OGH 10Ob4/12d

OGH10Ob4/12d14.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr.Fellinger, Dr.Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Maus Riedherr Rechtsanwälte Partnerschaft in Salzburg, gegen die beklagte Partei I***** LTD, *****, diese vertreten durch Abel & Abel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 121.546,82 EUR sA und Feststellung (Feststellungsinteresse 166.393,00 EUR sA) über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. November 2011, GZ 4 R 201/11y-60, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 14. September 2011, GZ 10 Cg 126/06x-56 aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Außer Streit steht, dass die klagende Partei, eine in Österreich ansässige Gesellschaft, bei der beklagten Partei, die ihre Niederlassung in Israel hat, 20 Tonnen Paprikapulver bestellt hatte. Am 6. 10. 2003 lieferte die beklagte Partei die Ware an die von der klagenden Partei angegebene Lieferadresse in Freilassing (BRD).

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei 121.546,82 EUR sA an Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für weitere Schäden aus der Lieferung vom 6. 10. 2003 bis zu einem Betrag von 166.393 EUR sA mit der Begründung, dass das Paprikapulver radioaktiv verstrahlt gewesen sei. Sie bringt - soweit für das Rekursverfahren relevant - im Wesentlichen vor, anlässlich der Bestellung sei ausdrücklich vereinbart worden, dass nicht bestrahltes Paprikapulver geliefert werden möge. Zwar sei die Bestrahlung mit ionisierenden Strahlen in Österreich und Deutschland zulässig, es bestehe aber bei der Einfuhr bestrahlter Lebensmittel nach Europa gemäß den einschlägigen Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates eine Kennzeichnungs- bzw Deklarationspflicht. Da auf dem europäischen Markt keine entsprechende Akzeptanz der Konsumenten gegeben sei, sei es in Europa nicht üblich, bestrahlte Lebensmittel zu verarbeiten. Im Hinblick darauf, dass die Nichtbestrahlung ausdrücklich vereinbart war und eine Deklaration der Bestrahlung notwendig gewesen wäre, aber nicht vorgenommen worden war, habe die klagende Partei davon ausgehen dürfen, dass die Ware tatsächlich unbestrahlt sei. Nach Ankunft der Ware in Freilassing sei eine Untersuchung nur auf Salmonellen und hygienische Verunreinigungen erfolgt, nicht aber auf Bestrahlung. Eine derartige Untersuchung wäre auch weder notwendig noch möglich gewesen, da es sich um ein kostenintensives und zeitaufwendiges Verfahren handelt, das im Geschäftsverkehr nicht üblich sei und nicht dem Stand der Technik entspreche. Die Ware sei an eine in Freilassung (BRD) gelegene Niederlassung der klagenden Partei, die W***** GmbH in Freilassing (BRD) geliefert worden, von wo aus 10 Tonnen an eine in der BRD ansässige Kundin weiterverkauft wurden, die eine Nahrungsmittelfabrik betreibe. Diese hatte unbestrahltes Paprikapulver nachgefragt, um es zur Produktion von Gulaschsaft zu verwenden. Der Gulaschsaft sei in der Folge in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr gebracht worden. Anlässlich einer am 3. 12. 2003 begonnen Untersuchung einer Probe dieses Produkts habe das Amt für Verbraucherschutz eine Bestrahlung mit ionisierenden Strahlen festgestellt, sodass der Weiterverkauf nach den einschlägigen Bestimmungen des deutschen Lebensmittelrechts verboten wurde. Letztlich sei festgestanden, dass nicht die übrigen Zutaten, sondern das Paprikapulver mit ionisierenden Strahlen behandelt worden war. Mit e-mail vom 16. 3. 2004 habe sich die klagende Partei an die beklagte Partei gewendet, woraufhin diese 10 Tonnen des Paprikapulvers als mangelhaft zurückgenommen und der klagenden Partei eine Gutschrift ausgestellt habe. Dass eine Bestrahlung des Paprikapulvers im Bereich der klagenden Partei geschehen wäre, werde kategorisch ausgeschlossen. Wie Erhebungen ergeben haben, sei auch keine Bestrahlung der Container beim Zoll erfolgt. Es werde vielmehr die Vermutung gehegt, dass es in der Fabrik der beklagten Partei in Israel infolge von Rücklieferungen von bestrahltem Paprika, welcher für den US-amerikanischen Markt vorgesehen war, zu Vermischungen und Vermengungen gekommen sei und auf diesem Weg die bestrahlte Ware nach Europa gelangt sei. So sei einem Schreiben eines Vertreters der beklagten Partei zu entnehmen, dass die beklagte Partei in der Saison 2003 tatsächlich bestrahltes Paprikapulver ausgeliefert habe und es zu einer irrtümlichen Vermengung gekommen sei.

Die Kundin habe der klagenden Partei gegenüber Schadenersatz in Höhe von 277.322,18 EUR geltend gemacht. Zwischen dieser und der W***** GmbH in Freilassing sei vereinbart worden, dass vorerst nur 40 % dieses geltend gemachten Schadenersatzbetrags bezahlt werden. Demgemäß seien am 7. 7. 2005, 110.929,18 EUR von der W***** GmbH überwiesen und der klagenden Partei weiter verrechnet worden, sodass der Schaden bei der klagenden Partei eingetreten und von dieser zu tragen sei. An sie seien sämtliche Schadenersatzansprüche gegenüber der beklagten Partei zur gerichtlichen Geltendmachung abgetreten worden.

Der entstandene Schaden (Ersatzleistung an die Kundin, entgangener Gewinn aufgrund des Auftragsstornos durch die Kundin, Kosten für Laboruntersuchungen, Flug- und Reisekosten in Zusammenhang mit der Ursachenforschung, Kosten für 127 Arbeitsstunden zur Bearbeitung des Schadensfalls) ergebe insgesamt den Klagebetrag von 121.546,81 EUR. Das Feststellungsbegehren sei aufgrund des derzeit noch nicht bezahlten Teilschadenersatzbetrags von 166.393 EUR, welche die Abnehmerin jederzeit geltend machen könne, gerechtfertigt.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und wendete zusammengefasst ein, sie habe an keinem ihrer Produkte Strahlenbehandlungen vorgenommen. Die verschiffte Ware habe auch keinen Sterilisationsprozess durchlaufen. Ob eine Verstrahlung durch Röntgenstrahlen oder andere Sicherheitschecks außerhalb oder in Europa oder bei der W***** GmbH erfolgt sei, könne nicht gesagt werden. Es sei keine durchgehende Kausalitätskette gegeben. Mangels Rückverfolgbarkeit der Verarbeitung sei keine Zurechnung an die beklagte Partei möglich. Die Rücknahme der 10 Tonnen an noch unverarbeitetem Paprikapulver sei lediglich aus „lieferantenpolitischen“ Gründen erfolgt. Die klagende Partei habe keine dem Art 38 UNK entsprechende Wareneingangsüberprüfung vorgenommen. Da nach deutschem Lebensmittelrecht eine Bestrahlung nach entsprechender Kennzeichnung sehr wohl zulässig sei, hätte die klagende Partei als EU-Importeurin die Ware auf Bestrahlung zu prüfen gehabt. Die Unterlassung einer derartigen Untersuchung stelle eine Obliegenheitsverletzung dar, welche zum Verlust sämtlicher aus einer allfälligen Vertragswidrigkeit der Ware herrührender Rechtsbehelfe führe. Die Rüge sei jedenfalls verspätet, nämlich erstmals mit e-mail vom 5. 4. 2004 erfolgt.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die klagende Partei ist ebenso wie die W***** GmbH in Freilassing und die W***** GmbH in Salzburg Teil der W***** Gruppe. Die klagende Partei tritt als Einkäuferin auf, die die Waren an eine der W***** Gesellschaften verkauft, die sie wiederum an in Deutschland oder in Österreich befindliche Kunden weiterveräußert.

Zwischen den Streitteilen besteht seit 1994 eine ständige Geschäftsbeziehung. Im Zuge der ersten Bestellung am 15. 11. 1994 übermittelte die klagende Partei der beklagten Partei Einkaufsbedingungen, in deren Pkt 17 festgehalten ist: „Ausschließlicher Gerichtsstand ist Salzburg. Es gilt österreichisches Recht“. Diese Einkaufsbedingungen wurden von der beklagten Partei widerspruchslos hingenommen. Nicht festgestellt werden kann, dass die beklagte Partei ihrerseits der klagenden Partei im Laufe der Geschäftsbeziehung Allgemeine Geschäftsbedingungen zugesandt hat.

Am 23. 5. 2003 tätigte die klagende Partei bei der beklagten Partei die Bestellung von 20.000 kg Paprikapulver. Im Bestellformular ist der Hinweis enthalten: „Zu den Ihnen am 15. 11. 1994 zugesandten Einkaufsbedingungen bestellen wir: ...“ Weiters findet sich der Vermerk, dass die Ware nicht bestrahlt sein darf. Die klagende Partei veräußerte 10.000 kg des Paprikapulvers an die W***** GmbH in Freilassing, weshalb die Lieferung direkt dorthin geleitet wurde. Dort erfolgte eine Eingangskontrolle, im Zuge derer die Ware auf hygienische Verunreinigungen oder Salmonellen geprüft wurde, nicht jedoch auf Bestrahlung. Im Dezember 2003 und Jänner 2004 lieferte die W***** GmbH insgesamt 10.000 kg des von der beklagten Partei gekauften Paprikapulvers an eine in der BRD niedergelassene Kundin, die eine Nahrungsmittelfabrik betreibt und das Paprikapulver zur Herstellung von Gulaschsaft verwendete. Im Zuge einer Kontrolle des Amts für Verbraucherschutz wurde in dem Gulaschsaft eine ionisierende Strahlenbehandlung nachgewiesen. Nachdem die Untersuchung von dreizehn Rückstellmustern der Kundin von bei der Produktion des Gulaschsafts verwendeten Kräutern und Gewürzen negative Ergebnisse erbracht hatte, führte das Amt für Verbraucherschutz Untersuchungen auch des Paprikapulvers durch. Mit Schreiben vom 10. 3. 2004 wurde dessen ionisierende Bestrahlung mitgeteilt. Eine (zusätzlich) von der W***** GmbH veranlasste Laboruntersuchung ihrer Rückstellmuster erbrachte dasselbe Ergebnis. Mit e-mail vom 16. 3. 2004 verständigte die klagende Partei die beklagte Partei von den Resultaten der bis dahin durchgeführten Untersuchungen. Am 19. 5. 2004 retournierte die klagende Partei die noch vorhandenen 10.000 kg Paprikapulver an die beklagte Partei und erhielt dafür eine Gutschrift. Es ist davon auszugehen, dass das von der beklagten Partei gelieferte Paprikapulver bestrahlt war (S 8 des Ersturteils).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass die klagende Partei gemäß Art 38 UNK verpflichtet gewesen wäre, nach Übernahme der Ware innerhalb einer so kurzen Frist wie es die Umstände erlauben, stichprobenartige Kontrollen hinsichtlich der Bestrahlung durchzuführen. Die vertragliche Vereinbarung, dass keine bestrahlte Ware geliefert werden dürfe, entbinde die klagende Partei nicht von dieser Untersuchungsobliegenheit. Da sie nach Ankunft der Ware dennoch eine Untersuchung unterlassen habe und erst im Zuge einer Kontrolle durch das Amt für Verbraucherschutz die Bestrahlung entdeckt wurde, sei die am 16.3.2004 erfolgte Rüge gemäß Art 39 UNK verspätet, sodass die klagende Partei das Recht verloren habe, sich auf die Vertragswidrigkeit zu berufen. Ein tauglicher Entschuldigungsgrund iSd Art 44 UNK liege nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und hob das erstgerichtliche Urteil zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Urteilsfällung auf. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zur Frage der Beweislastverteilung in Art 40 UNK nur eine Entscheidung eines ausländischen Höchstgerichts aufgefunden werden konnte. Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, dass der Käufer, der eine allfällige Vertragswidrigkeit nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt anzeige, in dem er sie festgestellt habe oder hätte feststellen müssen, gemäß Art 39 Abs 1 UNK das Recht verliere, sich auf eine Vertragswidrigkeit zu berufen. Das gelte aber nach Art 40 UNK dann nicht, wenn die Vertragswidrigkeit auf Tatsachen beruhe, die der Verkäufer kannte oder über die er nicht in Unkenntnis sein konnte und die er dem Käufer nicht offenbart habe. Zunächst trage grundsätzlich der Kläger die Last, die Voraussetzungen des Art 40 UNK zu behaupten und zu beweisen. Führe der Beweis der Bösgläubigkeit des Verkäufers für den Käufer zu unzumutbaren Beweisschwierigkeiten, kehre sich die Beweislast um, sobald ein grober Sachmangel erwiesen sei. Da im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Ware erst nach der Ablieferung in Freilassing bestrahlt worden sei und eine Bestrahlung davor auch nicht substantiiert bestritten worden sei, habe die Vertragswidrigkeit ihre Ursache im Verantwortungsbereich der beklagten Partei, weil diese vereinbarungswidrig verstrahltes Paprikapulver geliefert habe. Die beklagte Partei treffe daher die Beweislast für ihre Gutgläubigkeit, indem sie nachweisen müsse, dass sie die Umstände, die die Vertragswidrigkeit begründen, weder kannte noch grob fahrlässig nicht kannte. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt sei die Rechtssache noch nicht erörtert worden. Das bisher erstattete Parteienvorbringen reiche nicht aus. Um eine Überraschungsentscheidung durch das Berufungsgericht zu vermeiden, sei das angefochtene Urteil aufgrund des aufgezeigten sekundären Feststellungsmangels gemäß § 496 Abs 2 Z 3 ZPO aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Urteilsfällung an das Erstgericht zurückzuverweisen. In der fortgesetzten Verhandlung werde den Parteien Gelegenheit zu geben sein, ihr Vorbringen zu den dargelegten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu ergänzen.

Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Partei, mit dem diese die Wiederherstellung des Ersturteils erreichen will.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, die Behauptungs- und Beweislast für die Bösgläubigkeit iSd Art 40 UNK liege bei der klagenden Partei. Diese habe aber eine Bösgläubigkeit der Vertreter der beklagten Partei nicht einmal behauptet. Sie habe sich im erstinstanzlichen Verfahren auch weder auf Irrtum noch auf Arglist berufen. Dass im Rahmen des Art 40 UNK unter bestimmten Voraussetzungen eine Beweislastumkehr stattfinde, gründe sich lediglich auf eine (einzige) Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs. Diese Entscheidung sei sachlich und rechtlich für den österreichischen Rechtsbereich nicht nachvollziehbar. Unzumutbare Beweisschwierigkeiten seien zu verneinen. Das Erstgericht habe weder positiv noch negativ festgestellt, dass eine Bestrahlung in Israel stattgefunden habe. Selbst wenn das vom deutschen Bundesgerichtshof zu Art 40 UNK entwickelte Regel-Ausnahmeprinzip bzw die Beweislastumkehr im vorliegenden Fall doch anzuwenden sein sollte, ergäben sich demnach keinerlei Anhaltspunkte für eine Bösgläubigkeit der beklagten Partei.

Rechtliche Beurteilung

Dazu ist auszuführen:

1. Zur Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts

1.1. Nach Art 1 Abs 1 lit a des Übereinkommens der Vereinten Nationen über den internationalen Warenkauf (UN-Kaufrecht) ist dieses Übereinkommen auf Verträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, wenn diese Staaten Vertragsstaaten sind. Die klagende Partei hat ihren Sitz in Österreich, die beklagte Partei in Israel. Beide Staaten sind Vertragsstaaten des UN-Kaufrechts. In Österreich ist das UN-Kaufrecht seit 1. 1. 1989 in Kraft (BGBl 1988/96), in Israel seit 1. 2. 2003 (Posch in Schwimann, ABGB3 Einl zumUN-Kaufrecht, S 1346).

1.2. Das UN-Kaufrecht wird als Teil der österreichischen Rechtsordnung verstanden, das auch von einer Rechtswahl mitumfasst ist. Parteien, die seine Anwendung nicht wollen, müssen eine entsprechende Ausschlussvereinbarung nach Art 6 UNK treffen (RIS-Justiz RS0115967, ähnlich RIS-Justiz RS0113574). Der Ausschluss der Anwendung des Übereinkommens kann auch stillschweigend erfolgen, etwa dadurch, dass die Parteien das Recht eines Vertragsstaats wählen und dabei das anwendbare nationale Sachrecht bestimmen. Allein der Verweis auf das Recht des Vertragsstaats ohne Kundgabe eines dahingehenden Abwahlwillens ist aber nicht als konkludenter Ausschluss des UN-Kaufrechts zu werten (RIS-Justiz RS0113574 [T1]). Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - insbesondere durch den Verweis auf das jeweilige Sachrecht - umfasst also die Anwendung österreichischen Rechts auch das UN-Kaufrecht (RIS-Justiz RS0115967 [T4]).

1.3. Im vorliegenden Fall gilt gemäß Pkt 17 der Einkaufsbedingungen der klagenden Partei die Anwendung österreichischen Rechts als vereinbart, sodass diese Vereinbarung im Sinne der Ausführungen zu Pkt 1.2. auch die Anwendung des UN-Kaufrechts umfasst. Dass das UN-Kaufrecht den übereinstimmenden Vorstellungen beider Parteien zugrunde liegt, zeigt sich auch darin, dass sich die beklagte Partei im vorliegenden Verfahren auf das UN-Kaufrecht berief und die klagende Partei dessen grundsätzliche Anwendbarkeit nicht in Frage stellte.

2.1. Gemäß Art 35 Abs 1 UNK hat der Verkäufer die Ware zu liefern, die in Menge, Qualität und Art sowie hinsichtlich der Verpackung oder Behältnis den Anforderungen des Vertrags entspricht. Gemäß Art 36 Abs 1 UNK haftet der Verkäufer nach dem Vertrag und dem UN-Kaufrecht für eine Vertragswidrigkeit, die im Zeitpunkt des Übergangs der Gefahr auf den Käufer besteht, auch wenn die Vertragswidrigkeit erst nach diesem Zeitpunkt offenbar wird. Der Verkäufer hat die Ware innerhalb einer so kurzen Frist zu untersuchen oder untersuchen zu lassen, wie es die Umstände erlauben (Art 38 Abs 1 UNK). Gemäß Art 39 Abs 1 UNK verliert der Käufer das Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er sie festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, anzeigt und dabei die Art der Vertragswidrigkeit genau bezeichnet. Der Verkäufer kann sich auf Art 38 und Art 39 UNK nicht berufen, wenn die Vertragswidrigkeit auf Tatsachen beruht, die er kannte oder über die er nicht in Unkenntnis sein konnte und die er dem Käufer nicht offenbart hat (Art 40 UNK).

2.2. Das Wesen des Art 40 UNK liegt darin, dass sie den Käufer von seiner Untersuchungs- und Rügepflicht nach Art 38, 39 UNK entlastet (Posch, aaO Art 40 UNK Rz 1). Dahinter steht, dass es unbillig und überflüssiger Formalismus wäre, vom Käufer zu verlangen, den Verkäufer über solche Mängel zu unterrichten, die diesem schon bekannt sind oder sein müssen (Honsell, Kommentar zum UN-Kaufrecht Art 40 Rz 1). Nach den Wertungen des Art 40 UNK ist der bösgläubige Verkäufer als nicht schutzwürdig anzusehen (RIS-Justiz RS0121506). Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass die Formulierung „nicht in Unkenntnis sein konnte“ mit grob fahrlässiger Unkenntnis gleichzusetzen ist (Magnus in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, [2005] Art 40 CISG, Rdnr 5 mwN).

3.1. Das Erstgericht traf zur Vertragswidrigkeit iSd Art 35 Abs 1 bzw 36 Abs 1 UNK sowie zur Kausalität lediglich die dislozierte Feststellung, es sei davon auszugehen, dass das von der beklagten Partei gelieferte Paprikapulver bestrahlt war (S 8 des Ersturteils). Zum Vorbringen der klagenden Partei, eine Untersuchung der Ware auf Strahlenfreiheit sei unüblich und nicht möglich, sind keine erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen vorhanden. Mit Art 40 UNK hat sich das Erstgericht nicht befasst.

3.2. Das Berufungsgericht legte seinem Aufhebungsbeschluss ausdrücklich die Annahme zugrunde, die Vertragswidrigkeit habe ihre Ursache im Bereich der beklagten Partei und vertrat die Rechtsansicht, die Anwendung des Art 40 UNK komme in Betracht. Wenn die Rekurswerberin vorbringt, die klagende Partei habe die Bösgläubigkeit im Sinne dieser Bestimmung niemals behauptet, ist ihr entgegen zu halten, dass es genügt, wenn nur die anspruchsbegründenden Tatsachen vorgebracht werden (vgl RIS-Justiz RS0014773). Dem Vorbringen der klagenden Partei ist aber zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Ware vereinbarungswidrig bestrahlt geliefert wurde und dies allenfalls darauf zurückzuführen sei, dass es in der Fabrik der beklagten Partei zu Vermischungen mit bestrahlter Ware gekommen sei. Dieses Vorbringen ist im Hinblick auf Art 40 UNK gerade noch als ausreichend anzusehen, umfasst es doch erkennbar die Behauptung, den Vertretern der beklagten Partei habe die Bestrahlung zumindest bekannt sein müssen. Die Behauptung von Arglist wird von Art 40 UNK nicht verlangt (Posch in Schwimann, ABGB3, Art 40 UNK Rz 3).

3.3. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Beweislastverteilung im Rahmen des Art 40 UNK ist noch nicht ergangen. Der erkennende Senat hat aber bereits in der Entscheidung 10 Ob 122/05x = RIS-Justiz RS0120302 [T1] zur allgemeinen Beweislastverteilung im UN-Kaufrecht Stellung genommen. Es wurde ausgesprochen, dass nach allgemeinen Regeln des UN-Kaufrechts grundsätzlich derjenige Vertragspartner die tatsächlichen Voraussetzungen jener Vorschrift zu behaupten und zu beweisen hat, aus der er einen Vorteil für sich herleitet. Ausnahmsweise können aber Gründe der Billigkeit, beispielsweise die größere Beweisnähe oder unzumutbare Beweisschwierigkeiten, zu einer Umkehr der Beweislastverteilung führen. In der Entscheidung 6 Ob 257/06x musste die Frage, ob dieser Grundsatz auch auf die Beweislast für die Bösgläubigkeit des Verkäufers iSd Art 40 UNK zutrifft, nicht beantwortet werden, weil die Vorinstanzen über die Bösgläubigkeit der Verkäuferin bereits positive Feststellungen getroffen hatten.

3.4. In der österreichischen Literatur zum UN-Kaufrecht vertritt Posch (in Schwimann, ABGB3 Art 40 UNK Rz 5 unter Hinweis auf die Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs vom 30. 6. 2004, VIII ZR 321/03, IHR 2004, 201), die Ansicht, dass grundsätzlich der Käufer die Beweislast dafür trägt, dass der Verkäufer die Tatsachen, auf welchen die Vertragswidrigkeit beruht, kannte oder kennen musste und sie dem Käufer nicht offenbart hat. Wenn der Käufer aber mit unzumutbaren Beweisschwierigkeiten konfrontiert sei, kehre sich die Beweislast um.

3.5. Im Hinblick auf den internationalen Charakter und die Notwendigkeit einheitlicher Anwendung des Übereinkommens (Art 7 Abs 1 UNK) ist auf die - einen sehr ähnlich gelagerten Sachverhalt betreffende - Entscheidung des BGH VIII ZR 321/03 näher einzugehen (vgl Posch aaO Art 7 Rz 6):

Dieser Entscheidung liegt zugrunde, dass die deutsche Käuferin gegen die dem Grund nach unstreitige Kaufpreisforderung einer spanischen Gewürzhändlerin mit einer behaupteten Schadenersatzforderung wegen angeblicher Vertragswidrigkeit aufgerechnet und behauptet hat, das gelieferte Paprikapulver sei vereinbarungswidrig bestrahlt worden. Das Gericht zweiter Instanz hatte die Rechtsansicht vertreten, die Käuferin könne sich nicht auf Art 40 UNK berufen, weil sie den ihr obliegenden Beweis dafür nicht angeboten habe, dass die Verkäuferin die Bestrahlung der Ware gekannt habe oder kennen musste. Der Bundesgerichtshof ging zunächst davon aus, dass zwar im Grundsatz die Beweislast für die Bösgläubigkeit des Verkäufers den Käufer treffe, der die Rechtsfolgen des Art 38 f UNK abwenden will, weil das UN-Kaufrecht, auch soweit es die Beweislast nicht ausdrücklich festlege, dem Regel-Ausnahmeprinzip folge. Berufe sich der Käufer auf die Ausnahme von der Regelbestimmung des Art 39 UNK über den Verlust des Rügerechts, habe er die tatsächlichen Voraussetzungen des Art 40 UNK zu behaupten und zu beweisen. Wie der Bundesgerichtshof weiters ausführt, könne eine strikte Anwendung des Regel-Ausnahmeprinzips aber auch im Geltungsbereich des UN-Kaufrechts zu Ungerechtigkeiten führen, weshalb eine Korrektur geboten sei; dabei sei jedoch Zurückhaltung angebracht. Eine Ausnahme sei im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Beweisnähe oder dann zuzulassen, wenn eine Beweisführung mit unzumutbaren Beweisschwierigkeiten für den Käufer verbunden wäre. Unter Umständen könne sich der erforderliche Beweis schon aus der Art des Mangels selbst ergeben, so dass bei groben Abweichungen von der vertraglichen Beschaffenheit grobe Fahrlässigkeit vermutet werde, wenn sich die Vertragswidrigkeit im Bereich des Verkäufers ereignet habe. Werde festgestellt, dass die Ware - den Behauptungen der Beklagten entsprechend - weder in ihrem Bereich noch im Bereich ihrer Abnehmerin bestrahlt worden sei, wäre mit dem Nachweis der Vertragswidrigkeit zugleich der Beweis für die Behauptung gelungen, dass das Pulver entweder im Betrieb der Klägerin oder bei deren Vorlieferantin bestrahlt worden sei. Zu den inneren Betriebsabläufen der Klägerin könnte die Beklagte aber allenfalls eine Behauptung „ins Blaue hinein“ aufstellen; von ihr als außenstehender Käuferin seien hinreichende Kenntnisse über die internen Produktionsbedingungen ihrer Verkäuferin nicht zu erwarten. Dagegen sei es der Verkäuferin ohne weiteres möglich, sich hiezu zu erklären. Sei die Bestrahlung tatsächlich im Betrieb der Klägerin erfolgt, könne diese sich, falls es sich um ein bloßes Versehen handelt, auf ein nur leicht fahrlässiges Verhalten nur dann berufen, wenn sie ausreichend erklären könne, wie es trotz entsprechender Vorkehrungen zu einem derart gewichtigen Fehler in ihrem Betrieb kommen konnte und aus welchem Grund ihr dieser nicht zur Kenntnis gelangt sei.

3.6. In der deutschen Literatur stieß diese Entscheidung großteils auf Zustimmung (Müller, Die Beweislastverteilung für die Bösgläubigkeit des Verkäufers im Rahmen des Art 40 CISG - zugleich Anmerkung zum Urteil des BGH vom 30. Juni 2004, IHR 2005, 16 ff; Müller, Ausgewählte Fragen der Beweislastverteilung im UN-Kaufrecht im Lichte der aktuellen Rechtsprechung, Beiträge zum internationalen Wirtschaftsrecht Bd 4, 117 f; Schwenzer in Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht5 Art 40 Rdnr 12; Saenger in Bamberger/Roth, Beck'scher Online-Kommentar Art 40, Rz 6). Magnus (in Honsell, Kommentar zum UN-Kaufrecht2, Art 40 Rdnr 13) führt aus, dass sich die Beweislast bei unzumutbaren Beweisschwierigkeiten dann umkehre, wenn ein grober Sachmangel erwiesen sei.

3.7. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs steht mit der bisherigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Beweislastverteilung und einer ausnahmsweisen Umkehrung der Beweislast im UN-Kaufrecht in Einklang. Sie betrifft einen einschlägigen Präzedenzfall; ihren überzeugenden Ausführungen ist im Hinblick auf die Herausbildung einer gemeinsamen weltweiten Anwendungspraxis (Posch, aaO Art 7 UNK Rz 6) zu folgen. Die Rechtsmittelwerberin zeigt mit ihren Ausführungen auch gar nicht auf, aus welchen Gründen es gerade im Rahmen des Art 40 UNK nicht (ausnahmsweise) zu einer Beweislastumkehr aus Billigkeit kommen sollte.

4. Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei die Vornahme einer Bestrahlung in ihrem Bereich in Abrede gestellt und zum Beweis Zeugen geführt, die bereits in diesem Sinn ausgesagt haben. Aus dem Vorbringen der klagenden Partei ist erkennbar, dass sie über die betriebsinternen Vorgänge bei der beklagten Partei nicht im Bilde ist. Ist der der klagenden Partei obliegende Beweis der Bestrahlung der Ware vor Anlieferung als gelungen anzusehen, erscheint es daher nicht ausgeschlossen, dass der grundsätzlich beweispflichtigen klagenden Partei unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit einer eigenen Beweisführung und der Beweisnähe der beklagten Partei eine Umkehrung der Beweislast zugutekommen soll. In diesem Fall träfe die beklagte Partei die Beweislast für ihre Gutgläubigkeit.

5. Unter diesem Aspekt ist die Rechtssache nicht entscheidungsreif:

Dass das Gericht die Parteien nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen darf, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat, entspricht ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0037300). Wenn das Berufungsgericht - unter dem Gesichtspunkt der im Rahmen der Anwendung des Art 40 UNK allfällig stattfindenden Beweislastumkehr das bisherige beiderseitige Parteienvorbringen als erörterungsbedürftig erachtet und der Ansicht ist, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (RIS-Justiz RS0042179).

6. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren jedenfalls noch ergänzende und eindeutige Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die beklagte Partei als Verkäuferin ihre Lieferpflicht iSd Art 35 Abs 1 UNK verletzt hat, also ob das Paprikapulver - dem Vorbringen der klagenden Partei entsprechend - vereinbarungswidrig im Bereich der beklagten Partei bestrahlt bzw dort mit bereits bestrahltem Paprikapulver vermischt worden war.

Im Falle einer Bejahung dieses Geschehens ist dann der beklagten Partei die Gelegenheit zum Beweise zu geben, dass sie die Bestrahlung nicht kannte bzw die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhte.

Der gegen den Aufhebungsbeschluss gerichtete Rekurs der beklagten Partei bleibt sohin erfolglos.

Das erstmals im Berufungsverfahren erstattete und in der Rekursbeantwortung wiederholte Vorbringen der klagenden Partei, die Anzeige der Vertragswidrigkeit sei zufolge der in Pkt 8 und Pkt 9 der Einkaufsbedingungen vereinbarten 6-monatigen Gewährleistungs- und Rügefrist rechtzeitig, verstößt gegen das Neuerungsverbot, sodass es im Rechtsmittelverfahren nicht zu berücksichtigen war (§ 482 Abs 2 ZPO).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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