Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 25. 5. 2010 wurde das Abschöpfungsverfahren über den Schuldner eingeleitet und ein Treuhänder bestellt. Der Treuhänder berichtete dem Erstgericht am 14. 7. 2011, dass der Schuldner ihm gegenüber seiner Auskunftspflicht gemäß § 210 Abs 1 Z 5 IO trotz zweifacher Aufforderung nicht nachgekommen sei. Es habe seit Einleitung des Abschöpfungsverfahrens keine Eingänge am Treuhandkonto gegeben. Der Treuhänder empfahl dem Erstgericht daher gemäß § 210a IO die Einvernahme des Schuldners. Das Erstgericht lud den Schuldner mit Beschluss vom 27. 7. 2011 zu einer Einvernahme am 1. 9. 2011 vor und drohte für den Fall, dass der Schuldner die Ladung ohne ordnungsgemäße Entschuldigung nicht befolge, an, das Verfahren gemäß § 210a Abs 3 IO von Amts wegen einzustellen. Dieser Beschluss wurde dem Schuldner am 1. 8. 2011 zugestellt.
Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren vorzeitig gemäß § 211 Abs 1 Z 2 IO iVm § 210a Abs 3 IO ein, weil der ordnungsgemäß geladene Schuldner ohne genügende Entschuldigung nicht zur Einvernahme erschienen sei. Dieser Beschluss wurde am 1. 9. 2011 in der Insolvenzdatei veröffentlicht und dem Schuldner durch Hinterlegung am 6. 9. 2011 zugestellt. Eine Zustellung an den Rechtsvertreter des Schuldners erfolgte nicht.
Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss den am 7. 12. 2011 elektronisch eingebrachten Rekurs des Schuldners als verspätet zurück. Gemäß der hier noch anzuwendenden Bestimmung des § 211 Abs 4 KO sei der Beschluss über die vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens öffentlich bekannt zu machen. Hier sei das Verfahren gemäß § 210a Abs 3 KO eingestellt worden. Diese Bestimmung enthalte anders als § 211 KO keine Regelung, ob der Einstellungsbeschluss öffentlich bekannt zu machen ist. Mit der durch die InsNov 2002 geschaffenen Bestimmung des § 210a KO sollte jedoch die Bestimmung des § 211 KO um einen weiteren Einstellungstatbestand ergänzt werden. Daraus folge, dass auch ein Einstellungsbeschluss nach § 210a KO öffentlich bekannt zu machen sei. Für eine unterschiedliche Behandlung der einzelnen Tatbestände fehle eine sachliche Rechtfertigung, insbesondere werde der Schuldner auch vor einer drohenden vorzeitigen Einstellung gemäß § 210a Abs 3 KO gehört und auf die Folgen eines Nichterscheinens oder einer Verweigerung der Auskunft hingewiesen. Für eine öffentliche Bekanntmachung des Einstellungsbeschlusses sprächen auch die Rechtsfolgen der Entscheidung, wie etwa die Beendigung der Exekutionssperre gemäß § 206 Abs 1 KO. Sowohl der Beschluss über die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens (§ 200 Abs 2 KO) als auch jener über seine Beendigung (§ 213 Abs 6 KO) sei unabhängig von der Entscheidung über die Restschuldbefreiung öffentlich bekannt zu machen, sodass dies zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs auch für einen Einstellungsbeschluss gemäß § 210a KO gelten müsse. Die Rekursfrist habe demnach gemäß §§ 252, 256 Abs 1, 257 Abs 2 IO am Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung des angefochtenen Beschlusses in der Insolvenzdatei zu laufen begonnen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob ein auf § 210a KO beruhender Beschluss über die vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens öffentlich bekannt zu machen ist, fehle und die dazu vorhandene Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz uneinheitlich sei.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Schuldner erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.
1. Voranzustellen ist, dass gemäß § 273 Abs 1 IO im Verfahren die Bestimmungen der §§ 210a, 211 KO anzuwenden sind (die allerdings den nunmehrigen §§ 210a, 211 IO inhaltlich entsprechen), während gemäß § 273 Abs 8 IO die verfahrensrechtlichen Vorschriften insbesondere der §§ 252 bis 263 IO idF des IRÄG 2010 anzuwenden sind.
2. Der Rechtsmittelwerber stellt nicht in Abrede, dass gemäß § 257 Abs 2 IO (§ 174 Abs 2 KO) dort, wo die öffentliche Zustellung vorgeschrieben ist, die Rechtsmittelfrist bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung durch Aufnahme in die Insolvenzdatei in Lauf gesetzt wird, und zwar unabhängig davon, ob auch bzw wenn eine besondere Zustellung an die Beteiligten erfolgt ist (RIS-Justiz RS0065237; RS0110969; 8 Ob 125/10f mwN). Er macht aber geltend, dass ein Beschluss, mit dem ein Abschöpfungsverfahren vorzeitig gemäß § 210a KO eingestellt wird, mangels einer § 211 Abs 4 KO entsprechenden Bestimmung und mangels Vorliegens einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht öffentlich bekannt zu machen sei. Dem kommt keine Berechtigung zu, wozu zunächst auf die zutreffende Begründung des Rekursgerichts verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO). Ergänzend ist auszuführen:
3. Das mit der KO-Nov 1993, BGBl 1993/974, geschaffene Abschöpfungsverfahren ist ein eigenständiges Nachverfahren zum Konkursverfahren (8 Ob 4/05d), das nur dann zulässig ist, wenn der Schuldner zunächst einen zulässigen Zahlungsplan vorgelegt hat, dieser aber nicht angenommen oder nicht bestätigt wurde (§ 200 Abs 1 KO [IO]; Kodek, Privatkonkurs Rz 511; 8 Ob 342/98x; Mohr in Konecny/Schubert, KO, § 200 Rz 2 ff). Mit der Konkursaufhebung, die mit Rechtskraft des Beschlusses, mit dem das Abschöpfungsverfahren eingeleitet wird, eintritt (§ 200 Abs 4 Satz 1 KO [IO]), erlangt der Schuldner wieder seine frühere Rechtsstellung. Die mit dem Konkurs verbundenen Beschränkungen fallen weg. Der Schuldner unterliegt allerdings den Obliegenheiten des § 210 KO (8 Ob 3/08m). Insbesondere dann, wenn der Schuldner diese Obliegenheiten verletzt, liegt ein Grund für die in § 211 KO (IO) geregelte vorzeitige Einstellung des Verfahrens ohne Restschuldbefreiung vor (Mohr, Privatkonkurs² 118).
Das Verfahren auf vorzeitige Einstellung (insbesondere auch wegen schuldhafter Obliegenheitsverletzung) konnte nach früherer Rechtslage mit Ausnahme des Falls der amtswegigen vorzeitigen Einstellung des Verfahrens infolge des Todes des Schuldners (§ 211 Abs 3 KO [IO]) nur über Antrag eines Konkursgläubigers eingeleitet werden. Bereits nach damaliger Rechtslage sah § 211 Abs 2 KO (IO) die vorzeitige Einstellung des Verfahrens vor, wenn der Schuldner unentschuldigt nicht zu seiner Einvernahme in einem solchen über Antrag eines Konkursgläubigers eingeleiteten Einstellungsverfahren erscheint oder die Erteilung einer Auskunft ablehnt. Gemäß § 211 Abs 4 KO war (und ist gemäß § 211 Abs 4 IO) der Beschluss über die vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens öffentlich bekannt zu machen.
4. § 210a KO wurde erst mit der InsNov 2002, BGBl I 2002/75, eingeführt. Diese Bestimmung sieht als weiteren, amtswegig wahrzunehmenden Einstellungsgrund vor, dass der Schuldner auch außerhalb eines von einem Konkursgläubiger eingeleiteten Einstellungsverfahrens die Auskunftserteilung ablehnt oder unentschuldigt zu seiner Einvernahme nicht erscheint (Kodek aaO Rz 643). Der Gesetzgeber der InsNov 2002 verfolgte (auch) mit dieser Bestimmung das Ziel, zur Begegnung eines allfälligen Missbrauchs des Abschöpfungsverfahrens die verfahrensrechtliche Stellung des Treuhänders (vgl § 203 KO [IO]) zu stärken (988 BlgNR 21. GP 15). Nach den bereits vom Rekursgericht wiedergegebenen Gesetzesmaterialien (988 BlgNR 21. GP 41) sollten die für das Abschöpfungsverfahren wesentlichen Informationspflichten des Schuldners effizient durchsetzbar werden. Der Treuhänder hat dem Gericht mitzuteilen, wenn der Schuldner nicht nach §§ 210 Abs 1 Z 3 und 5 KO (IO) auf Verlangen Auskunft erteilt. In diesem Fall hat das Gericht den Schuldner zu vernehmen. Kommt der Schuldner der Ladung unentschuldigt nicht nach oder verweigert er die Auskunft gegenüber dem Gericht, bildet dies einen Grund zur amtswegigen vorzeitigen Einstellung des Abschöpfungsverfahrens auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 211 Abs 1 Z 2 KO (IO). Auf diese Rechtsfolge ist der Schuldner in der Ladung hinzuweisen, damit dieser nicht von der Einstellung des Abschöpfungsverfahrens infolge seines Nichterscheinens überrascht wird.
Der Gesetzgeber nahm mit der InsNov 2002 auch in § 211 Abs 1 Z 1 KO (IO) einen weiteren Fall einer Obliegenheitsverletzung auf, nämlich das Eingehen neuer Schulden, die der Schuldner bei Fälligkeit nicht bezahlen kann (§ 210 Abs 1 Z 8 KO [IO]). Darüber hinaus normierte er wie in § 210a Abs 3 KO (IO) auch in § 211 Abs 2 KO (IO) die Verpflichtung, den Schuldner bereits in der Ladung auf die Folgen des ungerechtfertigten Ausbleibens vom Einvernahmetermin bzw der ungerechtfertigten Auskunftsverweigerung hinzuweisen.
5. Mit der InsNov 2002 wurden daher lediglich zwei weitere Gründe für die vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens in das Gesetz aufgenommen, davon unberührt blieb jedoch die Bestimmung des § 211 Abs 4 KO (IO). Diese Bestimmung knüpft die Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung des Beschlusses an dessen Inhalt an (wie das die KO [IO] auch in anderen Fällen vorsieht, vgl 8 Ob 17/05s, 8 Ob 64/11m), der hier die vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens ist (nicht aber an die Gründe dafür). Darauf beruhend ist das Rekursgericht zu Recht davon ausgegangen, dass in jedem Fall der vorzeitigen Einstellung eines Abschöpfungsverfahrens der Beschluss darüber gemäß § 211 Abs 4 KO (IO) öffentlich bekannt zu machen ist. Zutreffend hat das Rekursgericht auch ausgeführt, dass es ein Wertungswiderspruch wäre, einen Beschluss über die vorzeitige Einstellung des Verfahrens gemäß § 210a KO (IO) anders zu behandeln, als einen solchen gemäß § 211 KO (IO). Der bloße Umstand, dass infolge späterer Novellierung einer der Gründe für die vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens nicht in § 211 KO, sondern in § 210a KO geregelt ist, spielt dabei keine Rolle. Dies ergibt sich auch aus dem Gesetzeszweck, wonach die vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens (ungeachtet der dazu führenden Gründe) Wirkung gegen alle Konkursgläubiger entfaltet (wie etwa neben dem vom Rekursgericht schon genannten Ende der Exekutionssperre gemäß § 206 Abs 1 KO [IO] das Wiederaufleben erloschener Aus- und Absonderungsrechte an Einkünften aus einem Arbeitsverhältnis des Schuldners gemäß § 12a Abs 4 Z 3 KO [IO]).
6. Ausgehend davon war dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben, weil das Rekursgericht den Rekurs des Schuldners zu Recht als verspätet zurückgewiesen hat. Die Beurteilung der vom Rechtsmittelwerber im Rekurs behaupteten Mängel des Verfahrens erster Instanz war ihm daher verwehrt.
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