Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben und diesem die Entscheidung in der Sache aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Parteien sind die beiden (einzigen) Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 136 GB *****. Der Antragsteller ist zu 287/509-Anteilen Miteigentümer und die Antragsgegnerin zu 222/509-Anteilen Miteigentümerin der bezeichneten Liegenschaft.
Die Liegenschaft wird von der Ing. T***** P***** KG verwaltet. Die Antragsgegnerin hat gegen den Antragsteller zu 14 Cg 162/10m des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien eine Ausschlussklage gemäß § 36 WEG 2002 eingebracht; dieses Verfahren ist noch anhängig.
Der Antragssteller begehrt nach Antragsmodifikation, „festzustellen, dass die von AG-Seite behauptete Auflösung des Verwaltungsvertrages der Wohnungseigentümergemeinschaft der Liegenschaft *****, mit der Ing. T***** P***** KG durch die Klagseinseinbringung zu 14 Cg 162/10m des LG für ZRS Wien (Ausschlussklage gemäß § 36 WEG) bzw. durch die Auflösungserklärungen des AGV [Antragsgegnervertreter] in den Schreiben vom 4. 11. 2010 (Beil./B) und vom 26. 11. 2010 (Beil./C) unwirksam ist“. Die Antragsgegnerin habe in der Korrespondenz gegenüber der Verwalterin rechtlich unzutreffend behauptet, dass schon durch die Einbringung der Ausschlussklage bzw jedenfalls durch die von ihrem Rechtsvertreter verfassten Schreiben vom 4. 11. 2010 (Blg ./B) und vom 26. 11. 2010 (Blg ./C) der Verwaltungsvertrag aufgelöst worden sei; dass dies unzutreffend sei, sei nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002 vom Außerstreitrichter zu klären, andernfalls sei nach § 40a JN vorzugehen.
Die Antragsgegnerin beantragte Antrags- bzw „Klags“abweisung. Dem Antragsteller fehle die Aktiv- und der Antragsgegnerin die Passivlegitimation. Das Begehren des Antragstellers sei im streitigen Rechtsweg geltend zu machen. Dem Antragsteller fehle ein feststellungsfähiges Interesse, er mache nur abstrakte Rechtsfragen geltend.
Das Erstgericht gab mit seinem Sachbeschluss dem Begehren des Antragstellers statt. Es stellte den Inhalt der von den Vertretern der Antragsgegnerin verfassten Schreiben vom 4. 11. 2010 und vom 26. 11. 2010 fest, die auszugsweise folgenden Wortlaut haben:
„... Auftrags unserer Mandantin fordern wir Sie daher auf, Ihre Tätigkeit als Verwalter der im Eigentum unserer Mandantin und des Mehrheitseigentümers Dr. B***** stehenden Liegenschaft *****, mit sofortiger Wirkung zu beenden, zumal eine ordnungsgemäße Erfüllung der Sie treffenden Pflichten nicht mehr gewährleistet ist. Wir merken uns für Ihre entsprechende Erklärung 10 Tage ab obigem Briefdatum vor, widrigenfalls unsere Mandantin entsprechende Schritte in die Wege leiten muss.
Darüber hinaus ist Ihnen eine fortgesetzte Tätigkeit als Verwalter der Liegenschaft ***** untersagt, zumal Sie über keine Vollmacht unserer Mandantin verfügen und die Vollmacht des Mehrheitseigentümers erloschen ist. Die Vollmacht des Mehrheitseigentümers ist deshalb erloschen, weil unsere Mandantin gegen den Mehrheitseigentümer gerichtliche Klage auf Ausschließung des Mehrheitseigentümers aus der Wohnungseigentümergemeinschaft eingebracht hat. Diese Klage ist zu GZ 14 Cg 162/70m des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien anhängig und erfolgt die Zustellung dieser Klage dieser Tage. Der Ausschluss aus der Gemeinschaft bewirkt für den Mehrheitseigentümer, dass dieser rechtswirksam keine Handlungen mehr für die Gemeinschaft setzen kann, weshalb auch Ihr fortgesetztes Tätigwerden vollmachtslos erfolgt. Sollten Sie weiterhin Rechtshandlungen für die Eigentümergemeinschaft setzen, wären diese Rechtshandlungen rechtsmissbräuchlich und würden zivilrechtliche, aber auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Auch aus diesem Grund fordern wir Sie zur Abgabe obiger Erklärung auf.
Aushilfsweise kündigt unsere Mandantin die Verwaltervollmacht aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung und fordert Sie zur bestätigenden Kenntnisnahme auf ...“ (Schreiben 4. 11. 2010).
„... Auftrags unserer Mandantin wiederholen wir die bereits ausgesprochene Auflösung des Verwaltungsvertrages mit sofortiger Wirkung aufgrund der vorliegenden zahlreichen wichtigen Gründe, ich verweise auf die Vorkorrespondenz. ...“ (Schreiben 26. 11. 2010).
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002 verweise sämtliche Streitigkeiten über die Wirksamkeit einer Verwalterkündigung ins Außerstreitverfahren, wobei die Judikatur auch dem einzelnen Wohnungseigentümer die Legitimation für einen Antrag auf Feststellung der Rechtswirksamkeit einer Kündigung des Verwaltungsvertrags zugestehe (5 Ob 18/07v). Das Wort „Kündigung“ sei in diesem Zusammenhang im Sinne jeder einseitigen Auflösung des Verwaltungsvertrags zu verstehen, wie dies auch in der Textierung der Vorgängerbestimmung des § 26 Abs 1 Z 7 WEG 1975 zum Ausdruck gekommen sei, wo von der „Kündigung oder Abberufung des Verwalters“ die Rede gewesen sei. Auch ohne diese ausdrückliche Aufzählung der „Abberufung des Verwalters“ in § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002 seien durch den Verweis auf § 21 WEG alle Verfahren zur Überprüfung der Rechtswirksamkeit der Abberufung des Verwalters (Auflösung des Verwaltervertrags) von Z 8 erfasst (Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 52 WEG Rz 24).
Die Antragsgegnerin behaupte sowohl in der Korrespondenz als auch im Verfahren, dass der Verwaltungsvertrag schon durch die Einbringung der Ausschlussklage bzw jedenfalls durch die von ihrem Rechtsvertreter verfassten Schreiben aufgelöst worden sei. Der Antragsteller habe als Mehrheitseigentümer ein nachvollziehbares rechtliches Interesse an der Feststel1ung, dass dies nicht der Fall sei. Gemäß § 21 Abs 3 WEG 2002 setze eine Auflösung des Verwaltungsvertrags aus wichtigen Gründen entweder einen den Anforderungen des § 24 WEG 2002 genügenden Mehrheitsbeschluss oder eine gerichtliche Entscheidung voraus. Durch die b1oße Erklärung der Minderheitseigentümerin könne der Verwaltungsvertrag ebenso wenig aufgelöst werden wie durch die Einbringung einer Ausschlussklage der Minderheitseigentümerin gegen den Mehrheitseigentümer. Es sei daher die Rechtsunwirksamkeit der von der Antragsgegnerin behaupteten Abberufung des Verwalters festzustellen gewesen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin Folge, hob den angefochtenen Sachbeschluss des Erstgerichts samt dem ihm vorangegangenen Verfahren als nichtig auf und wies den Antrag zurück. Es vertrat rechtlich die Meinung, der allgemeine Grundsatz, dass Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder doch wenigstens unzweifelhaft schlüssig ins Außerstreitverfahren verwiesen seien, auf den streitigen Rechtsweg gehörten, werde durch § 52 WEG 2002 nicht berührt (MietSlg 33.504/19, 48.392). Der Rechtsweg sei also nur in den Angelegenheiten ausgeschlossen, die in § 52 Abs 1 WEG 2002 - ungeachtet einer gelegentlich erforderlichen ergänzenden Auslegung - aufgezählt seien; im Zweifel sei der Rechtsweg zulässig (MietSlg 49.407).
Maßgeblich für die Beurteilung, ob im Außerstreitverfahren oder im Rechtsweg zu entscheiden sei, seien der Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen (MietSlg 58.522). § 52 Abs 1 Z 8 WEG verweise Streitigkeiten über die Bestellung eines vorläufigen Verwalters und die Rechtswirksamkeit einer Kündigung oder gerichtlichen Auflösung des Verwaltungsvertrags ins außerstreitige Verfahren. Der Antragsteller begehre aber nicht, eine seitens der Antragsgegnerin ausgesprochene Kündigung auf ihre Rechtswirksamkeit hin zu überprüfen, sondern die Feststellung, dass „die behauptete Auflösung des Verwaltungsvertrages durch die Einbringung einer Ausschlussklage gegen den Mehrheitseigentümer bzw durch die Auflösungserklärungen des Antragsgegnervertreters unwirksam sei“, womit nur gemeint sein könne, dass die Behauptung, der Verwaltungsvertrag sei aufgrund der Ausschlussklage bzw der Auflösungserklärungen des Antragsgegnervertreters aufgelöst, unzutreffend sei. Ein derartiger Antrag lasse sich jedoch nicht unter § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002 subsumieren. Die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs habe zur Nichtigerklärung des durchgeführten Verfahrens einschließlich des gefällten Sachbeschlusses zu führen. Eine Überweisung ins streitige Verfahren habe nicht zu erfolgen, weil der Antragsteller in seiner Rekursbeantwortung noch immer auf der Zulässigkeit des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens beharre (RIS-Justiz RS0070463).
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs im Hinblick auf den Einzelfallcharakter seiner Entscheidung nicht zulässig sei.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der (außerordentliche) Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, in der Sache selbst im Sinn des gestellten Antrags zu entscheiden, in eventu den angefochtenen Beschluss des Rekursgerichts aufzuheben und diesem aufzutragen, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund eine Sachentscheidung über den Rekurs der Antragsgegnerin zu treffen, in eventu den Antrag des Antragstellers auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen.
Die Antragsgegnerin beantragte in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs des Antragstellers zurückzuweisen, in eventu die Anträge des Antragstellers abzuweisen.
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht verkannt hat, dass über das Begehren des Antragstellers im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren zu entscheiden ist:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002 ist (ua) über die „Rechtswirksamkeit einer Kündigung … des Verwaltungsvertrags (§ 21)“ im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden.
2. Mit dem modifizierten Antragsbegehren macht der Antragsteller geltend, dass „die von AG-Seite behauptete Auflösung des Verwaltungsvertrages … durch die Klagseinbringung … (Ausschlussklage gemäß § 36 WEG) bzw. durch die Auflösungserklärungen des AGV in den Schreiben vom 4. 11. 2010 (Beil./B) und vom 26. 11. 2010 (Beil./C) unwirksam ist“. Auch die Antragsgegnerin hat selbst vorgebracht, „dass die Kündigung der Hausverwaltung aushilfsweise (gemeint wohl: sofern sich dies nicht ohnehin schon aus der Ausschlussklage ergebe) mit dem (bereits ersten) Schreiben vom 4. 11. 2010 ausgesprochen worden sei“ (AS 35 = S 1 in ON 10).
3. Die oben wiedergegebenen Passagen der Schreiben vom 4. 11. 2010 und vom 26. 11. 2010 sind im Gesamtzusammenhang betrachtet und nach ihrem Sinn beurteilt zwanglos als an den Verwalter gerichtete Kündigungserklärungen zu verstehen, bei denen sich die Antragsgegnerin zur argumentativen Stütze ihres Standpunkts auch auf die eingebrachte Ausschlussklage stützte. Die vom Antragsteller angestrebte Beurteilung der Rechts-(un-)wirksamkeit dieser Kündigungserklärungen fällt somit unzweifelhaft unter den Zuständigkeitstatbestand des § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002.
4. Die - von der Antragsgegnerin in ihrer Revisionrekursbeantwortung vorrangig relevierten - Fragen nach der Aktiv- und Passivlegitimation des Antragstellers bzw der Antragsgegnerin und überdies die fragliche Notwendigkeit der Einbeziehung des Verwalters in das Verfahren mögen für die materielle Beurteilung des Sachantrags und die Mangelfreiheit des erstinstanzlichen Verfahrens, können aber nicht für die hier allein zu beurteilende Frage der Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs eine Rolle spielen.
5. Der Revisionsrekurs ist somit in seinem Aufhebungsantrag berechtigt; das Rekursgericht wird den Rekurs der Antragsgegnerin meritorisch zu behandeln haben. Eine Sachentscheidung durch den Obersten Gerichtshof kommt nicht in Betracht, war diese doch nicht Gegenstand der überprüften Entscheidung der zweiten Instanz und es steht derzeit auch nicht fest, ob der Obersten Gerichtshof in der Sache angerufen wird (werden kann; RIS-Justiz RS0007060).
6. Der Kostenvorbehalt war erforderlich, weil Billigkeitserwägungen (§ 37 Abs 3 Z 17 MRG) bzw der Verfahrenserfolg (§ 78 AußStrG) im derzeitigen Verfahrensstadium nicht beurteilt werden können.
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