OGH 2Ob209/11s

OGH2Ob209/11s22.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt L*****, vertreten durch Dr. Hawel ua Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1.) Werner G***** jun, 2.) Werner G***** sen, beide *****, und 3.) A***** Versicherung AG, *****, alle vertreten durch Aigner Fischer Unter Rechtsanwaltspartnerschaft in Ried im Innkreis, wegen 28.742,99 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. September 2011, GZ 3 R 142/11m-16, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 29. Juni 2011, GZ 26 Cg 22/11f-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat den beklagten Parteien die mit 2.259,08 EUR (darin enthalten 376,51 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Eine in einem Beamtendienstrechtsverhältnis zur klagenden Partei stehende Bedienstete erlitt bei einem Verkehrsunfall am 10. 10. 2007 Verletzungen, weshalb ihr mit Bescheid der Klägerin vom 26. 11. 2008 eine vorläufige Versehrtenrente ab 29. 12. 2007 im Ausmaß von 25 % der Vollrente zuerkannt wurde. Mit weiterem Bescheid vom 18. 2. 2010 wurde eine Dauerrente in gleicher Höhe zuerkannt. Die Verunfallte erlitt aufgrund des Verkehrsunfalls keinen Entgeltausfall. Das Alleinverschulden am Verkehrsunfall trifft unstrittig den Erstbeklagten.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten den Ersatz der an die Verunfallte im Zeitraum 29. 12. 2007 bis 31. 5. 2011 ausbezahlten Versehrtenrente und die Feststellung der Haftung der Beklagten für die künftig zu zahlenden Beträge. Die Verunfallte habe aufgrund der Bestimmungen des oö Gemeinde-Unfallfürsorgegesetzes Anspruch auf eine Versehrtenrente, was zu einer direkten Schädigung der Klägerin führe. Das Klagebegehren werde auch auf einen Übergang des Anspruchs der Verunfallten in Form einer Legalzession gestützt, insbesondere die analoge Anwendung des § 332 ASVG. Der Anspruch sei nicht verjährt.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wandten ein, dass der Verunfallten keine Versehrtenrente zustehe. Sie habe auch keinen Entgeltausfall erlitten. Die Klägerin sei nur mittelbar Geschädigte; mangels Schadensverlagerung bestehe kein ersatzfähiger Schaden. Im Übrigen sei der Anspruch verjährt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Einschränkung, dass die Haftung der Drittbeklagten mit der Haftpflichthöchstversicherungssumme begrenzt wurde, statt. Verjährung sei nicht eingetreten. Bei der Versehrtenrente nach § 27 des oö Gemeinde-Unfallfürsorgegesetzes handle es sich um eine Pflichtleistung, für die in § 21 leg cit eine Legalzession angeordnet sei. Versehrtenrenten seien „grundsätzlich sachlich kongruent und darüber hinaus der in den Beamtengesetzen geregelte Anspruch auf Unfallfürsorge eine gesetzliche Heilfürsorge im Sinne der Bestimmungen über die beschränkte Leistungspflicht des Krankenversicherers“, weshalb das Klagebegehren mit Ausnahme der Einschränkung im Hinblick auf die Haftpflichthöchstversicherungssumme berechtigt sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im klagsabweisenden Sinne ab. Grundsätzlich werde durch die Versehrtenrente der eingetretene Verdienstentfall ausgeglichen, weshalb sachliche Kongruenz zwischen Versehrtenrente und Verdienstentgangsanspruch bestehe. Im konkreten Fall habe die Versehrtenrente aber keinen Verdienstausfall der Verunfallten abgedeckt, wie die klagende Partei selbst vorgebracht habe. Es sei daher keine durch die Lohnfortzahlung bewirkte Schadensverlagerung entstanden. Eine Versehrtenrente sei auch sachlich kongruent zu einer abstrakten Rente. Die Behauptungs- und Beweislast dafür liege aber bei der klagenden Partei. Es bestünden nicht die geringsten Anhaltspunkte, dass der Arbeitsplatz der verunfallten Beamtin gefährdet sei.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der Ersatzfähigkeit von Versehrtenrentenzahlungen als mittelbarer Schaden keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag dem Klagebegehren stattzugeben; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab, weil eine solche in der Revision nicht zur Darstellung gebracht wird:

1. Die Klägerin verweist darauf, dass auch ein Beamtendienstrechtsverhältnis finanzielle Nachteile bzw einen Verdienstentgang für die Zukunft nicht ausschließe. Wenn der Verunfallten ein Anspruch auf abstrakte Rente zustehe, sei dieser nach der Legalzession des § 21 Abs 1 des oö Gemeinde-Unfallfürsorgegesetzes auf die Klägerin übergegangen.

Wie bereits das Berufungsgericht dargelegt hat, trifft die Behauptungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer abstrakten Rente, insbesondere Umstände, die den Verlust des Arbeitsplatzes und eine damit verbundene Einkommenseinbuße wahrscheinlich machen, den Geschädigten bzw denjenigen, der den Übergang der Ansprüche des Geschädigten auf ihn behauptet, somit hier die klagende Partei (RIS-Justiz RS0030815; Hinteregger in Kletecka/Schauer, ABGB-ON, § 1325 Rz 27).

Wenn die Klägerin in der Revision dazu ausführt, solche Nachteile seien nicht auszuschließen, verkennt sie ihre Behauptungs- und Beweispflicht.

Auch wenn daher nach der Judikatur grundsätzlich sachliche Kongruenz zwischen Versehrtenrente und Verdienstentgangsanspruch besteht (vgl RIS-Justiz RS0031026), ist darauf - insbesondere auch auf die Frage der zeitlichen Kongruenz - nicht weiter einzugehen.

2. Im Übrigen bezeichnet sich die Klägerin in der Revision ausdrücklich als mittelbar Geschädigte. Zwar werde die Ersatzfähigkeit solcher mittelbarer Schäden nach Rechtsprechung und Lehre abgelehnt, dies aber deshalb, weil es nicht zu einer uferlosen Schadenshaftung kommen soll. Die Gefahr einer solchen Ausdehnung der Schadenshaftung bestehe aber im gegenständlichen Fall gerade nicht, weil zwischen der Klägerin und der Verunfallten ein besonderes Rechtsverhältnis in Form eines Beamtendienstrechtsverhältnisses bestehe und die klagende Partei aufgrund öffentlich-rechtlicher Regelungen zur Leistung der Versehrtenrente verpflichtet sei. Mit Sicherheit gebe es nur wenige Fälle, in denen eine derartige öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Erbringung von Leistungen an den unmittelbar Geschädigten bestehe.

Mit dieser Argumentation wird aber lediglich die - der ständigen Rechtsprechung zur mangelnden Ersatzfähigkeit mittelbarer Schäden (vgl RIS-Justiz RS0021473; RS0020106) - widersprechende Meinung der Revisionswerberin zum Ausdruck gebracht und - im Hinblick auf die zitierte Judikatur - keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

3. Auf die vom Berufungsgericht unter dem Aspekt, dass die Versehrtenrente hier keinen sonst eintretenden Verdienstausfall abdeckt, behandelte Frage der Schadensverlagerung durch Lohnfortzahlung kommt die Revision nicht zurück.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, ihr Schriftsatz diente daher der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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