Spruch:
Auch der Ehemann, der seine Arbeitskraft ganz oder teilweise in der Führung des ehelichen Haushaltes einsetzt, hat einen Ersatzanspruch aus dem Titel des Verdienstentganges, wenn er infolge einer ihm zugefügten Körperverletzung nicht in der Lage ist, diese Tätigkeit weiter auszuüben
OGH 4. November 1982, 8 Ob 198/82 (OLG Graz 4 R 83/82; KG Leoben 5 Cg 94/80)
Text
Am 5. 6. 1979 ereignete sich gegen 18.10 Uhr im Ortsgebiet von S auf der Landesstraße vor dem Haus Nr. 77 ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker eines Mopeds und die Zweitbeklagte als Lenkerin eines PKW beteiligt waren. Der Erstbeklagte ist der Halter, die Drittbeklagte der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeuges. Der mit dem Moped auf der Landesstraße in Richtung K fahrende Kläger kollidierte mit dem von der Zweitbeklagten gelenkten PKW, als diese versuchte, aus der Ausfahrt des Hauses Nr. 77 in die Landesstraße einzufahren. Dabei wurde der Kläger schwer verletzt.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall Zahlung von 146 830.60 S samt Anhang; überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für sämtliche Schäden aus diesem Verkehrsunfall gerichtetes Feststellungsbegehren, wobei die Drittbeklagte nur im Rahmen der zur Unfallszeit bestehenden Haftpflichtversicherungssumme zu haften habe.
Dem Gründe nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, daß die Zweitbeklagte das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe, weil sie unter Mißachtung des Vorranges des Klägers und ohne Beiziehung eines Einweisers aus einer Hauszufahrt in die Landesstraße eingefahren sei. Das Leistungsbegehren des Klägers umfaßt den Zuspruch eines Betrages von 110 000 S an Schmerzengeld und eines Betrages von 6000 S als Entschädigung für Behinderung in der Haushaltsführung. Diese Ansprüche begrundete der Kläger im wesentlichen damit, daß die ihm bei diesem Unfall zugefügten Verletzungen den Zuspruch eines Schmerzengeldbetrages von 110 000 S rechtfertigten. Infolge der erlittenen schweren Verletzungen sei der Kläger während seines Krankenstandes (vom Unfall bis zum 14. 2. 1980) zu einem erheblichen Teil nicht in der Lage gewesen, seinen übernommenen Hausmannpflichten nachzukommen. Er sei während eines Zeitraumes von 5 Monaten zu je 20 Arbeitstagen, sohin an insgesamt 100 Arbeitstagen, an der Ausübung seiner Pflichten im Haushalt gehindert gewesen. Unter Annahme einer Haushaltstätigkeit des Klägers von zwei Stunden pro Arbeitstag ergebe sich daraus eine unfallsbedingte Verhinderung des Klägers in seiner Haushaltstätigkeit in der Dauer von 200 Stunden; bei einem angemessen erscheinenden Stundenlohn von 30 S gebühre dem Kläger aus dem Titel der Behinderung in der Haushaltstätigkeit ein Betrag von 6000 S. Die Beklagten wendeten dem Gründe nach ein, daß den Kläger ein zumindest gleichteiliges Mitverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe, weil er in alkoholisiertem Zustand zu nahe am rechten Fahrbahnrand an die Unfallstelle herangefahren sei und auf das Auftauchen des von der Zweitbeklagten gelenkten PKW nicht reagiert habe. Das Schmerzengeldbegehren des Klägers sei überhöht, einen Verdienstentgang habe er nicht erlitten.
Das Erstgericht sprach, ausgehend vom Alleinverschulden der Zweitbeklagten und berechtigten Ansprüchen des Klägers aus dem Titel des Schmerzengeldes von 100 000 S und aus dem Titel der Entschädigung für Behinderung in der Haushaltsführung von 3600 S, dem Kläger einen Betrag von 118 597.50 S samt Anhang zu und gab seinem Feststellungsbegehren in Ansehung sämtlicher Schäden aus dem Verkehrsunfall statt. Das Leistungsmehrbegehren des Klägers auf Zahlung eines weiteren Betrages von 28 233.10 S samt Anhang wies das Erstgericht ab. Es stellte ua. folgenden Sachverhalt fest:
Der Kläger befand sich in der Zeit vom 5. 6. 1979 bis 8. 1. 1980 und vom 18. 1. bis 30. 1. 1980 unfallsbedingt im Krankenstand. Er ist verheiratet; in seinem Haushalt leben die Gattin und zwei Söhne. Seine Gattin ist bei der Firma S beschäftigt. Von Montag bis Donnerstag verläßt sie um 6.15 Uhr die Wohnung und kehrt berufsbedingt um zirka 17.30 Uhr nach Hause zurück; am Freitag ist sie schon um zirka 14 Uhr wieder zu Hause. Im Hinblick auf die Berufstätigkeit seiner Gattin besorgte der Kläger Tätigkeiten im gemeinsamen Haushalt. Er machte Einkäufe, kochte für seine Söhne und räumte gelegentlich die Wohnung auf. Während seines unfallsbedingten Krankenstandes konnte er diese Arbeit mehr als drei Monate nicht verrichten, weil er beim Gehen auf Krücken angewiesen war.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, da der Kläger infolge seiner unfallsbedingten Verletzungen durch mehr als drei Monate gehindert gewesen sei, seine Tätigkeit im Haushalt wie vor dem Unfall zu verrichten, gebühre ihm gemäß § 1325 ABGB unter der Annahme einer täglichen Arbeitszeit von zwei Stunden und bei einem als angemessen zu bezeichnenden Stundensatz von 30 S ein Betrag von 3600 S (§ 273 ZPO).
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Bezüglich der dem Kläger zugesprochenen Entschädigung für Behinderung in der Haushaltsführung führte es aus:
In der Rechtsprechung sei anerkannt, daß Frauen, die unfallsbedingt ihnen obliegende Haushaltsarbeiten nicht oder nur unter Anwendung vermehrter Mühe und Anstrengung ausführen könnten, auch dann diese Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit als Verdienstentgang gemäß § 1325 ABGB dem Schädiger gegenüber geltend machen könnten, wenn keine Hilfskraft aufgenommen worden sei und die Arbeiten von anderen Personen gefälligkeitshalber verrichtet worden seien. Gleiche Überlegungen hätten auch auf den ganz oder teilweise haushaltsführenden Ehemann Anwendung zu finden. Der Ehemann, der wegen Berufstätigkeit seiner Ehegattin entsprechend seiner gesetzlichen Verpflichtung (§ 95 ABGB) bestimmte Haushaltsarbeiten ständig verrichte und daran unfallsbedingt behindert werde, erleide einen vom Schädiger schuldhaft verursachten Verdienstentgang auch dann, wenn Hilfskräfte nicht aufgenommen und die zu verrichtenden Haushaltsarbeiten von Angehörigen ausgeführt worden seien. Die Höhe des dem Kläger wegen Behinderung in der Haushaltsführung zugesprochener Betrages werde in der Berufung nicht mehr bekämpft.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In ständiger Rechtsprechung des OGH wird im Falle einer Verletzung einer haushaltsführenden Ehefrau dieser ein Ersatzanspruch für die Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit zuerkannt. Es handelt sich hier um keine abstrakte Rente, sondern um eine Entschädigung für konkreten Verdienstentgang. Ein derartiger Ersatzanspruch ist auch dann zu bejahen, wenn eine verletzte Hausfrau sich tatsächlich keiner bezahlten Hilfskraft bedient, sondern ihre Behinderung durch einen Mehraufwand von Zeit und Mühe überwindet oder in anderer Weise Abhilfe sucht (s. dazu Welser, Der Oberste Gerichtshof und der Rechtswidrigkeitszusammenhang, ÖJZ 1975, 39 f.; ZVR 1974/162; ZVR 1975/47; ZVR 1977/111; ZVR 1977/299; ZVR 1979/266 uva.). Gemäß § 95 ABGB haben die Ehegatten an der Führung des gemeinsamen Haushaltes nach ihren persönlichen Verhältnissen, besonders unter Berücksichtigung ihrer beruflichen Belastung, mitzuwirken. Angesichts der gerade aus dieser Gesetzesbestimmung deutlich zum Ausdruck kommenden Aufgabe der Rollenfixierung der Geschlechter gegenüber Beruf und Haushaltsführung ist es sachlich nicht gerechtfertigt, in Fällen, in denen der Ehemann iS seiner gesetzlichen Verpflichtung und der einvernehmlichen Gestaltung der Haushaltsführung (§ 91 ABGB) ständig Haushaltsarbeiten leistet, ihm dann, wenn er durch eine Körperverletzung an der Weiterführung dieser Tätigkeit gehindert wird, keinen gleichartigen Ersatzanspruch zuzuerkennen, wie er der haushaltsführenden Ehefrau iS der eingangs dargestellten ständigen Rechtsprechung zuerkannt wird (vgl. Kunst in SoSi. 1976, 70). Damit im Einklang steht die in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Mitarbeit eines verletzten Ehegatten im Wirtschafts- oder Gewerbebetrieb des anderen entwickelte Überlegung, daß ein Ehegatte, der unfallsbedingt nicht mehr oder nicht mehr voll im Betrieb des anderen mitarbeiten kann, selbst einen Schaden erleidet, weil er seine Arbeitsleistung, die einen bestimmten Wert darstellt, über den er nach Belieben verfügen kann, nicht mehr (voll) zur Verfügung stellen kann (ZVR 1971/157; 2 Ob 110, 111/81 ua.). Auch unter diesem Gesichtspunkt muß dem Ehegatten, der einen Teil seiner Arbeitskraft in der Führung des ehelichen Haushaltes verwendet, ein Ersatzanspruch aus dem Titel des Verdienstentganges iS des § 1325 ABGB zuerkannt werden, wenn er infolge einer ihm schuldhaft zugefügten Körperverletzung nicht mehr in der Lage ist, diese Tätigkeit weiter auszuüben.
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