OGH 2Ob31/12s

OGH2Ob31/12s8.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** G*****, vertreten durch Dr. Hermann Kogler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch „WT Tautschnig Rechtsanwaltsgesellschaft mbH“ in Klagenfurt, und der auf Seite der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin M*****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.520,20 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 13. Dezember 2011, GZ 1 R 245/11p-81, womit das Urteil des Bezirksgerichts Leoben vom 29. September 2011, GZ 6 C 1491/07v-74, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger wurde am 1. Juni 2003 im Zuge einer Transportfahrt der ÖBB schwer verletzt (subtotale Amputation des linken Oberschenkels). Die beklagte Partei hat für die Unfallfolgen ein Haftungsanerkenntnis dem Grunde nach abgegeben. Sämtliche Ansprüche aus diesem Arbeitsunfall wurden bis zum 31. Dezember 2006 einvernehmlich geregelt und bereinigt.

Der Kläger hatte seit 1984 eine Lebensgefährtin, der die Führung des Haushalts oblag. Da der Kläger als Gleisbaumonteur auswärts beschäftigt war, konnte er nur geringfügig im Haushalt mitwirken. Dabei verrichtete die Lebensgefährtin insbesondere folgende Tätigkeiten: Einkauf, Nahrungszubereitung, Putzen, Aufräumen, Raumreinigung, Wäschereinigung, Wäschepflege, Instandhaltung. 2004 heiratete der Kläger seine Lebensgefährtin. Seit dem Unfall kommt die Lebensgefährtin und nunmehrige Ehefrau zusätzlich zu den oben genannten Tätigkeiten für die gesamte Pflege des Klägers auf.

Der Kläger begehrt den Ersatz für Pflegeaufwand, und zwar für An- und Auskleiden (Herrichten und Wegtragen der Wäsche), Körperpflege, Beschaffung von Nahrungsmitteln, Zubereiten von Mahlzeiten, Pflege der Wäsche, Reinigung der Wohnung und der Gebrauchsgegenstände, Mobilitätshilfe im Winter, Entsorgen der Harnflasche.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Bezüglich der „normalen“ Hausarbeiten, die im Rahmen einer Lebensgemeinschaft anfielen und die ohnehin in die „Zuständigkeit“ der Ehefrau fielen, sei weder dem Kläger noch seiner Frau ein zeitlicher oder finanzieller Schaden entstanden. Ein Schaden des Klägers ergebe sich nur aus seiner Pflegebedürftigkeit, die zusätzliche Pflegeleistungen der Ehefrau erforderlich mache. Unter Berücksichtigung des ohnehin geleisteten Pflegegelds stehe dem Kläger der Klagsbetrag aber nicht zu.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und ließ die Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Ersatzfähigkeit jener (Pflege-)Leistungen vorliege, die aufgrund der einvernehmlich gestalteten Lebensverhältnisse von vornherein (und unabhängig von unfallskausalen Einschränkungen) von einem (Ehe-)Partner erbracht werden.

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt: Von hier nicht vorliegenden Sonderfällen abgesehen, ist nach ständiger Rechtsprechung Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch die Verursachung eines Schadens durch den Schädiger, wofür der Geschädigte beweispflichtig ist (RIS-Justiz RS0022664).

Schon das Erstgericht hat richtig erkannt, dass es hinsichtlich der Arbeiten, die die Lebensgefährtin bzw Ehefrau des Klägers sowohl vor als auch nach dem Unfall verrichtete (Beschaffung von Nahrungsmitteln, Zubereiten von Mahlzeiten, Pflege der Wäsche, Reinigung der Wohnung und der Gebrauchsgegenstände), an einem vom Schädiger verursachten Schaden mangelt.

Die vom Berufungsgericht gestellte Frage ist daher im Sinn der zitierten Rechtsprechung gelöst. Auf die von den Vorinstanzen angestellten Erwägungen über Fragen der Vorteilsausgleichung in Zusammenhang mit der eherechtlichen Beistandspflicht gemäß § 90 ABGB kommt es mangels verursachten Schadens nicht mehr an.

Der Kläger zeigt in der Revision auch keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die von ihm zitierten Entscheidungen (7 Ob 138/08g; 10 ObS 66/06p) können seinen Rechtsstandpunkt nicht stützen: Fragen der Schadensverursachung sind nicht Thema dieser Entscheidungen. Auf die darin angesprochene nicht vorhandene Außenwirkung familienrechtlicher Pflichten oder der einvernehmlichen Gestaltung des Familienlebens kommt es - wie ausgeführt - nicht an.

Der Kläger meint weiter, es komme auf die Schaffung einer Ersatzlage an, er solle abstrakt jederzeit die Möglichkeit haben, sich die durch die vermehrten Bedürfnisse notwendigen Leistungen entgeltlich auf dem freien Markt zu beschaffen, weshalb die für professionelle Pflege- bzw Betreuungskräfte anfallenden Kosten zu ersetzen seien.

Dem kann nicht gefolgt werden: Zum einen wird der Kläger auf die Rechtsprechung verwiesen, wonach die Kosten einer Pflegeperson grundsätzlich subjektiv konkret und nicht objektiv abstrakt zu berechnen sind (RIS-Justiz RS0030213; RS0022789 [T3, T4, T5]). Zum anderen war selbst dort, wo ein Anspruch für Kosten einer Haushaltshilfe abstrakt berechnet wurde (2 Ob 86/95 = RIS-Justiz RS0030213 [T3]), die Haushaltstätigkeit der Ehefrau des verletzten Klägers durch den Unfall verursacht. Daran fehlt es - wie ausgeführt - im vorliegenden Fall.

Der Vorwurf des Klägers, die „bezughabenden“ Feststellungen des Erstgerichts seien überschießend, ist unberechtigt: Die Beklagte hat schon in erster Instanz die Kausalität des Unfalls für die genannten Haushaltstätigkeiten der Ehefrau des Klägers bestritten, da schon vor dem Unfall eine „Hausfrauenehe“ bestanden habe.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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