OGH 12Os172/11b

OGH12Os172/11b20.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen David P***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 15 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Samir B***** sowie die Berufungen des Angeklagten Oktay K***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Jugendschöffengericht vom 17. August 2011, GZ 15 Hv 40/11t-83, sowie über die Beschwerden der Angeklagten Samir B***** und Oktay K***** in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, teils aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem die Angeklagten David P*****, Samir B*****, Oktay K*****, Fatmir Z*****, Atif Ka*****, Emrah Y***** und Ramazan U***** betreffenden Schuldspruch A./I./B./III./ in der Annahme der Qualifikation des § 143 zweiter Fall StGB, demzufolge auch die Strafaussprüche, einschließlich des die Angeklagten Samir B*****, Oktay K***** und Fatmir Z***** betreffenden Beschlusses gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO sowie der David P***** und Emrah Y***** betreffende Beschluss nach §§ „50f“ StGB aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Wels zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird im Übrigen zurückgewiesen.

Die Angeklagten Samir B***** und Oktay K***** sowie die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen, die genannten Angeklagten auch mit den Beschwerden hierauf verwiesen.

Dem Angeklagten Samir B***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch in Rechtskraft erwachsene Schuld- und Freisprüche der Angeklagten enthaltenden - Urteil wurden der Angeklagte Samir B***** der Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 15 Abs 1 StGB (A./I./A./) sowie des schweren Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A./I./B./I./ bis III./) und - soweit hier von Relevanz - die Angeklagten David P*****, Oktay K*****, Fatmir Z*****, Atif Ka*****, Emrah Y***** und Ramazan U***** ebenfalls - unter anderem - je der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, teils als Bestimmungs-, teils als Beitragstäter nach § 12 zweiter bzw dritter Fall StGB (A./I./B./I./ bis III./) schuldig erkannt.

Danach haben - soweit hier von Relevanz -

A./I./B./ anderen durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abzunötigen versucht, und zwar

„I./ Anfang Jänner 2011 in G***** David P*****, Samir B*****, Oktay K*****, Fatmir Z*****, Atif Ka***** und Emrah Y***** Angestellten des Wettbüros 'I*****' dadurch, dass David P***** und Samir B***** als unmittelbare Täter gegen den Betreiber eine Gaspistole richten wollten, wobei es lediglich aufgrund des Umstands, dass sich zu viele Personen im Lokal befanden, beim Versuch blieb, wobei Oktay K***** die unmittelbaren Täter zur Tatausführung bestimmte und Fatmir Z***** durch Chauffeurdienste, Emrah Y***** durch die Zurverfügungstellung einer Waffe und Atif Ka***** durch die Zurverfügungstellung des Pkw zur Tatausführung beitrugen;

II./ am Tag nach dem Faktum A./I./B./I./ in G***** David P*****, Samir B*****, Oktay K*****, Fatmir Z***** und Emrah Y***** Angestellte des Wettlokals 'I*****' dadurch, dass David P***** und Samir B***** als unmittelbare Täter gegen den Betreiber eine Gaspistole richten wollten, wobei es lediglich aufgrund des Umstands, dass sich zu viele Personen im Lokal befanden sowie wegen der mutmaßlichen Entdeckung des Samir B***** durch den Besitzer beim Versuch blieb, wobei Oktay K***** die unmittelbaren Täter zur Tatausführung bestimmte, Fatmir Z***** jedenfalls durch das Leisten von Chauffeurdiensten und Emrah Y***** durch die Zurverfügungstellung der Waffe zur Tatausführung beitrugen;

III./ im Jänner 2011 in T***** David P*****, Samir B*****, Oktay K*****, Fatmir Z*****, Atif Ka*****, Emrah Y***** und Ramazan U***** dadurch, dass David P***** und Samir B***** als unmittelbare Täter gegen den Bediensteten des dortigen Bahnhofs eine Gaspistole richten wollten, wobei die Tat lediglich aufgrund des Umstands, dass sich keine Person mehr im Bahnhof befand, beim Versuch blieb, wobei Oktay K***** jedenfalls in seiner Funktion als Kopf der Gruppe bestärkend am Tatort auftrat, Fatmir Z***** und Ramazan U***** jedenfalls durch das Leisten von Chauffeurdiensten und Emrah Y***** durch die Zurverfügungstellung der Waffe zur Tatausführung beitrugen.“

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 StPO Z 5, 9 lit a und 9 lit b gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Samir B*****.

Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu A./I./B./III./ hinsichtlich der Verwendung einer Waffe eine Unvollständigkeit der Begründung auf. Der Sechstangeklagte Emrah Y***** gab nämlich an, bei diesem Raubüberfall die Gaspistole nicht zur Verfügung gestellt zu haben, sie sei vielmehr bei seiner Mutter zu Hause „eingesperrt“ gewesen (ON 82 S 26, 28; ON 103a in ON 44 S 5). Das Erstgericht begründet die Konstatierung, der Sechstangeklagte habe entweder dem Erst- oder dem Zweitangeklagten die geladene Gaspistole, mit der ein Angestellter angeschossen werden sollte, übergeben (US 14), ausschließlich mit den der leugnenden Einlassung des Zweitangeklagten zuwiderlaufenden Angaben der Mittäter (US 20) und übergeht die - dem entgegenstehende - Verantwortung des Angeklagten Emrah Y***** mit Stillschweigen.

Dieser vom Angeklagten Samir B***** aufgezeigte, Nichtigkeit des Schuldspruchs A./I./B./III./ in Ansehung der Verwendung einer Waffe bewirkende Begründungsmangel war von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO) auch zu Gunsten der Angeklagten David P*****, Oktay K*****, Fatmir Z*****, Atif Ka*****, Emrah Y***** und Ramazan U*****, die eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergriffen haben, wahrzunehmen.

Das weitere Vorbringen des Nichtigkeitswerbers zur Annahme der Waffenqualifikation bei diesem Schuldspruch bedarf somit keiner Erörterung.

Im Übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Samir B***** aber keine Berechtigung zu:

Als undeutlich erachtet der Beschwerdeführer die den Schuldspruch A./I./B./II./ betreffenden Feststellungen, wonach die geladene Gaspistole vom Sechstangeklagten „entweder an den Erst- oder an den Zweitangeklagten“ ausgefolgt worden sei, und die diesbezügliche Begründung. Eine Nichtigkeit begründende Undeutlichkeit ist jedoch nur gegeben, wenn nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder aus welchen konkreten Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS-Justiz RS0099425; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419). Das Gericht hat ausdrücklich die beabsichtigte Verwendung einer Gaspistole, die dem Betreiber des Wettbüros durch die unmittelbaren Täter vorgehalten werden sollte, festgestellt (US 13 f) und sich dabei auf die Angaben der Mittäter gestützt (US 20). Eine Nichtigkeit bewirkende Undeutlichkeit liegt somit nicht vor.

Weiters kritisiert der Nichtigkeitswerber diese Begründung auch als offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) und führt aus, dass die Angaben der Mitangeklagten kein schlüssiges Bild betreffend das Mitführen der Gaspistole ergeben würden, weil der Viertangeklagte angegeben habe, der Beschwerdeführer habe „entweder ein Messer oder die Pistole“ gehabt, und der Fünftangeklagte ausgesagt habe, der Beschwerdeführer habe die Waffe nicht gehabt. Auf diese Aussagen hatte das Gericht jedoch nicht einzugehen, weil die Art der Waffe nicht entscheidungswesentlich ist (RIS-Justiz RS0106268, RS0117264; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399) und die Aussage des Angeklagten Atif Ka***** den getroffenen Feststellungen, die Waffe sei dem Erst- oder Zweitangeklagten übergeben worden (US 13), nicht entgegensteht. Im Ergebnis kritisiert der Beschwerdeführer bloß die Beweiswürdigung des Kollegialgerichts, ohne ein Begründungsdefizit iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufzuzeigen.

Der weitere Einwand einer unzureichenden Begründung der subjektiven Tatseite geht gleichfalls fehl, zumal der kritisierte Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zu Grunde liegendes Wollen oder Wissen aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit ohne weiters rechtsstaatlich vertretbar und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch nicht zu ersetzen ist (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt mit der Behauptung, die subjektive Tatseite sei bloß mit den verba legalia konstatiert worden, mangels Konkretisierung der vermissten Feststellungen die prozessförmige Ausführung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584).

Nicht an den getroffenen Feststellungen hält die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) fest, indem sie unsubstantiiert Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch behauptet, die Konstatierungen, wonach die Angeklagten aufgrund der im Lokal anwesenden Personen (A./I./B./I./ und II./) bzw weil der Beschwerdeführer vom Besitzer des Lokals erkannt werden könnte (A./I./B./II./), von der Tatausführung abließen, jedoch übergeht (US 13; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584, 593).

Soweit die ohne Einschränkung angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde auch die Schuldsprüche A./I./A./ wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 15 Abs 1 StGB bzw die schriftliche Rechtsmittelausführung auch die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 10 und 11 StPO (ON 94 S 2) umfasst, blieb sie mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§ 285a Z 2 StPO).

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde somit bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) zurückzuweisen.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, war teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, teils aus deren Anlass in seinem die Angeklagten David P*****, Samir B*****, Oktay K*****, Fatmir Z*****, Atif Ka***** und Ramazan U***** betreffenden Schuldspruch A./I./B./III./ in Bezug auf die Verwendung einer Waffe und damit in der Annahme der Qualifikation des § 143 zweiter Fall StGB, demgemäß auch die Strafaussprüche und die darauf basierenden im Spruch genannten Beschlüsse schon bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Wels zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung zu verweisen (§ 285e StPO).

Die Angeklagten Samir B***** und Oktay K***** sowie die Staatsanwaltschaft waren mit ihren Berufungen, diese Angeklagten auch mit den Beschwerden hierauf zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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