Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter Liegenschaften mit darauf errichteten Wohnhäusern.
Mit Bescheid vom 29. 11. 2007 trug die Baupolizei der Klägerin auf, binnen sechs Monaten einen Rauchfang ihres Hauses so hochführen zu lassen, dass für die Bewohner und Benutzer der Baulichkeit der Beklagten keine Gefährdung der Gesundheit durch Abgase gegeben ist und die Fangmündung den Fenstersturz bestimmter diesem Fang zugewandter Wohnungsfenster um mindestens drei Meter überragt. Der Auftrag konnte auch dadurch erfüllt werden, dass statt der Höherführung des Rauchfangs eine rauchfanglose Heizung eingerichtet wird.
Für das Höherziehen des Rauchfangs musste die Klägerin Kosten in Höhe von 7.590 EUR aufwenden.
Die Klägerin begehrt im vorliegenden Verfahren den Ersatz dieser Kosten. Sie stützt ihr Begehren auf § 126 Abs 4 der Bauordnung für Wien (Wr.BO). Die Höherführung des Rauchfangs sei nur durch den Bau des Hauses auf der Liegenschaft der Beklagten notwenig geworden, weil dieses nach Fertigstellung höher gewesen sei, als das Haus der Klägerin.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Während ihrer Bauführung im Jahre 1984 habe das um ca 1900 errichtete Gebäude der Klägerin keinen „benützungsbewilligten“ Kamin und damit keine „im Gesetz angesprochene Abgasanlage“ gehabt. Auch sei das Gebäude der Beklagten nicht das einzige höhere Gebäude im Umfeld des Gebäudes der Klägerin. Falls eine Verpflichtung zur Höherziehung des Rauchfangs bestehe, habe sie schon seit Erbauung des Hauses bestanden, sodass der Ersatzanspruch verjährt sei. Außerdem sei bereits vor Errichtung des Gebäudes der Beklagten das straßenseitige Gebäude der Klägerin höher gewesen, als das Hofgebäude der Klägerin. Diese habe den Höhenunterschied damals selbst geschaffen und hätte daher auf eigene Kosten den Rauchfang hochziehen müssen. Der gegenständliche Kamin sei im Übrigen gar nicht notwendig und bis 2007 auch nicht in Betrieb gewesen. Die Bestimmung des § 126 Abs 4 der Wr.BO überschreite im Übrigen die Gestaltungsbefugnis des Landesgesetzgebers nach § 15 Abs 9 B-VG.
Die auf Seiten der Beklagten beigetretene Nebenintervenientin schloss sich diesem Vorbringen an.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Haus der Beklagten sei seit seiner aufgrund des Baubescheides vom 13. 7. 1983 durchgeführten Errichtung höher als das Haus der Klägerin. Die Behörde habe daher der Klägerin unter Berufung auf § 126 Abs 4 der Wr.BO die Höherführung ihres Rauchfangs wegen des Gebäudes der Beklagten aufgetragen, sodass die Beklagte im Sinne der genannten Gesetzesstelle zum Ersatz der aufgewendeten Kosten verpflichtet sei. Für die Entscheidung über den Ersatzanspruch seien die Gerichte zuständig. Die Verjährungsfrist beginne erst zu laufen, sobald die Zahlungsverpflichtung klar feststehe und damit erst nach der Entscheidung im Verwaltungsverfahren. Ob die Rauchfänge bereits früher hätten ausgebaut werden müssen, sei nicht entscheidend.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts. Es stehe unstrittig fest, dass das Gebäude der Beklagten wesentlich später errichtet wurde als jenes der Klägerin. Nicht entscheidend sei, ob nach Erlassung des Bescheids der Baubehörde auch beim Gebäude der Klägerin eine Erhöhung durchgeführt wurde. Dass es sich um eine ursprünglich nicht bewilligte Abgasanlage gehandelt habe, sei nicht nachgewiesen worden. Dass die Verjährungsfrist erst mit der Bescheiderlassung zu laufen beginne, habe der Oberste Gerichtshof erst vor kurzem zu 7 Ob 140/10d ausgesprochen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da Rechtsprechung zur Frage, ob § 126 Abs 4 der Wr.BO nur auf zum Zeitpunkt der Errichtung des höheren Gebäudes in Betrieb befindliche Abgasanlagen am niedrigeren Gebäude Anwendung finde, nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht zulässig.
1) Der Oberste Gerichtshof ist an den Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Es ist daher aufzugreifen, dass die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO hier nicht gegeben sind. Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof auf eine kurze Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
2) § 126 Abs 4 der Wr.BO hat - soweit hier von Interesse - folgenden Wortlaut:
„Droht dadurch, dass benachbarte Gebäude verschieden hoch sind, für die Bewohner eines oder beider Gebäude eine Gefährdung durch Abgase von Feuerstätten, ist der Eigentümer des niedrigeren Gebäudes verpflichtet, die Abgasanlagen entsprechend hochzuführen; ... Der Eigentümer des höheren Gebäudes ist, wenn durch seine Bauführung die verschiedene Höhe der benachbarten Gebäude entstanden ist, verpflichtet, dem Eigentümer des niedrigeren Gebäudes die unbedingt notwendigen Kosten für die Höherführung der Abgasanlagen zu ersetzen. …“
3) Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits zu 7 Ob 140/10d umfassend mit dieser Bestimmung auseinander gesetzt. Bereits damals wurde ausgesprochen, dass Grundlage des in Rede stehenden Ersatzanspruchs zwar - zulässigerweise - das Landesgesetz sei, dass aber für die Entscheidung über den Ersatzanspruch nach § 126 Abs 4 Wr.BO das Gericht zuständig sei. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die genannte Bestimmung hat der Oberste Gerichtshof nicht geäußert. Es ist auch nicht ersichtlich, warum der Landesgesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nach Art 15 Abs 9 B-VG überschritten haben sollte. Dieser wird doch allgemein im rechtstechnischen Zusammenhang mit den jeweiligen verwaltungsrechtlichen Regelungen gesehen (vgl etwa Mayer, Bundes-Versfassungsrecht4, 120; zum Zusammenhang zwischen Eigentumsbeschränkung und Ausgleichsansprüchen etwa VfSlg 19.202), die hier in die bescheidmäßige Vorschreibung der Verpflichtung zur Höherführung des Rauchfangs mündeten.
4) Welche fehlenden Bewilligungen die Beklagte im Zusammenhang mit dem nun hochgezogenen Rauchfang der Klägerin konkret im Auge hat, ist ihren insoweit nur kursorischen Angaben nicht zu entnehmen. Weder führt sie aus, nach welchen Bestimmungen diese Bewilligung erfolgen hätte müssen, noch setzt sie sich mit den „Bewilligungsvoraussetzungen“ im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes der Klägerin bzw den zeitlichen Übergangsbestimmungen auseinander. Dass zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes der Beklagten der nun hochgezogene Rauchfang der Klägerin noch nicht vorhanden war, hat die Beklagte gar nicht behauptet. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass wegen der auf § 126 Abs 4 Wr.BO gestützten Anordnung der Behörde, den Rauchfang zum Schutz der Bewohner des - nun höheren - Hauses der Beklagten höher zu ziehen, die Voraussetzungen für den in § 126 Abs 4 4. Satz Wr.BO normierten Ersatzanspruch gegen den Eigentümer des höheren Gebäudes, durch dessen Bauführung die verschiedene Höhe der beiden benachbarten Gebäude entstanden ist, gegeben sind.
5) Dem Hinweis der Revision, dass es auch andere, vor dem Gebäude der Beklagten errichtete Gebäude bzw Gebäudeteile gäbe, die höher seien als der hier maßgebliche Gebäudeteil der Klägerin, ist entgegenzuhalten, dass sich der Auftrag der Baubehörde ganz konkret auf die Schutzbedürftigkeit bestimmter betroffener Wohnungen des Gebäudes der Beklagten bezogen hat. Ob und inwieweit ein vergleichbarer Schutz auch für Wohnungen anderer Gebäude erforderlich wäre, ist - schon deshalb, weil dies nicht nur von der Höhe der Gebäude abhängt - nicht konkret ersichtlich. Der vorliegende, die Haftung der Beklagten begründende Bescheid bezieht sich jedenfalls ausschließlich auf das Verhältnis der Gebäude der Streitteile bzw auf den Schutz bestimmter betroffener Wohnungen.
6) Zu 7 Ob 140/10d hat der Oberste Gerichtshof die Rechtsauffassung vertreten, dass die Verjährungsfrist betreffend den hier zu beurteilenden Ersatzanspruch erst zu laufen beginnt, wenn die Zahlungspflicht des Eigentümers der schutzbedürftigen Baulichkeit „unverrückbar“ feststeht; bestehen Ungewissheiten über die Voraussetzungen für die Zahlungsverpflichtung, kommt es auf den Ausgang eines Verwaltungsverfahrens an, weil erst dann ausreichend sichere Informationen für eine Klage verfügbar sind. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass auch hier - wie im Fall der Entscheidung 7 Ob 140/10d - schon aufgrund des beiderseitigen Vorbringens klar ist, dass der Schaden erst mit dem Ausgang des Verwaltungsverfahrens „unverrückbar“ feststand, ist daher alles andere als unvertretbar.
7) Die Revisionswerberin zeigt daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Ihr Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.
8) Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen. Sie hat daher die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen (RIS-Justiz RS0035979).
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