Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Emanuel H***** mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB (1./) sowie des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und Abs 2 StGB (2./) schuldig erkannt.
Danach hat er - soweit für das Nichtigkeitsverfahren relevant -
1./ zwischen Februar 2011 und 4. Juni 2011 Ivonne M***** durch Gewalt, indem er sie an den Haaren aufs Bett zerrte, sie an den Armen festhielt, ihren Kopf gegen das Bettgestell schlug und sie würgte, zur Duldung von dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlungen, nämlich der mehrfachen mit mehreren Fingern gleichzeitig ausgeführten vaginalen und analen Penetration, wiederholt genötigt, wobei Ivonne M***** durch die Taten in besonderer Weise erniedrigt wurde, indem er sie jeweils unmittelbar vor der geschlechtlichen Handlung zwang, sich nackt vor ihm auf den Boden zu setzen und dort mehrere Minuten zu verharren.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen Punkt 1./ des Schuldspruchs aus Z 3, 5, 5a, 9 lit a und b sowie 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Eine Nichtigkeit iSd Z 3 des § 281 Abs 1 StPO erblickt der Beschwerdeführer in dem Umstand, dass er im Rahmen seiner Ladung zur kontradiktorischen Vernehmung der Zeugin Ivonne M***** im Ermittlungsverfahren nicht auf die schwerwiegenden Konsequenzen seiner Nichtteilnahme hingewiesen worden und zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch einen Verteidiger vertreten gewesen sei, spricht damit aber keine Vorschrift an, deren Verletzung in der Hauptverhandlung ausdrücklich mit Nichtigkeit bedroht ist (RIS-Justiz RS0099088, RS0099118; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 193).
Der Angeklagte in Strafverfahren mit Verteidigerzwang in der Hauptverhandlung (§ 61 Abs 1 Z 4 und 5 StPO) kann, wenn das Beweisverfahren durch kontradiktorische Vernehmung im Ermittlungsverfahren gleichsam vorweggenommen wird, aus Z 4 mit Erfolg geltend machen, dass er nicht rechtzeitig, ausdrücklich und in einer für ihn verständlichen Weise auf den Wert, den ein zur kontradiktorischen Vernehmung beigezogener geschulter Rechtsbeistand darstellt, und das Recht hingewiesen wurde, mit Blick auf ein (angesichts der Vorschriften der §§ 281 Abs 1 Z 1a, 345 Abs 1 Z 2, 489 Abs 1 erster SatzStPO zwanglos zu bejahendes) Erfordernis iSd § 61 Abs 2 StPO nach Maßgabe der sonstigen Voraussetzungen die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu verlangen (RIS-Justiz RS0125706). Vorliegend hat es der Angeklagte jedoch unterlassen, in der Hauptverhandlung den Antrag zu stellen, den Ersatz der unmittelbaren Beweisaufnahme durch Vorführung der bei der kontradiktorischen Vernehmung im Ermittlungsverfahren getätigten Angaben hintanzuhalten oder die Zeugin zu bestimmten Umständen ergänzend zu befragen, weshalb die Verfahrensrüge fehlschlägt (vgl 13 Os 150/09x; 12 Os 33/11m).
Mit dem Vorwurf, die Zeugin Ivonne M***** sei zu den vom Angeklagten behaupteten Sexualpraktiken nicht befragt worden, obwohl diese Umstände im Sinn einer dem Fairnessgebot entsprechenden Verteidigung aufzuklären gewesen wären, erhebt der Beschwerdeführer inhaltlich eine Aufklärungsrüge (Z 5a), ohne jedoch darzutun, wodurch er an der Ausübung seines Rechts, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).
Die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers, wonach die übereinstimmenden Angaben der Belastungszeugin sowie des Angeklagten zur Praktizierung von „härterem Sex“ und das Verhalten der genannten Zeugin nach den „offensichtlich gegen ihren Willen“ erfolgten sexuellen Handlungen der Annahme einer besonderen Erniedrigung entgegenstünden, sprechen keinen aus Z 5 beachtlichen Umstand an, sondern stellen lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter in Frage.
Soweit der Beschwerdeführer in seiner Tatsachenrüge (Z 5a) behauptet, das Erstgericht habe sich mit einzelnen Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt, macht er inhaltlich Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) geltend, übergeht dabei jedoch einerseits die Erwägungen der Tatrichter zum nach den inkriminierten Taten stattgefundenen freiwilligen Verkehr (US 18) sowie zur Würdigung der Angaben des Angeklagten (US 16 f) und orientiert sich damit insoweit nicht an der Gesamtheit der erstgerichtlichen Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370). Andererseits übersieht er, dass die Fragen, ob sich die Zeugin selbst ausgezogen oder sich gewehrt sowie welche Sexualpraktiken sie bevorzugt habe, fallbezogen keine entscheidenden Tatsachen betreffen.
Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz („in dubio pro reo“) wird in unzulässiger Weise die dem Schöffensenat vorbehaltene Beweiswürdigung bekämpft (RIS-Justiz RS0102162).
Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780). Indem der Beschwerdeführer auf Sexualkontakte mit Ivonne M***** nach den Taten verweist und vorbringt, sie wäre mit der inkriminierten Vorgangsweise einverstanden gewesen, gelingt es nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen hervorzurufen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell auch Z 9 lit b) behauptet fehlende Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten, die sexuellen Handlungen ohne Einverständnis der Zeugin Ivonne M***** vorgenommen zu haben, übergeht dabei aber die diesen Aspekt betreffenden Urteilskonstatierungen, wonach er massive Gewalt angewendet hat, um den Widerstand zu brechen und die Genannte zur Duldung dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen zu nötigen (US 7). Somit lässt die Rüge den Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt vermissen (RIS-Justiz RS0099810).
Nominell auch aus Z 5, inhaltlich aus Z 10 behauptet die Nichtigkeitsbeschwerde, die Feststellungen des Erstgerichts zur Annahme der Qualifikation des § 201 Abs 2 (vierter Fall) StGB wären unzureichend, denn sie stellten eine über die Verwendung der verba legalia nicht hinausgehende willkürliche Annahme dar. Warum die vorliegenden Urteilskonstatierungen, wonach Ivonne M***** „im Wissen, dass er sie demnächst gewaltsam zur Duldung geschlechtlicher Handlungen zwingen wird, noch minutenlang am Boden zu seinen Füßen sitzen musste, während er sich am Bett liegend mit anderen Dingen beschäftigte“ (US 7 f), eine Subsumtion unter die genannte Qualifikation nicht zulassen sollte und welche darüber hinausgehenden Feststellungen das Erstgericht zur richtigen rechtlichen Beurteilung hätte treffen sollen, legt die Beschwerde methodisch vertretbar nicht dar (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588 f).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung und der Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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