OGH 6Ob57/12v

OGH6Ob57/12v19.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Erlagssache der Erlegerin Republik Österreich (Bundesministerium für Finanzen, vertreten durch die Steuer- und Zollkoordination), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, gegen die Erlagsgegner 1) Mag. W***** K*****, 2) D***** L*****, 3) C***** B*****, 4) P***** W*****, 5) H***** W*****, 6) G***** A*****, 7) G***** M*****, 8) G***** R*****, 9) J***** M*****, 10) Mag. S***** K*****, 11) G***** K*****, 12) E***** S*****, 13) J***** M*****, 14) G***** R*****, 15) E***** R*****, 16) H***** R*****, 17) R***** S*****, 18) H***** T*****, 19) J***** W*****, Erst-, Dritt-, Viert-, Siebent- bis Zwölft-, Vierzehnt- bis Siebzehnterlagsgegner vertreten durch Mag. Alexander Winkler, Notar in Kirchberg an der Pielach, Zweit-, Fünft- und Sechsterlagsgegner vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, Achtzehnterlagsgegnerin vertreten durch Mag. Wolfgang Ruckenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erlags von 37.052,21 EUR, über den Revisionsrekurs der Erlegerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Dezember 2011, GZ 44 R 615/11h-23, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 7. September 2011, GZ 6 Nc 45/11h-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Revisionsrekurswerberin ist schuldig, den Zweit-, Fünft- und Sechsterlagsgegnern binnen 14 Tagen die mit 2.353,75 EUR (darin 392,29 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Antrag vom 18. 5. 2011 begehrte die Republik Österreich die gerichtliche Annahme der Hinterlegung des ihr als heimfällig übergebenen Nachlasses nach H***** B***** und nach A***** B*****. Die beiden Erblasserinnen seien Schwestern, weshalb die Hinterlegung gleichzeitig beantragt werde. Notar Mag. Winkler habe die Ausfolgung der Nachlässe an die Erbberechtigten verlangt. Das Erbrecht sei jedoch nur von drei seiner Mandanten, H***** W*****, D***** L***** sowie G***** A*****, lückenlos nachgewiesen. Das Erbrecht seiner weiteren Mandanten müsse noch durch entsprechende Urkunden nachgewiesen werden - was sofern überhaupt möglich - noch eine unbestimmt lange Zeit in Anspruch nehmen könne. Es liege daher eine unklare Sach- und Rechtslage vor. Entscheidend sei, dass die Erlegerin bei zumutbarer Prüfung die wahre Sach- und Rechtslage nicht (ohne weiteres) erkennen könne. Es könne nicht Aufgabe der Erlegerin sein, das Erbrecht für die Ausfolgung des einst an die Republik Österreich als heimfällig übergebenen Nachlasses an potentielle Erbberechtigte auszuforschen.

Darüber hinaus habe die Finanzprokuratur noch einen weiteren Erbberechtigten, J***** W*****, ausforschen können. Ihm stehe nach derzeitigem Kenntnisstand ein Zwölftel des Nachlasses nach H***** B***** zu.

Es bestehe sohin eine Gläubigermehrheit, wobei überdies nicht auszuschließen sei, dass noch weitere Erbberechtigte aufgefunden werden könnten. Somit sei auch nicht klar, ob und mit welcher Quote die bisher bekannten Erlagsgegner zu befriedigen sein würden. Stünden einem Schuldner mehrere Personen als mögliche Gläubiger gegenüber und sei offen oder unklar, wem zu leisten sei, so habe die Hinterlegung schon insofern einen Sinn, als dadurch der Schuldner, im gegebenen Fall die Republik Österreich, befreit und damit aus der Schuld entlassen würde und der Streit zwischen den potentiellen Gläubigern - ohne Einbeziehung des Schuldners - zu erfolgen habe.

Ein weiterer Grund zur Hinterlegung bestehe darin, dass trotz umfangreicher Nachforschungen sowohl seitens des Notars Mag. Winkler, als auch seitens der Erlegerin zwei der potentiell Erbberechtigten, R***** K***** und H***** T***** nicht ausfindig gemacht haben werden können. Es müsse daher für beide ein Abwesenheitskurator bestellt werden, dem der Erlag anzuzeigen sei. Auch in diesem Fall habe die Republik Österreich aufgrund der vorliegenden Ungewissheit über die Existenz sowie über die Auffindung der Erbberechtigten jedenfalls die Möglichkeit, durch die Hinterlegung nach § 1425 ABGB aus der Schuld gegenüber den Erbberechtigten befreit zu werden. Mag. Winkler habe trotz Aufforderung zur Vorlage seit Frühjahr 2010 bislang nur fünf Vollmachten der von ihm vertretenen Erbansprecher vorlegen können, sodass von der Erlegerin nicht überprüft habe werden können, ob überhaupt Vollmachten der weiteren sieben angeblich vertretenen Erlagsgegner erteilt worden seien. Diese berechtigten Zweifel an der Vollmachtserteilung stellten überdies einen wichtigen Grund iSd § 1425 vierter Fall ABGB für eine Hinterlegung dar.

Mit Erlagsbericht vom 11. 7. 2011 wurde der Empfang des am 8. 7. 2011 eingezahlten Betrags von 37.052,21 EUR dem Erstgericht angezeigt und um Erlassung eines Verwahrauftrags ersucht (ON 6). Mit Beschluss vom 29. 8. 2011 wurde für H***** T*****, deren Aufenthalt unbekannt ist, Rechtsanwalt Mag. Wolfgang Ruckenbauer als Abwesenheitskurator bestellt.

Das Erstgericht nahm den von der Republik Österreich, BMF-Bundesvermögen am 8. 7. 2011 erlegten Betrag von 37.052,21 EUR an. Jede Verfügung über den Erlagsgegenstand wurde der Anordnung des Erstgerichts als Verwahrschaftsgericht vorbehalten. Die Ausfolgung des Erlagsgegenstands könne nur über einvernehmlichen schriftlichen Antrag der Erlagsgegner oder aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung erfolgen.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs der Zweiterlagsgegnerin, des Fünfterlagsgegners und der Sechsterlagsgegnerin diesen Beschluss im antragsabweisenden Sinn ab.

Der Schuldner sei zur gerichtlichen Hinterlegung nach § 1425 ABGB dann befugt, wenn mehrere Forderungsprätendenten auftreten, die jeder eine bestimmte Forderung für sich beanspruchen. Dies sei der Fall, wenn die geltend gemachten Ansprüche einander ausschlössen und der Schuldner im Rahmen einer zumutbaren Prüfung nicht feststellen könne, wer rechtmäßiger Gläubiger sei. Aus den vorgelegten Urkunden ergebe sich weder, dass die Erben die Ausfolgung oder Auszahlung der Nachlässe begehrten, noch, dass sie Anspruch auf die gleiche Forderung erhöben. Die Erlegerin habe nicht schlüssig dargelegt, dass die Erlagsgegner Anspruch auf eine Gläubigerstellung erhöben bzw warum für den Fall der Anspruchserhebung die Gefahr einer Doppelbeanspruchung oder eine unklare Sach- oder Rechtslage für sie bestehen sollte. Das bloße Vorhandensein mehrerer potentieller Gläubiger stelle keine unklare Sach- oder Rechtslage dar. Andernfalls könnte der Staat nach Heimfälligkeit stets hinterlegen, wenn nicht auszuschließen sei, dass Erben in Zukunft auftreten könnten.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zum Hinterlegungsrecht des Fiskus bei Hervorkommen mehrerer anspruchsberechtigter, zum Teil unbekannter oder abwesender Erben nach Heimfälligkeit fehle.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig:

1.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist im Erlagsgesuch der Erlagsgrund anzugeben. Das Erlagsgericht hat zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung iSd § 1425 ABGB an sich taugt. Hingegen ist nicht zu prüfen, ob der angeführte Hinterlegungsgrund tatsächlich gegeben ist. Dem Erlagsgericht obliegt dabei lediglich eine Schlüssigkeitsprüfung (RIS-Justiz RS0112198 [T2]).

1.2. Wird ein Erlagsgesuch damit begründet, dass mehrere Forderungsprätendenten auf den Erlagsgegenstand Anspruch erheben und der oder die wahren Gläubiger nicht mit zumutbarem Aufwand zu ermitteln sind, dann gehört zur Schlüssigkeitsüberprüfung, ob die Angaben des Erlegers über die auf den Erlagsgegenstand geltend gemachten Ansprüche rechtlich plausibel sind und auch dargelegt wurde, dass die Ermittlung des richtigen Gläubigers Schwierigkeiten bereitet (RIS-Justiz RS0113469). Bei einer Mehrzahl von Erlagsgegnern - wie im vorliegenden Fall - sind die Voraussetzungen für den Gerichtserlag hinsichtlich jedes einzelnen Erlagsgegners darzulegen (RIS-Justiz RS0113469 [T4]).

1.3. Bei der Schlüssigkeitsprüfung der Voraussetzungen für ein Erlagsbegehren nach § 1425 ABGB sind aktenkundige Tatumstände zu berücksichtigen, sofern unter Zugrundelegung des Vorbringens der Parteien an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen. Ebenso kann zu berücksichtigen sein, dass der Inhalt einer Urkunde mit dem Vorbringen des Erlegers in unlösbarem Widerspruch steht (RIS-Justiz RS0127187).

1.4. Sowohl bei der Beurteilung der Schlüssigkeit (RIS-Justiz RS0116044) als auch bei Beurteilung der Frage, ob bestimmte Tatsachen vorgebracht wurden (RIS-Justiz RS0042828) sowie bei der Auslegung von Urkunden (RIS-Justiz RS0043415 [T4]) handelt es sich um Fragen des Einzelfalls, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG begründen.

2.1. Prätendent kann nur derjenige sein, der die „gleiche“ Forderung für sich geltend macht. Von mehreren Forderungsprätendenten darf nur dann gesprochen werden, wenn fraglich ist, wem von mehreren Personen, die die Gläubigerstellung beanspruchen, eine bestimmte existierende Forderung zusteht (RIS-Justiz RS0118340). Das entspricht völlig herrschender Auffassung (vgl nur Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1425 Rz 2a).

2.2. In der Auffassung des Rekursgerichts, dass die Erlagsgegner keine konkreten Forderungen erhoben haben und keine Gefahr besteht, dass mehrere der Erlagsgegner die selbe Forderung erheben, ist keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

2.3. Der bloße Hinweis auf die abstrakte Möglichkeit weiterer Anspruchsberechtigter reicht zur Rechtfertigung eines Gerichtserlags jedenfalls nicht aus.

3.1. Eine unklare Sach- oder Rechtslage als solche berechtigt noch nicht zur Hinterlegung (Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1425 Rz 5). Das Hinterlegungsrecht besteht in diesem Fall nur dann, wenn die Frage, wem eine bestimmte existierende Forderung zusteht, strittig ist, oder wenn mehrere Personen Rechte an ein und derselben Forderung geltend machen oder der Gläubiger aufgrund verschiedener Ansprüche mehrerer (potentieller) Gläubiger Gefahr läuft, mehrmals zahlen zu müssen (Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1425 Rz 5).

3.2. Der bloße Umstand, dass es sich bei den Erlagsgegnern möglicherweise um Erben eines von der Republik Österreich aufgrund des Heimfallrechts vereinnahmten Vermögens handelt, rechtfertigt keine Abweichung von diesen Grundsätzen. Durch die Vorgangsweise der Erlegerin würde den Erben anstelle der Republik Österreich eine Vielzahl anderer Personen als Gegner aufgedrängt (vgl Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1425 Rz 4a).

4. Soweit die Revisionsrekurswerberin behauptet, ihr hätte im Rahmen eines Verbesserungsauftrags Gelegenheit gegeben werden müssen, ihre Angaben im Erlagsantrag schlüssig zu stellen, ist der Revisionsrekurs nicht gesetzmäßig ausgeführt, vermag die Revisionsrekurswerberin doch nicht darzutun, welches zusätzliche Vorbringen sie im Falle eines derartigen Auftrags erstattet hätte. Damit wird aber die Relevanz des angeblichen Verfahrensverstoßes nicht aufgezeigt.

5. Damit hängt die Entscheidung des vorliegenden Falls aber nicht von der Lösung von Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität ab, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG.

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