OGH 11Ns5/12t

OGH11Ns5/12t22.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Februar 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter in der Strafsache gegen Andreas N***** wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 112 Hv 208/11w des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Kompetenzkonflikt zwischen dem Landesgericht für Strafsachen Wien und dem Landesgericht Linz nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Landesgericht für Strafsachen Wien zur Vornahme der von § 485 Abs 1 StPO verlangten Prüfung des Strafantrags zurückgestellt.

Text

Gründe:

Am 27. Dezember 2011 brachte die Staatsanwaltschaft Linz bei der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien einen Strafantrag gegen Andreas N***** ein, dem sie als Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (I/1 und 2) sowie als Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (I/3), der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 4 StGB (II), der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und 2 Z 2 StGB (III), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (IV), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (VI) und des Diebstahls nach § 127 StGB (VII) beurteilte Straftaten zur Last legte. Nach dem Inhalt dieses Verfolgungsantrags wurde der zuletzt genannte Diebstahl (VII) in Bad Leonfelden (somit im Sprengel des Landesgerichts Linz) begangen, die übrigen Straftaten jedoch in Wien (I/1 und 2; II bis VI) und in Vösendorf (I/3) verübt.

Mit Beschluss vom 4. Jänner 2012, GZ 112 Hv 208/11w-43, ordnete die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien die Abtretung des Strafverfahrens „gemäß § 37 Abs 1 und Abs 2, Satz 2 und 3 StPO an das Landesgericht Linz“ wegen Führung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Linz und wegen Zuständigkeit aufgrund der früheren Straftat an.

Der Einzelrichter des Landesgerichts Linz (AZ 21 Hv 2/12w dieses Gerichts) übermittelte daraufhin den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 485 Abs 1 StPO hat der Einzelrichter des Landesgerichts den Strafantrag zu prüfen und im Fall angenommener örtlicher Unzuständigkeit nach Z 1 dieser Bestimmung einen darüber absprechenden Beschluss (zu den Beschlusserfordernissen siehe § 86 StPO) zu fassen (Oshidari, WK-StPO § 36 Rz 17 und 38 Rz 2). Nach Rechtswirksamkeit dieses Beschlusses ist der Akt dem danach als örtlich zuständig erachteten Einzelrichter zu übermitteln (dazu näher 11 Ns 9/12f), der wiederum eine Überprüfung des Strafantrags iSd § 485 Abs 1 StPO vorzunehmen hat. Erst wenn auch dieses Gericht seine örtliche Unzuständigkeit wegen angenommener Zuständigkeit des zunächst von der Staatsanwaltschaft angerufenen Gerichts ausspricht, ist gemäß § 38 dritter Satz das gemeinsam übergeordnete Gericht zur Zuständigkeitsentscheidung berufen (RIS-Justiz RS0125311; Oshidari, WK-StPO § 38 Rz 10).

Da vorliegend weder das Landesgericht für Strafsachen Wien noch das Landesgericht Linz einen Beschluss gemäß § 485 Abs 1 Z 1 StPO gefasst, ausgefertigt und sämtlichen zur Beschwerde Berechtigten zugestellt (§ 86 StPO; vgl Bauer, WK-StPO § 450 Rz 5 f) haben, war der Akt - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien zurückzustellen.

Diese wird bei der vorzunehmenden Prüfung des Strafantrags zu beachten haben, dass § 37 Abs 2 zweiter und dritter Satz StPO nichts am Vorrang des höherrangigen Gerichts ändern (RIS-Justiz RS0124935, RS0125227; Oshidari, WK-StPO § 37 Rz 4f).

Stichworte