OGH 15Os13/12v

OGH15Os13/12v28.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. März 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Krasa als Schriftführer in der Strafsache gegen Elmas D***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 17. November 2011, GZ 13 Hv 40/11m-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Elmas D***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er im November 1994 in S***** Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar 500 Gramm Heroin mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 150 Gramm Heroin Base, Nehat S***** überlassen, indem er es in dessen Wohnung brachte und ihm dort übergab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) behauptet das Fehlen von „Feststellungen“ darüber, dass Isa E***** in einem (1997 gesondert geführten) Strafverfahren trotz Belastung durch die Zeugin Suzan K***** freigesprochen worden sei, die Genannte 2010 - nach Erkennen des Angeklagten in einem Lokal - die Polizei verständigt habe, weiters - ohne Darlegung eines Sachzusammenhangs mit dem gegenständlichen Verfahren -, dass sie „wegen falscher Beweisaussage und Verleumdung gerichtsbekannt“ und verurteilt worden sei, sodann, dass einer früheren Verurteilung des Angeklagten wegen Suchtgiftdelikten die mehrfache Weitergabe (bloß) von Kleinmengen an Suchtgift zugrunde gelegen wäre, schließlich dass die Zeugin K***** aufgrund ihrer „Lebensbeichte“ eine deutliche Strafreduktion und ihre bedingte Entlassung erreicht habe. Entsprechende Feststellungen wären zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der genannten Zeugin wesentlich gewesen. Die Beschwerde übersieht, dass sich eine Unvollständigkeit iSd Z 5 nicht auf die Feststellungs-, sondern die Begründungsebene bezieht und nur dann vorliegt, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten - dem Gebot gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgenden - Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399, 420 f; RIS-Justiz RS0118316). Zwar könnte auch die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, dies jedoch nur dann, wenn von der Beschwerde deutlich und bestimmt bezeichnete, die Glaubwürdigkeit angeblich ernsthaft in Frage stellende, gleichwohl unerörtert gebliebenen Tatumstände sich auf Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (RIS-Justiz RS0106268) beziehen, nicht hingegen, wenn sie bloß die Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit betreffen, womit sich das Ausmaß der im Einzelfall geltenden Erörterungspflicht entscheidend reduziert (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 432; 13 Os 137/08h; 13 Os 96/96). Indem sich die Beschwerde nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände bezieht, sondern aus den vermissten Erörterungen bloß für den Angeklagten günstigere Schlüsse punkto Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit der Zeugin K***** und des Angeklagten ableiten will, bekämpft sie lediglich - aus Z 5 unzulässig - die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

Das Gericht ist bei der Lösung von Tatfragen (§ 258 Abs 2 StPO) berechtigt, nicht nur „zwingende“ Schlüsse, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu ziehen, welche, wenn sie logisch, somit vertretbar sind, als Ergebnis freier richterlicher Beweiswürdigung mit Nichtigkeitsbeschwerde unanfechtbar sind (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 449). Dies verkennt die Beschwerde, wenn sie eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur Menge des überlassenen Heroins und zu dessen Reinheitsgehalt behauptet, dabei aber lediglich die Erwägungen der Tatrichter (US 8 und 9 f) als nicht ausreichend und als „pure Vermutungen“ bezeichnet.

Aus welchen Gründen das Schöffengericht den Wohnort der Zeugin K***** zum Zeitpunkt der Suchtgiftübergabe mit „Wiener Straße in S*****“ feststellte (US 5 f), legte es unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) mängelfrei dar (US 9). Soweit die Beschwerde darüber spekuliert, dass die Zeugin „vermutlich überhaupt nicht mehr in S***** wohnhaft gewesen ist“ verlässt sie den Anfechtungsrahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Indem die Beschwerde behauptet, der Angeklagte sei der „ideale Kandidat“ für Belastungen durch die Zeugin K***** gewesen, während die Begründung des Erstgerichts zur Glaubwürdigkeit der Zeugin „nicht zu überzeugen vermag“, und eigene Beweiswerterwägungen anstellt, zeigt sie keinen Begründungsmangel (Z 5) auf und verkennt abermals den von einer Schuldberufung verschiedenen Anfechtungsrahmen.

Soweit die Beschwerde zum einen substratlos behauptet, es seien „keine bzw nur unzureichende Gründe“ für die Feststellungen zur subjektiven Tatseite vorhanden, zum anderen Teile der Konstatierungen des Erstgerichts (US 5 ff) stichwortartig zusammenfasst und als „nicht ausreichend begründet“ kritisiert, ist sie mangels Konkretisierung der Nichtigkeit bewirkenden Umstände nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag unter Wiederholung der bereits zur Z 5 vorgebrachten Argumente und mit den ergänzenden Behauptungen, der Angeklagte sei „gerichtlich festgestelltermaßen“ erst im Jahr 1995 mit Heroin in Kontakt gekommen, sowie weitere von der Zeugin K***** belastete Personen seien zu diesem Vorfall weder vernommen noch angeklagt worden, keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Die Sanktionsrüge (Z 11 dritter Fall) bringt mit dem Einwand, die Nichtanwendung des § 40 zweiter Satz StGB stelle einen unvertretbaren Verstoß gegen die Bestimmungen über die Strafbemessung dar, keinen Nichtigkeits-, sondern bloß einen Berufungsgrund zur Darstellung (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 728). Aus dem in der Beschwerde angestellten Vergleich mit der über Suzan K***** in deren eigenem Verfahren verhängten Strafe kann wiederum keine Nichtigkeit abgeleitet werden (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 730).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte