OGH 2Ob86/95

OGH2Ob86/957.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Berisha M*****, vertreten durch Rechtsanwälte & Strafverteidiger Dr.Sieglinde Lindmayr, Dr.Michael Bauer, Dr.Günter Secklehner Kommandit-Partnerschaft in Liezen, wider die beklagten Parteien 1. P***** Kurt sen, 2. P***** Kurt jun, beide *****, und 3. ***** Versicherungs-AG, ***** alle vertreten durch Dr.Roger Haarmann und Dr.Bärbl Haarmann, Rechtsanwälte in Liezen, wegen S 105.600 sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 22.Juni 1995, GZ 1 R 139/95-47, womit infolge Berufung sämtlicher Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Gröbming vom 26.Dezember 1994, GZ C 437/93 d-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.601,69 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 933,61, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 4.7.1987 wurde der Kläger, ein in Deutschland lebender Gastarbeiter aus dem Kosovo, bei einem vom Zweitbeklagten verschuldeten Verkehrsunfall lebensgefährlich verletzt. Die beklagten Parteien wurden mit Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 12.4.1990 rechtskräftig zur ungeteilten Hand zur Zahlung einer monatlichen Rente für Pflegekosten von 4.000 S für den Zeitraum Februar 1990 bis einschließlich April 1991 verurteilt; weiters wurde ihre Haftung für sämtliche dem Kläger künftig aus dem Unfall entstehenden Schäden festgestellt.

In einem weiteren Verfahren begehrte der Kläger eine monatliche Rente für Pflegekosten in der Höhe von 4.000 S für die Zeit von Mai 1991 bis einschließlich April 1992. Mit Vergleich vom 27.10.1993 verpflichteten sich die Beklagten zur ungeteilten Hand, dem Kläger für diesen Zeitraum 33.000 S zu bezahlen.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger zunächst eine monatliche Pflegerente von 3.000 S für die Zeit von Mai 1992 bis einschließlich August 1993, somit S 48.000 sA. Er brachte dazu vor, auch weiterhin der Pflege zu bedürfen. In der Streitverhandlung vom 14.12.1994 dehnte er seine Forderung auf monatlich 6.600 S, somit auf insgesamt 105.600 S samt Zinsen aus; er führte dazu aus, daß sich das geltend gemachte Klagebegehren auf Pflegeleistungen und Hilfeleistungen im Haushalt beziehe; pro Tag seien dafür zwei bis drei Stunden aufzuwenden.

Die Beklagten bestritten und wendeten ein, daß der Kläger seit Mai 1992 nicht mehr pflegebedürftig sei. Die Ausdehnung des Klagebegehrens bekämpften sie mit der Begründung, in der Klage sei nur eine Pflegerente begehrt worden, der Kläger könne daher nunmehr nicht daneben noch eine Entschädigung für Hilfeleistung im Haushalt verlangen. Seine Frau lebe seit Juni 1992 wieder im gemeinsamen Haushalt mit ihm. Sie und die beiden Kinder besorgten im Rahmen ihrer Beistandspflicht den Haushalt. Die Ersparnisse durch die Auflösung des zweiten Haushalts im Kosovo überstiegen die geltend gemachten Beträge bei weitem.

Das Erstgericht sprach dem Kläger für den begehrten Zeitraum pro Monat S 4.000 zu, sohin insgesamt S 64.000, wobei es von folgenden Feststellungen ausging:

Aufgrund der Unfallsfolgen ist der Kläger am linken Auge blind. Er leidet an einem ausgeprägten aspontan organischen Psychosyndrom mit deutlichen Störungen der Merkfähigkeit und der Konzentration sowie mit affektiver Nivellierung mit depressiven Zügen. Im Bereich der linken Hüfte trägt er eine Total-Endprothese. Das linke Bein weist eine erhebliche Muskelschwäche und eine Funktionsstörung auf. Es besteht eine Dauerinvalidität von 100 %, mit deren Besserung nicht zu rechnen ist.

Der Kläger kann sich nur mit Mühe auf Krücken fortbewegen. Er kann sich selbst pflegen, selbst essen und kleinere Arbeiten im Haushalt durchführen. Er kann jedoch nicht allein ein Vollbad nehmen, nicht einkaufen, kochen oder die Wohnung aufräumen. Der Aufwand für persönliche Pflege und für Hilfe im Haushalt macht pro Tag mindestens zwei Stunden aus. Diese Tätigkeiten werden von der Frau des Klägers, die ihren Haushalt im Kosovo aufgegeben hat und nunmehr bei ihrem Mann in Deutschland lebt, und von den beiden Kindern verrichtet.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß ein Betrag von S 4.000 pro Monat zur Abgeltung der Leistungen von Frau und Kindern angemessen sei. Daß diese ihre Leistungen unentgeltlich erbrachten, vermöge die beklagten Parteien nicht zu entlasten.

Das von allen Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Zur Rechtsfrage führte das Berufungsgericht aus, daß derjenige, der vor seiner Verletzung den Haushalt ganz oder teilweise selbst geführt habe und nunmehr dazu nicht mehr in der Lage sei, einen Ersatzanspruch aus dem Titel des Verdienstentganges habe, der davon unabhängig sei, ob er tatsächlich Aufwendungen für eine Ersatzkraft zu leisten habe (JBl 1984, 207 ua). Der Kläger habe vor dem Unfall allein in Deutschland gelebt, seine Frau und seine Kinder wohnten im Kosovo. Daß seine Frau nunmehr zu ihm nach Deutschland gezogen sei und ihm den Haushalt führe, vermöge die beklagten Parteien nicht zu entlasten. Auch der Einwand, die Ersparnisse durch die Auflösung des Haushaltes im Kosovo überstiegen allfällige Ansprüche des Klägers, sei nicht berechtigt, weil es als bekannt angesehen werden könne, daß die Lebenshaltungskosten einer Erwachsenen und zweier Kinder in Deutschland um soviel höher seien, als im Kosovo, daß die Einsparung durch die Auflösung eines Haushalts nicht ins Gewicht falle. Weil neben den Haushaltsarbeiten nur verhältnismäßig geringfügige Pflegeleistungen erforderlich seien, sei ein Stundensatz von 65 S angemessen, woraus sich in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Erstgerichtes ein monatlicher Betrag von 4.000 S ergebe.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vollkommen vergleichbaren Fall (Ersatz für Haushaltsarbeiten bei im Unfallszeitpunkt getrennten, danach wieder zusammengelegten Haushalten von Ehegatten) nicht veröffentlicht sei.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Der Kläger hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Parteien nicht Folge zu geben.

Die Revision der beklagten Parteien ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagten Parteien vertreten in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, das Berufungsgericht habe sich zu Unrecht auf eine Entscheidung zum Titel "Hausfrauenrente" gestützt. Die Hausfrauenrente sei im Gegensatz zur Pflege unter Verdienstentgang zu subsumieren. Wenn das Berufungsgericht die Feststellung des Erstgerichtes, wonach der Aufwand für persönliche Pflege und für Hilfe im Haushalt pro Tag mindestens zwei Stunden ausmache, übernehme, so sei diese Feststellung insoferne mangelhaft, als sich der größte Teil dieses Aufwandes auf die Hilfe im Zuge der Haushaltsführung und nicht die persönliche Pflege beziehe. Die Unterlassung der Erörterung dieser entscheidungswesentlichen Tatsache stelle einen Feststellungsmangel dar. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre die Feststellung zu treffen gewesen, daß der Kläger der persönlichen Hilfe und Pflege nur in einigen wenigen Ausnahmefällen bedürfe, so daß der Zeitaufwand für die effektiv benötigten Hilfeleistungen als äußerst minimal zur Gänze zu vernachlässigen sei. Von der Hilfe und Pflege zu unterscheiden sei aber die Haushaltsführung. Kosten der Haushaltsführung könne der Kläger nicht verlangen, da diese von seiner Ehefrau und den Kindern im Rahmen der Beistandspflicht besorgt werde. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes begehre der Kläger nur eine Pflegerente, so daß auch aus diesem Grunde die Kosten der Haushaltsführung nicht zugesprochen werden könnten. Es sei auch unrichtig, daß die Einsparung durch die Auflösung des Haushalts im Kosovo nicht ins Gewicht falle.

Die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung JBl 1984, 207 spreche ausdrücklich von einem Ehemann, der im Sinne seiner gesetzlichen Verpflichtung und der einvernehmlichen Gestaltung der Haushaltsführung ständig Haushaltsarbeiten leiste. Im vorliegenden Fall habe aber kein gemeinsamer ehelicher Haushalt bestanden. Der Kläger sei demnach nicht haushaltsführender Ehegatte, der seine Arbeitskraft als Beitrag im Sinn des § 91 ABGB zur Verfügung stellte, gewesen.

Diese Ausführungen sind, jedenfalls im Ergebnis, nicht zutreffend:

Nach ständiger Rechtsprechung wird im Falle einer Verletzung einer haushaltsführenden Ehefrau (eines Ehemannes) dieser (diesem) ein Ersatzanspruch für die Minderung ihrer (seiner) Erwerbsfähigkeit zuerkannt, wenn sie (er) den Haushalt nicht mehr wie bisher führen kann (Apathy, Komm z EKHG, Rz 13 zu § 13 mwN; JBl 1984, 207 = SZ 55/167). Von dem Fall der Verletzung eines haushaltsführenden Ehegatten ist aber jener zu unterscheiden, bei denen die Haushaltstätigkeit nur den eigenen Bedürfnissen des Verletzten dient. Die Frage, ob der Verlust oder die Minderung der Fähigkeit, Hausarbeiten zu verrichten, dem Erwerbsschaden oder den vermehrten Bedürfnissen zuzurechnen ist, hängt davon ab, ob die Arbeitsleistung einem Beitrag zum Familienunterhalt oder nur der Befriedigung eigener persönlicher Bedürfnisse dient. Wenn - wie im vorliegenden Fall - die Haushaltstätigkeit nur eigenen Bedürfnissen dient und daher nicht als Erwerbsquelle in Frage kommt, stellt sie keine der Erwerbstätigkeit vergleichbare Arbeitsleistung dar (VersR 1974, 162). Das bedeutet aber nicht, daß dann, wenn der Verletzte die vereitelten Dienste nicht gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen, sondern nur für sich selbst zu leisten hätte, nicht auch Anspruch auf die Kosten einer Haushaltshilfe hätte; sie stehen ihm dann aus dem Titel der vermehrten Bedürfnisse und nicht aus jenem des Verdienstausfalles zu (Greger, Zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr2, Rz 57 zu § 11 StVG).

Der Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Haushaltshilfe ist daher, wenn er auf eine Vermehrung der Bedürfnisse des Verletzten zurückzuführen ist, dem Anspruch auf Ersatz von Pflegekosten, der ebenfalls auf eine Vermehrung der Bedürfnisse zurückzuführen ist, gleichzuhalten. Werden derartige Leistungen von Angehörigen des Verletzten erbracht, so entlasten sie den Schädiger nicht, da bloße Schadensverlagerung eintritt (Apathy, aaO Rz 32 zu § 13). Nach ständiger Rechtsprechung hat der Geschädigte im Falle einer Körperverletzung Anspruch auf Ersatz jener Auslagen, die ihm dadurch entstehen, daß er Dienstleistungen anderer infolge seiner unfallsbedingten Körperbehinderung in Anspruch nehmen muß. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Verletzte tatsächlich Kosten für eine Pflegeperson oder Haushaltshilfe aufgewendet hat; auch wenn dritte Personen die notwendigen Dienste unentgeltlich leisten, kann der Schädiger daraus keinen Vorteil für sich ableiten, weil diese Leistungen nicht erbracht wurden, um ihn von seiner Ersatzpflicht zu befreien (ZVR 1989/129). Es erfolgt hier eine abstrakte Berechnung des Anspruches auf Ersatz der vermehrten Bedürfnisse, die sowohl von der Lehre (siehe Koziol, Haftpflichtrecht II2, 128) als auch von der Rechtsprechung (SZ 62/71; zuletzt 2 Ob 71/93) anerkannt wird und von der abzugehen kein Anlaß besteht.

Daraus folgt, daß der Zuspruch an Kosten (auch) für eine Haushaltshilfe zu Recht erfolgte und nicht weiter zu differenzieren ist, inwieweit für den Kläger Pflegeleistungen und inwieweit Leistungen im Zuge der Haushaltsführung erbracht wurden. Unrichtig ist, daß der Kläger nur eine Pflegerente begehrt hätte, hat er doch bei der Klagsausdehnung vorgebracht, daß sich das geltend gemachte Klagebegehren sowohl auf Pflegeleistungen als auch auf Hilfeleistungen im Haushalt beziehe (AS 143). Daß durch die Auflösung des Haushaltes im Kosovo gegenüber der nunmehrigen Haushaltsführung in Deutschland eine ins Gewicht fallende Einsparung nicht erfolgte, ist als notorisch anzusehen.

Der unberechtigten Revision der beklagten Parteien war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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