügt als Verfahrensmangel, das Berufungsgericht unterstelle einen angenommenen Sachverhalt, wenn es eine von der Erstbeklagten zu vertretende Verletzung von Sorgfaltspflichten bei der Anlageberatung unterstelle. Es fehlten Feststellungen, ein wie beschaffendes Investment die Kläger überhaupt erwerben hätten wollen.

Dass entsprechende Feststellungen fehlen, trifft zwar zu. Dies macht aber die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht mangelhaft. § 393a ZPO ermöglicht ein Zwischenurteil zur (verneinten) Verjährung. Es wird dabei nur die allfällige (nicht gegebene) Verjährung des Klagsanspruchs beurteilt und selbstständig im Instanzenzug überprüfbar, bevor ein uU umfangreiches (Beweis-)Verfahren über die übrigen Anspruchsgrundlagen des Klagsanspruchs durchgeführt werden muss. Dass die abgesonderte Prüfung der allfälligen Verjährung eines Anspruchs, dessen Tatsachengrundlagen im Übrigen noch gar nicht feststehen (müssen), die vorläufige Annahme dieser Anspruchsgrundlagen erfordert, liegt in der Natur des Zwischenurteils zur Verjährung gemäß § 393a ZPO. Zutreffend führt das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang aus, das von ihm gefällte Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO stehe einer Abweisung der Klagebegehren dann nicht entgegen, wenn im weiteren Verfahren keine von der erstbeklagten Partei zu vertretende Verletzung von Sorgfaltspflichten hervorkommen sollte.

Schließlich sieht die Revisionswerberin eine erhebliche Rechtsfrage darin, dass sich in § 393a ZPO kein Hinweis finde, dass § 52 ZPO sinngemäß anzuwenden sei.

Die Frage, ob - wie das Erstgericht meint - bei einem Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO mangels Verweises auf § 393 Abs 4 ZPO (der auf § 52 Abs 4 ZPO verweist) eine Entscheidung über die Kosten des Zwischenstreits zu fällen ist oder - wie das Berufungsgericht ausführte - auch bei Zwischenurteilen gemäß § 393a ZPO die § 393 Abs 4 und § 52 Abs 4 ZPO analog anzuwenden seien und daher die Kostenentscheidung vorzubehalten sei, ist einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof entzogen: Nach ständiger Rechtsprechung ist unter Kostenpunkt (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO) nicht nur die Bemessung der Kosten, sondern auch, ob überhaupt ein Anspruch auf Kostenersatz besteht, wem dieser zusteht, sowie die Ablehnung der Kostenentscheidung zu verstehen (RIS-Justiz RS0111498; vgl auch RS0007695; RS0044110).

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts wurde dem Vertreter der Zweitbeklagten am 20. Jänner 2012 zugestellt, die Revisionsbeantwortung der Zweitbeklagten wurde am 21. März 2012 im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht.

Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich nach der Bezeichnung dieses Schriftsatzes um eine Revisionsbeantwortung oder - wie die Kläger meinen - in Wahrheit um eine Revision der Zweitbeklagten handelt. Im ersten Fall stünde ihr keine Revisionsbeantwortung zu, weil sie nicht Revisionsgegnerin der erstbeklagten Revisionswerberin ist (§ 507a ZPO). Im zweiten Fall wäre die Revision verspätet (§ 505 Abs 2 ZPO). Beide Fälle führen zur Zurückweisung dieses Rechtsmittelschriftsatzes.

3. Die Kläger haben mit Schriftsatz die Zurückweisung der Revisionsbeantwortung der zweitbeklagten Partei, die in Wahrheit eine verspätete Revision sei, beantragt. Ein solcher Schriftsatz ist im Gesetz nicht vorgesehen; er ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Da der Klagevertreter drei Personen vertritt, aber bei der nur von der erstbeklagten Partei erhobenen Revision nur einer Partei gegenübersteht, beträgt der Streitgenossenzuschlag gemäß § 15 RATG nur 15 %.

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