OGH 8ObA87/11v

OGH8ObA87/11v20.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Franz Boindl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** P*****, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hans Jalovetz und Dr. Paul Wachschütz, Rechtsanwälte in Villach, wegen 59.181,18 EUR brutto abzüglich 6.900 EUR netto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Oktober 2011, GZ 7 Ra 57/11y-33 (Revisionsinteresse 33.227,08 EUR brutto abzüglich 6.900 EUR netto sA), den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beklagte bestreitet in der außerordentlichen Revision nicht mehr, dass die Entlassung zufolge Arbeitsunfähigkeit des Klägers unberechtigt war. Sie beruft sich aber auf ein Mitverschulden des Klägers.

Soweit die Beklagte zur Beurteilung einer die „Schuldunfähigkeit“ ausschließenden seelischen Störung des Klägers ein jeden Zweifel ausschließendes Sachverständigengutachten verlangt, ist sie auf die Ausführungen des Berufungsgerichts hinzuweisen, wonach der medizinische Sachverständige zum Ergebnis gelangte, dass beim Kläger im relevanten Zeitraum eine mittelschwere Depression tatsächlich vorgelegen ist und dieser nicht in der Lage war, dem Geschäftsführer der Beklagten den wahren Grund seiner Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen. Neben diesem Tatsachensubstrat wurde vom Erstgericht in Würdigung der Ausführungen des Sachverständigen auch festgestellt, dass der Kläger nicht dispositionsfähig war.

2. Die Grundsätze zum Vorliegen eines Mitverschuldens des Dienstnehmers an einer (hier) unberechtigten Entlassung wurden von den Vorinstanzen zutreffend dargelegt. Demnach kann den Dienstnehmer auch ein Verschulden an der - etwa wegen gerechtfertigter Abwesenheit - unberechtigten Entlassung treffen, wenn er einen ihm bekannten Rechtfertigungsgrund für ein an sich pflichtwidriges Verhalten dem Dienstgeber schuldhaft nicht bekanntgibt und der Dienstgeber bei Kenntnis des Rechtfertigungsgrundes die Entlassung aller Voraussicht nach nicht ausgesprochen hätte (RIS-Justiz RS0101991). Eine derartige Obliegenheit des Dienstnehmers ist im Allgemeinen dann zu bejahen, wenn ihm bewusst sein musste, dass für den Dienstgeber objektiv der Anschein einer Pflichtwidrigkeit bestand (Kuras in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 32 Rz 13 mwN).

Entscheidend ist die Frage, ob eine Obliegenheitsverletzung in diesem Sinn besteht und diese dem Kläger vorwerfbar ist. Ein Verschuldensvorwurf im Hinblick auf eine objektiv pflichtwidrige Handlung ist im gegebenen Zusammenhang dann zu verneinen, wenn sich der Dienstnehmer in einem die Entschlussfähigkeit herabsetzenden schlechten Gesundheitszustand befindet (vgl RIS-Justiz RS0028849).

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass dem Kläger aufgrund seiner psychischen Erkrankung ein (Mit-)Verschulden an der Nichtoffenbarung des wahren Grundes seiner Arbeitsunfähigkeit nicht anzulasten sei, erweist sich als nicht korrekturbedürftig.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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