OGH 1Ob207/11i

OGH1Ob207/11i1.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** O*****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner und Dr. Michael Pichlmair, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 38.978,17 EUR sA, hilfsweise Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. August 2011, GZ 14 R 25/11s-77, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. November 2010, GZ 30 Cg 23/10p-72, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Grundsätzlich kann mit der Behauptung einer unzureichenden Beweiswürdigung der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht dargetan werden, sofern sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt befasst und nachvollziehbare - wenn auch gegebenenfalls nur kurz begründete - Erwägungen dazu angestellt hat (RIS-Justiz RS0043371). Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers kann im vorliegenden Fall keine Rede davon sein, dass sich das Berufungsgericht mit der in der Berufung erhobenen Tatsachenrüge nur so mangelhaft befasst hätte, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten wurden. Gerade mit der Frage, ob das Vorliegen einer Konzession Einfluss auf die Investitionsentscheidung des Klägers gehabt hat, hat sich das Berufungsgericht durchaus nachvollziehbar und eingehend befasst.

2. Wie der Revisionswerber selbst erkennt, liegt regelmäßig keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens im Sinne des § 503 Z 2 ZPO vor, wenn sich das Berufungsgericht mit einer in der Berufung erhobenen Verfahrensrüge befasst und diese als unberechtigt verworfen hat (RIS-Justiz RS0042963). Der Kläger kann daher insbesondere nicht (mehr) geltend machen, dass die Vorinstanzen einen bestimmten Beweisantrag als im Sinne des § 179 ZPO verspätet angesehen haben und dass das Berufungsgericht die vom Kläger behauptete Verletzung der gerichtlichen Anleitungspflicht im Zusammenhang mit einer unterlassenen Ergänzung oder Präzisierung des Klagevorbringens verneint hat. Der Fall, dass das Berufungsgericht infolge einer unrichtigen Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge überhaupt unterlassen hätte, was einen Mangel des Berufungsverfahrens selbst darstellte (RIS-Justiz RS0043086), liegt nicht vor.

3. Das Erstgericht hat zur Frage des als Rechtsgrund für das Klagebegehren herangezogenen Tatsachensubstrats die Auffassung vertreten, der Kläger habe seinen Anspruch darauf gestützt, dass die Aufsichtsbehörde der F***** GmbH (im Folgenden nur GmbH) die „kleine“ Konzession nach dem WAG nicht hätte erteilen dürfen bzw ihr diese spätestens nach einer Prüfung im Mai 2000 wieder entziehen müssen, welches Verhalten seinen Schaden verhindert hätte, weil er bei einer Gesellschaft ohne Konzession nicht investiert hätte. Diese Darstellung habe sich im Verfahren als unrichtig erwiesen, weil in Wahrheit das Bestehen einer Konzession für den Kläger bei seiner Investitionsentscheidung irrelevant gewesen sei. Nur ein Strafverfahren - nicht aber bereits eine allfällige Entziehung der Konzession - wäre geeignet gewesen, den Kläger von seinen Investitionen abzuhalten. Darauf, dass der ihm entstandene Schaden dadurch verhindert werden hätte können, dass die Aufsichtsbehörde die Malversationen erkannt und diesen Sachverhalt den Strafverfolgungsbehörden mitgeteilt hätte, habe er sein Begehren aber gar nicht gestützt. Das Berufungsgericht verneinte einen in diesem Zusammenhang geltend gemachten Erörterungsmangel. Auch wenn der Kläger ein allgemein gehaltenes weiteres Vorbringen zu behaupteten Unterlassungen der Behörden erstattet habe, habe er doch wiederholt ausgeführt, dass er nur aufgrund der bestehenden Konzession investiert hat und nicht investiert hätte, wenn keine Konzession vorgelegen wäre. Nenne eine rechtskundige vertretene Partei zwar eine Reihe von Fehlverhalten der Behörden, leite sie jedoch nur aus bestimmten dieser Fehlverhalten den (geltend gemachten) Schaden ab, bestehe keine Verpflichtung des Gerichts, ihn zur Bekanntgabe aufzufordern, ob nicht weiteres Sachvorbringen erstattet und der Ersatzanspruch allenfalls auf weitere Tatsachen gestützt werden wolle.

Dass dem Berufungsgericht im vorliegenden Fall ein grober Beurteilungsfehler unterlaufen wäre, vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen. So hat er etwa im fortgeschrittenen Verfahrensstadium dezidiert zur Kausalitätsfrage Stellung genommen und ausgeführt, er habe die Zahlung deshalb geleistet, weil es sich bei der GmbH um ein konzessioniertes Wertpapierdienstleistungsunternehmen gehandelt habe; bei rechtmäßigem Verhalten der Organe der Aufsichtsbehörde wäre die Konzessionserteilung unterblieben, die GmbH hätte sich nicht auf eine Konzession berufen können und er hätte ihr keinesfalls Geldbeträge überlassen. Die Auslegung des Prozessvorbringens hat nun stets einzelfallbezogen zu erfolgen und wirft regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage auf, sofern nicht ausnahmsweise ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042828, RS0113563), etwa weil die Auslegung des Parteienvorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist (RIS-Justiz RS0042828 [T7]). Gerade im vorliegenden Fall kann entgegen der Auffassung des Revisionswerbers auch nicht von einer Missachtung tragender Grundsätze des Verfahrensrechts bei der Auslegung des anspruchsbegründenden Vorbringens gesprochen werden. Damit liegt insoweit keine unrichtige Lösung einer erheblichen Rechtsfrage vor, die im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO wegen krasser Beurteilungsfehler des Berufungsgerichts korrekturbedürftig wäre.

4. Folgt man der Auslegung des Vorbringens des Klägers durch die Vorinstanzen, hat er sich zur Kausalität des eingetretenen Schadens (nur) darauf berufen, er habe seine Investitionsentscheidung vom Vorliegen einer Konzession abhängig gemacht und hätte nicht investiert, wenn die Konzession gar nicht erteilt oder vor seiner Investition wieder entzogen worden wäre. Eine derartige Maßgeblichkeit des Bestehens einer Konzession für seine Willensbildung hat sich im Verfahren aber nicht ergeben.

Auf nunmehr darüber hinaus aufgeworfenen Fragen, ob die einschlägigen Vorschriften des WAG über die Erteilung einer Konzession sowie die möglichen Aufsichtsmaßnahmen bei Missständen potentielle Geschäftspartner auch vor risikoreichen Geschäften schützen sollen, die das betreffende Wertpapierdienstleistungsunternehmen außerhalb des durch die Konzession gedeckten Geschäftskreises vornimmt, ist damit nicht einzugehen, haben die Vorinstanzen das Klagevorbringen doch übereinstimmend dahin verstanden, dass es nicht auch die (anspruchsbegründende) Behauptung umfasse, ein (ausreichend bestimmt dargelegtes) pflichtgemäßes Aufsichtsverhalten hätte dazu geführt, dass die GmbH gar nicht mehr in der Lage gewesen wäre, von ihm Gelder zur Veranlagung entgegenzunehmen, bzw dass sie von sich aus vom Abschluss derartiger Geschäfte Abstand genommen hätte.

Damit erweisen sich auch die im Zusammenhang mit dem Vorwurf einer unterbliebenen Gutachtenserörterung vermissten Feststellungen über die (erkennbare) Überschuldung und das Vorliegen von Hinweisen auf das unzulässige Halten von Kundengeldern als ebenso unerheblich wie die im Rahmen der Rechtsrüge angestellten Erörterungen zum Schutzzweck der Normen über die Konzessionserteilung.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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