OGH 7Ob235/11a

OGH7Ob235/11a25.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache B***** R*****, vertreten durch den Verein gemäß § 8 Abs 2 HeimAufG VertretungsNetz‑Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung (Bewohnervertreter Dr. E***** W*****), 5020 Salzburg, Petersbrunnstraße 9, dieser vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs der Einrichtungsleiterin R***** H*****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 13. September 2011, GZ 21 R 315/11m‑39, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 22. Juli 2011, GZ 35 Ha 7/10g‑32, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Bewohnerin lebt seit Herbst 2005 im D*****Wohnhaus „*****“ in S*****. Sie leidet an einer bipolar affektiven Störung und Intelligenzminderung bei Verdacht auf Prader‑Willi‑Syndrom. Dabei handelt es sich um ein somatisches Syndrom mit psychischer Beeinflussung. Es liegt eine psychische Erkrankung vor, durch die die Bewohnerin fremd‑ und selbstaggressiv ist. Die Impulskontrolle fehlt fast vollständig. Emotionen können nicht ausgedrückt und Eindrücke nur mangelhaft verarbeitet werden. Die Bewohnerin denkt in Bildern. Welche Situationen sie als bedrohlich wahrnimmt, ist nicht nachvollziehbar.

Mit Beschluss vom 21. 12. 2010 erklärte das Erstgericht unter anderem die Beschränkung der Freiheit der Bewohnerin durch „zeitweilige Gabe der Bedarfsmedikation Temesta bei ansonsten nicht bewältigbaren fremd‑ und autoaggressiven Krisen“ für längstens sechs Monate (bis spätestens 21. 6. 2011) für zulässig.

Laut Dokumentation wurde Temesta á 2,5 mg wie folgt verabreicht:

9. 2. 2011 um 19:00 Uhr, 14. 2. 2011 um 8:00 Uhr und 16:40 Uhr, 15. 2. 2011 um 18:20 Uhr, 16. 2. 2011 2 x, 17. 2. 2011, 19. 2. 2011, 20. 2. 2011, 21. 2. 2011, 22. 2. 2011, 23. 2. 2011, 24. 2. 2011, 27. 2. 2011, 28. 2. 2011, 4. 5. 2011, 5. 5. 2011, 6. 5. 2011, 9. 5. 2011 2 x, 12. 5. 2011 2 x, 13. 5. 2011, 14. 5. 2011, 15. 5. 2011 um 19:00 Uhr, 16. 5. 2011 um 18:30 Uhr, 17. 5. 2011 um 18:45 Uhr und 18. 5. 2011 um 16:30 Uhr und 23:30 Uhr. Eine Begründung für die Verabreichung von Temesta scheint in der Dokumentation mit Ausnahme für den 15. 5. 2011 („Agitation“) nicht auf. Die Eintragungen der Medikamentenabgabe korrelieren nicht mit den Eintragungen in der Pflegedokumentation bezüglich der ‑ nicht mehr Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens bildenden ‑ weiteren Freiheitsbeschränkung durch Verschließen der Zimmertür. Temesta wurde der Bewohnerin in ihren manischen Phasen in der Regel abends verabreicht, wenn sie sich nicht beruhigen konnte, andere Maßnahmen (wie Spaziergänge, Puzzles, Fotos, Musik, Geschichten udgl) nicht wirkten und sie gegenüber dem Pflegepersonal und Mitbewohnern aggressiv reagierte. „Die Verabreichung von Temesta in Krisensituationen hat wesentlich zur Beruhigung und auch zur psychischen Stabilität der Bewohnerin beigetragen“.

Der Verein beantragt, die zeitweilige Gabe von Temesta für das letzte halbe Jahr auf Grund mangelhafter Dokumentation für unzulässig zu erklären. Der Grund der Verabreichung sei nicht ersichtlich, sodass es nicht möglich sei nachzuvollziehen, ob die vom Gericht festgesetzten Auflagen eingehalten worden seien.

Die Einrichtungsleiterin stützt sich darauf, dass der Bewohnervertreter mehrfach Einsicht in die Dokumentation genommen und keine Mängel beanstandet habe. Es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn ein Verfahren zur Feststellung der Rechtswidrigkeit eingeleitet werde, ohne den Mangel vorher zu rügen.

Das Erstgericht sprach ‑ soweit es für das Revisionsrekursverfahren von Bedeutung ist ‑ aus:

„Die zeitweilige Gabe der Bedarfsmedikation Temesta an die Bewohnerin seit dem Beschluss vom 21. 12. 2010 war bis 15. 5. 2011 unzulässig, da in diesem Zeitraum nicht ausreichend bzw gar nicht dokumentiert wurde, dass die Gabe von Temesta nur bei ansonsten nicht bewältigbaren fremd‑ und autoaggressiven Krisen erfolgte.“ Durch die präzise und vollständige Dokumentation solle unter anderem der Bewohnervertretung eine Prüfung ermöglicht werden, ob die materiellen Voraussetzungen der Freiheitsbeschränkung gegeben seien. Die Dokumentationspflicht sei unter dem Abschnitt „Voraussetzungen einer Freiheitsbeschränkung“ angeführt. Werde die Dokumentationspflicht verletzt, sei die ergriffene Maßnahme auch dann unzulässig, wenn sie materiell berechtigt gewesen sei.

Das Rekursgericht bestätigte den angefochtenen Beschluss. Freiheitsbeschränkungen müssten nicht nur den materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 4 HeimAufG genügen, sondern auch die formellen Kriterien, die in den §§ 5 bis 7 HeimAufG aufgezählt seien, erfüllen. Dazu gehöre die Dokumentationspflicht. Nach § 6 Abs 1 HeimAufG seien insbesondere die Gründe anzuführen, die zur Anordnung der Freiheitsbeschränkung geführt hätten. Eine unzulässige Freiheitsbeschränkung liege auch dann vor, wenn die Dokumentations‑ oder Verständigungspflichten verletzt worden seien, weil die Nachvollziehbarkeit und die Überprüfbarkeit der freiheitsbeschränkenden Maßnahme in diesen Fällen nicht gewährleistet sei. Da das Erstgericht die Freiheitsbeschränkung durch Bedarfsmedikation nur bei Vorliegen ansonsten nicht zu bewältigenden fremd‑ und autoaggressiven Krisen für zulässig erklärt habe, sei die Beschreibung der Gefährdungssituationen und das Vorliegen der anderen vom Beschluss geforderten Voraussetzungen zu fordern, um eine effiziente Grundrechtskontrolle gewährleisten zu können.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zu den Rechtsfolgen einer mangelhaften Dokumentation nach § 6 Abs 1 HeimAufG fehle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Einrichtungsleiterin mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Verein beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Ein Arzt ist nach § 51 ÄrzteG verpflichtet, Aufzeichnungen über jede zur Beratung oder Behandlung übernommene Person, insbesondere über ihren Zustand bei Übernahme der Beratung oder Behandlung, die Vorgeschichte einer Erkrankung, die Diagnose, den Krankheitsverlauf sowie über Art und Umfang seiner Leistungen einschließlich der verordneten Arzneispezialitäten zu führen. Je nach Art der Behandlung und auch unter Bedachtnahme auf die berufsrechtliche Stellung der behandelnden Ärzte wird der Umfang der Dokumentationspflicht unterschiedlich sein (RIS‑Justiz RS0119345). Zweck der ärztlichen Dokumentationspflicht sind Therapiesicherung, Beweissicherung und Rechenschaftslegung. Alle wesentlichen diagnostischen Ergebnisse und therapeutischen Maßnahmen müssen spätestens am Ende des einzelnen Behandlungsabschnitts aufgezeichnet werden (RIS‑Justiz RS0108525). Die Verpflichtung dazu ergibt sich nicht nur aus Vorschriften des öffentlichen Rechts und des Standesrechts, sondern sie ist auch Bestandteil des zwischen dem Patienten und dem Arzt abgeschlossenen Behandlungsvertrags (RIS‑Justiz RS0038270).

Daneben wird vom HeimAufG eine Dokumentationspflicht als Voraussetzung der Zulässigkeit freiheitsbeschränkender Maßnahmen (dies kann auch die Verabreichung von Arzneien sein [RIS‑Justiz RS0123874, RS0121227; vgl Barth, Freiheitsbeschränkung durch Medikamente, in iFamZ 2011, 80 ff]) gefordert.

Der zweite Abschnitt des HeimAufG regelt die „Voraussetzungen einer Freiheitsbeschränkung“. Neben den in § 4 HeimAufG beschriebenen materiellen Voraussetzungen sind in den §§ 5 bis 7 HeimAufG formelle Voraussetzungen normiert, wozu die in § 6 HeimAufG genannte Dokumentationspflicht gehört. Diese ist im Zusammenhang mit Art 5 Abs 1 EMRK und dem (Art 1 Abs 2, Art 2 Abs 1) PersFrG zu sehen. Danach muss jeder Freiheitsentzug auf die „gesetzlich vorgeschriebene Weise“ erfolgen. Es wird nicht nur die Einhaltung der einfachgesetzlichen Vorschriften zu einer Bedingung der Verfassungsmäßigkeit des Freiheitsentzugs; die Formulierung „gesetzlich vorgeschriebene Weise“ enthält auch eine Verpflichtung des Gesetzgebers, entsprechende Verfahrensregelungen zu erlassen. Wesentlich ist aber auch, dass das Verfahren über jenes prozessuale Instrumentarium verfügt, welches eine hinreichende Abklärung des maßgeblichen Sachverhalts ermöglicht. Die Überprüfbarkeit formeller Zulässigkeitsvoraussetzungen leitet sich aus den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle freiheitsentziehender Maßnahmen ab. Die in § 6 HeimAufG normierte Dokumentationspflicht dient dazu, die spätere Unaufklärbarkeit von Sachverhalten zu vermeiden, da sie die Ermittlung der im Rechtsschutzverfahren erforderlichen Tatsachengrundlagen erleichtert (Barth, Spezielle Fragen zum Gerichtsverfahren nach HeimAufG in RZ 2006, 2 [6]; Strickmann, Heimaufenthaltsrecht, 151). Sie ist überdies ein Instrument der Qualitätssicherung und stärkt die Bewohnerrechte (Strickmann aaO, 131; Zierl/Wall/Zeinhofer, Heimrecht, Band 13, 173). Die Verpflichtung dient nicht zuletzt auch der Kontrolle solcher Maßnahmen durch den Bewohnervertreter und das Gericht (RV 353 BlgNR XXII. GP, 12; Strickmann aaO, 131).

Nach § 6 Abs 1 HeimAufG sind der Grund, die Art, der Beginn und die Dauer der Freiheitsbeschränkung schriftlich zu dokumentieren. Ärztliche Zeugnisse und der Nachweis über die notwendigen Verständigungen sind diesen Aufzeichnungen anzuschließen. Sowohl die Dokumentationspflicht nach dem ÄrzteG als auch nach dem HeimAufG beziehen sich damit auf den Zustand der zu behandelnden Person und die Medikation.

Im vorliegenden Fall ist nur strittig, ob die an sich vom Erstgericht unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erklärte Freiheitsbeschränkung der Bewohnerin durch die Verabreichung von Temesta im Bedarfsfall dadurch unzulässig wird, dass der Grund der Verabreichung nicht dokumentiert wurde.

Die Dokumentationspflicht nach § 6 HeimAufG ist ebenso wie die Pflicht zur Verständigung des Vertreters des Bewohners nach § 7 Abs 2 HeimAufG als formelle Voraussetzung einer Freiheitsbeschränkung normiert. Zu § 7 Abs 2 HeimAufG hat der Oberste Gerichtshof bereits dahin Stellung genommen, dass die Unterlassung der Verständigung kein bloßer Verstoß gegen eine Ordnungsvorschrift ist. Sie bewirkt die Unzulässigkeit der Maßnahme. Diese dauert bis zu dem Zeitpunkt an, in welchem der Vertreter des Bewohners tatsächlich Kenntnis von der angegebenen Freiheitsbeschränkung erlangt (RIS‑Justiz RS0121228).

Da sich die Frage der Unzulässigkeit einer Freiheitsbeschränkung auf Grund eines gravierenden Mangels in der Dokumentation erst bei oder nach Setzen der Maßnahmen stellen kann, kann der Fall, dass zum Schutz des Bewohners die an sich zulässige Maßnahme dennoch aufrecht bleiben muss, nicht eintreten.

Im Schrifttum wird überwiegend die Meinung vertreten, dass gravierende Dokumentationsmängel zur Rechtswidrigkeit der Freiheitsbeschränkung führen (Barth Freiheitsbeschränkung durch Medikamente in iFamZ 2011, 88; Zierl/Wall/Zeinhofer aaO, 173, 215; Strickmann aaO, 131 und 151; aA Klaushofer, Heimaufenthaltsgesetz: Ein erster Überblick in ZfV 2004/1229, 590, der die Verletzung der Dokumentationspflichten nach dem HeimAufG als sanktionslos bezeichnet).

Ihren dargelegten Zweck kann eine Dokumentation nur dann erfüllen, wenn sie den im Gesetz genannten Inhalt aufweist, also insbesondere den Grund für die Freiheitsbeschränkung in einer Weise anführt, dass beurteilt werden kann, ob die ‑ hier vom Gericht bereits festgesetzten ‑ Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Freiheitsbeschränkung im Einzelfall vorlagen. Wie detailliert dies geschehen muss, um den Sachverhalt ausreichend beurteilen zu können, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je absehbarer und gleichbleibender die zur Freiheitsbeschränkung führenden Verhaltensweisen des Bewohners verlaufen, desto geringere Anforderungen sind an die Spezifikationen in der Dokumentation zu stellen. Je größer die Bandbreite des vom Bewohner gezeigten Verhaltens ist und je weniger absehbar ist, ob es zu einer Gefährdung kommt, desto genauer muss darauf eingegangenen werden, welche konkrete Gefährdung die gesetzten Maßnahmen notwendig machte und allenfalls, welche anderen Mittel vergebens versucht wurden. Die Dokumentation nach § 6 HeimAufG ist (wie auch sonst bei ärztlichen Tätigkeiten) in einem angemessenen zeitlichen Zusammenhang zur Maßnahme vorzunehmen. Fehlt in der Dokumentation eine Angabe zum Grund zur Gänze, so liegt jedenfalls ein gravierender Mangel vor, der zur Unzulässigkeit der Maßnahmen führen muss, auch wenn sie an sich zulässig gewesen wären. Belegen die Angaben in der Dokumentation zum Grund der Maßnahme nicht die Voraussetzungen für den Freiheitsentzug, so ist die Maßnahme unzulässig, weil ansonsten der Dokumentationspflicht der Sinn entzogen wäre.

Im vorliegenden Fall fehlt bis auf einmal die Angabe des Grundes zur Gänze. Der einmalige Zusatz „Agitation“ nennt keinen ausreichenden Grund. Ein nicht näher beschriebener Erregungszustand der Bewohnerin dokumentiert keine „ansonsten nicht bewältigbare fremd‑ und autoaggressive Krise“. Dazu kommt hier, dass der Zustand der Bewohnerin, der die Medikation erfordert, offenbar mehr oder weniger unvorhersehbar eintritt (so erhielt sie laut Dokumentation rund zwei Monate kein Temesta). Umso mehr bedarf es daher der genauen Dokumentation des Grundes für jede Verabreichung.

Eingeschränkt können die dargelegten Grundsätze dann werden, wenn auch nachträglich noch in den relevanten Zeiträumen eindeutig ein Gefährdungszustand, der die Freiheitsbeschränkung zulässig macht, aus anderen Urkunden objektivierbar ist und es in der Dokumentation unterlassen wurde, auf diese zu verweisen. Ergibt sich in der Zusammenschau kein Zweifel am zu Grunde liegenden Sachverhalt, so liegt ein relevanter Dokumentationsmangel, der zur Unzulässigkeit der Maßnahme führen muss, nicht vor (vgl 7 Ob 249/11k).

Die Behebung gravierender Mängel der Dokumentation durch Zeugenaussagen scheidet aus. Naturgemäß können Zeugen wegen der Fülle der Ereignisse ‑ wie hier ‑ nicht über jeden einzelnen Vorfall konkret Auskunft geben, sondern nur pauschal ihr pflichtgemäßes Handeln auf Grund nicht mehr im Detail nachvollziehbarer Situationen bestätigen. Genau dies soll aber nach dem Gesetz nicht genügen.

Diesem Ergebnis steht die Entscheidung 7 Ob 106/11f nicht entgegen. Sie bezog sich auf die Verletzung der Dokumentationspflicht nach § 32 Satz 3 UbG. Eine Überprüfungspflichtverletzung selbst stand dort nicht fest. Es ging dort lediglich um den kurzen Zeitraum zwischen der Erstanhörung und der Verhandlung, in dem keine Dokumentation der Überprüfung vorlag. Auf Grund der objektivierten Krankheitsbilder bei der Erstanhörung und der Verhandlung war zweifelsfrei auf den Zustand der Patientin in der Zwischenzeit zu schließen.

Die Einrichtungsleiterin vertritt weiters die Ansicht, der Verein hätte die Dokumentationspflichtverletzung vorher anzeigen müssen, um sie noch geltend machen zu können und stützt dies auf § 9 HeimAufG.

Im dritten Abschnitt des HeimAufG („Vertretung“) sind in § 9 HeimAufG Befugnisse und Pflichten des Vertreters geregelt. Die für eine Einrichtung namhaft gemachten Bewohnervertreter sind insbesondere berechtigt, die Einrichtung unangemeldet zu besuchen, sich vom Bewohner einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, mit der anordnungsbefugten Person und Bediensteten der Einrichtung das Vorliegen der Voraussetzungen der Freiheitsbeschränkung zu besprechen, die Interessenvertreter der Bewohner der Einrichtung zu befragen und in dem zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Umfang Einsicht in die Pflegedokumentation, die Krankengeschichte und andere Aufzeichnungen über den Bewohner zu nehmen (§ 9 Abs 1 HeimAufG).

Aus § 9 HeimAufG ergibt sich nur das Recht des Vertreters auf Einsicht in die Pflegedokumentation, nicht jedoch die Pflicht, allenfalls festgestellte Mängel zu rügen. Liegt eine Grundrechtsverletzung dem Bewohner gegenüber vor, kann das Verhalten des Vertreters nicht zum Verlust des Antragsrechts, durch das der Bewohner geschützt werden soll, führen.

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

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