OGH 4Ob194/11z

OGH4Ob194/11z20.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. E***** G*****, vertreten durch Dr. Bernhard Birek, Rechtsanwalt in Schlüßlberg, gegen die beklagte Partei Mag. G***** G*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Mag. Norbert Marschall, Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterhalt, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 28. Juli 2011, GZ 45 R 153/11z-46, womit das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 13. Jänner 2011, GZ 6 C 36/09v-38, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 556,99 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 92,83 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die in aufrechter Ehe verheirateten Streitteile bewohnten bis Dezember 2009 die von der Beklagten in die Ehe eingebrachte Mietwohnung mit der gemeinsamen, am 10. 5. 2001 geborenen Tochter. Am 1. 3. 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, eine außereheliche Beziehung eingegangen zu sein. Seither sprachen die Streitteile über Scheidung.

Nicht festgestellt werden konnte, dass die Parteien vereinbart hätten, dass der Kläger im Gegenzug für die Übernahme eines von ihm aufgenommenen Kredits durch die Beklagte auf Unterhalt verzichtete. Ebenso wenig konnte eine Vereinbarung der Streitteile festgestellt werden, dass die Beklagte den Kindesunterhalt zur Alleinzahlung übernehme, den Kläger daraus schad- und klaglos halte und er im Gegenzug dafür auf Ehegatten-Unterhalt verzichte.

Die Kinderbetreuung teilten sich die Parteien im Verhältnis 50:50. Da der Kläger das gemeinsame Wohnen mit der Beklagten für unzumutbar erachtete, ließ er sich die gesonderte Wohnungsnahme gemäß § 92 Abs 3 ABGB bewilligen (rechtskräftiger Beschluss vom 18. 12. 2009) und zog Anfang Jänner 2010 in eine eigene Wohnung. Bereits im April 2008 übernahm die Beklagte im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zusätzliche Aufgaben, sodass sie unter der Woche kaum Zeit für Haushaltsführung und Kinderbetreuung hatte. Unter der Woche führte daher der Kläger hauptsächlich den ehelichen Haushalt, in dem er das Frühstück für sich und die Tochter zubereitete, die Einkäufe des täglichen Lebens vornahm, das Kind in den Kindergarten/die Schule brachte und zumindest an drei Tagen pro Woche das Kind vom Kindergarten oder der Schule auch wieder abholte und am Abend das Abendessen zubereitete. Am Wochenende erledigte dann die Beklagte Einkäufe, wobei sie auch das Kochen übernahm. Die sonstigen Haushaltsarbeiten teilten sich die Streitteile. Die Kosten für die Haushaltshilfe übernahm der Kläger bis Herbst 2009 allein. Auch seit März 2009 teilten sich die Streitteile die Kinderbetreuung im Verhältnis 50:50. Auch die Urlaubskosten teilten sie 50:50. Seit April 2009 fanden keine gemeinsamen Aktivitäten der Streitteile mit ihrer Tochter mehr statt. Der Kläger kaufte während seiner Betreuungszeit ein und kochte für sich und die Tochter, die Beklagte tat dies, wenn sie die Tochter betreute. Beiden Streitteilen steht weiterhin die gemeinsame Obsorge zu. Weder der Kläger noch die Beklagte wurden zu Unterhaltsleistungen für die Tochter verpflichtet.

Solange der Kläger mit der Tochter (bis Dezember 2009) im gemeinsamen Haushalt lebte, kümmerte er sich um sie, betreute und versorgte sie und erbrachte seine Unterhaltsleistung daher naturaliter. Ab Jänner 2010 betreute er das Kind ausschließlich in seiner Wohnung im Ausmaß von 50 % der Betreuungszeit. Geldunterhalt verlangte die Tochter (die Beklagte) bislang nicht, weshalb es auch keine gerichtliche Festsetzung gab. Die Beklagte leistete laufende Zahlungen für Schulgeld, Hort und Tagesbetreuung sowie für die Musikschule. Bekleidungskosten bestritt die Beklagte zumeist aus ihren finanziellen Mitteln. Im Gegenzug kümmerte sich der Kläger um die laufenden Kosten für Lebensmittel und Verpflegung für die Tochter. Die Familienbeihilfe bezieht die Beklagte. Urlaube und sonstige Freizeitaktivitäten, die der Kläger mit der Tochter unternahm, bezahlte er. Die Beklagte wollte, soweit sie für die Betreuung der Tochter Geld leistete, keine den Kläger treffende Unterhaltsverpflichtung für diesen übernehmen, sondern handelte einfach entsprechend der zwischen den Parteien seit der Geburt der Tochter gelebten Übung.

Der Kläger ist seit Jahren Vertragsbediensteter des Bundes und bezog im Jahr 2009 ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von 4.135,08 EUR. Er ist nicht nur für die Tochter der Streitteile, sondern auch für einen 20jährigen Sohn aus einer Vorehe unterhaltspflichtig, für den er 609 EUR Unterhalt im Monat bezahlt. Wie sich das Einkommen des Klägers im Jahr 2010 entwickelt hat, konnte mangels Dienstgeberauskunft nicht festgestellt werden.

Die Beklagte erzielte im Jahr 2009 ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von 8.782,88 EUR, für die ersten 8 Monate des Jahres 2010 erzielte sie ein monatliches Nettoeinkommen von 10.167,73 EUR. Berücksichtigt man für die Monate September bis Dezember 2010 ein niedrigeres Einkommen, ergibt sich für das Jahr 2010 insgesamt ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von 8.940,50 EUR.

Der Kläger begehrte für den Zeitraum April bis Dezember 2009 von der Beklagten monatlich einen Unterhalt von 600 EUR, ab 1. 1. 2010 900 EUR.

Die Beklagte wendete ein, in höherem Ausmaß als der Kläger Beiträge zur Haushaltsführung zu leisten, für bestimmte Aufwendungen zur Gänze aufzukommen und überdies mit der Rückzahlung für gemeinsam aufgenommene Kredite belastet zu sein. Überdies leiste sie anstelle des Klägers Unterhalt für die gemeinsame Tochter, welche Aufwendungen sie aus dem Titel des Verwendungsanspruchs aufrechnungsweise geltend mache.

Das Erstgericht gab dem Unterhaltsbegehren für den Zeitraum 1. 4. bis 31. 12. 2009 lediglich im Ausmaß von 45 EUR monatlich und ab 1. 1. 2010 in Höhe von 515 EUR pro Monat statt. Die eingewendete Gegenforderung erachtete es als nicht zu Recht bestehend und verpflichtete demgemäß die Beklagte zur Leistung monatlicher Unterhaltsbeiträge von 45 EUR sA für den Zeitraum 1. 4. bis 31. 12. 2009 und von 515 EUR sA ab 1. 1. 2010. Es ermittelte das sich aus den monatlichen durchschnittlichen Nettoeinkommen der Streitteile ergebende Familieneinkommen und die sich sodann unter Berücksichtigung der Sorgepflicht der Beklagten nach der Prozentwertmethode (36 % des Familieneinkommens abzüglich des Eigeneinkommens des unterhaltsberechtigten Klägers) ergebende Alimentationspflicht der Beklagten. Es rechnete den von der Beklagten für den Kläger erbrachten Naturalunterhalt ebenso an wie den vom Kläger geleisteten Naturalunterhalt. Ab Jänner 2010 stehe dem Kläger der volle Ehegattenunterhalt zu. Die Gegenforderung bestehe nicht zu Recht, weil für die Dauer des gemeinsamen Haushalts bis Dezember 2009 kein Geldunterhalt zugestanden sei, ab Jänner 2010 sich die Streitteile die Kinderbetreuung aber 50 : 50 geteilt hätten. Dass die Beklagte tatsächlich den Kläger treffende Unterhaltsverpflichtungen für die gemeinsame Tochter übernommen hätte, habe nicht festgestellt werden können.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach - nach Abänderungsantrag der Beklagten - nachträglich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil sich das Berufungsgericht bei der Festsetzung des laufenden Unterhaltsanspruchs ab Jänner 2010 an den Einkommen der Streitteile für das Jahr 2009 orientiert habe. Insoweit sei von der Rechtsprechung - wenn auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - abgegangen worden, wonach bei der Bemessung des Unterhalts vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen in dem der Entscheidung unmittelbar vorangehenden Bezugszeitraum auszugehen sei. Im Übrigen verneinte das Berufungsgericht das Vorliegen von Verfahrensmängeln und übernahm die erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen. Von diesen ausgehend ginge die Rechtsrüge der Beklagten ins Leere.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Unterhaltsklage anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Wenn die Revisionswerberin ihren Rechtsausführungen unterstellt, sie habe die über etwa gleichwertige Betreuungsleistungen der Streitteile hinausgehenden finanziellen Bedürfnisse der Tochter allein befriedigt und aufgrund dieser Zahlungen einen Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB gegenüber dem geldunterhaltspflichtigen Kläger, lässt sie die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen über die Tragung der die gemeinsame Tochter betreffenden Aufwendungen teilweise außer Acht. Die Streitteile haben nicht nur die Betreuung und Verpflegung der Tochter im Verhältnis 50:50 aufgeteilt und damit auch die mit der persönlichen Obsorge unmittelbar zusammenhängenden Aufwendungen, sondern auch die darüber hinaus zu leistenden Aufwendungen, die insgesamt die Unterhaltsleistung ausmachen. Diese Aufteilungsvereinbarung umfasst etwa auch den Umstand, dass die Beklagte allein die Familienbeihilfe bezog. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Beklagte eine aufgrund ungleicher Lastenverteilung entstehende Unterhaltsverpflichtung des Klägers an seiner Stelle erfüllte, was Ersatzansprüche auslöste. Auf die von der Behauptungs- und Beweislast des in Anspruch genommenen Klägers umfasste Feststellung des fehlenden „animus obligandi“ (RIS-Justiz RS0019948, RS0019968, RS0019915) kommt es somit nicht an. Im hier zu beurteilenden Fall fehlen schon die tatsächlichen Voraussetzungen einer den Kläger treffenden Geldunterhaltspflicht für die Tochter.

2. Bei der Unterhaltsbemessung für die Zukunft ist immer maßgebend, ob das in der Vergangenheit erzielte Einkommen darauf schließen lässt, dass der Unterhaltspflichtige auch weiterhin ein Einkommen in ähnlicher Höhe erzielen werde (4 Ob 203/07t). Muss jedoch für konkrete vergangene Zeitabschnitte geprüft werden, ob das Einkommen des Unterhaltspflichtigen einer Unterhaltsverpflichtung entsprochen hat, dann ist die tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners genau für diese Perioden zu ermitteln (1 Ob 549/95 uva; RIS-Justiz RS0053251 [T3]). Es ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls Rücksicht zu nehmen (4 Ob 229/10w), weshalb die für die Unterhaltsbemessung herangezogenen Beobachtungszeiträume (hier sowohl betreffend das Einkommen der unterhaltspflichtigen Beklagten als auch des unterhaltsberechtigten Klägers) von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig zu machen sind.

Die von der Revisionswerberin angegriffene Unterhaltsbemessung der Vorinstanzen bildet aber keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Infolge (teilweiser) Erhebungsschwierigkeiten griffen sowohl Erst- als auch Berufungsgericht auf kongruente Vergleichszeiträume (das Jahr 2009) zurück, um die ab 1. 1. 2010 zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (November 2010) zu ermittelnde Unterhaltspflicht zu errechnen. Das widerspricht zwar der Rechtsprechung, wonach bei der Bemessung des Unterhalts vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen in dem der Entscheidung unmittelbar vorangehenden Bezugszeiträumen auszugehen ist (RIS-Justiz RS0047509), es wären daher die Einkommen beider Streitteile für 2010 festzustellen gewesen.

Dass die Heranziehung des im Jahr 2010 jeweils erzielten Einkommens eine wesentliche Änderung der Einkommensrelation und damit der Unterhaltspflicht der Beklagten ergeben hätte, ist aber nicht zu erkennen. Für die Beklagte wurde für 2010 eine geringfügige Erhöhung des durchschnittlichen monatlichen Monatseinkommens ermittelt. Im Hinblick auf seine Tätigkeit als Vertragsbediensteter für den Bund ist auch für den Kläger eine wesentliche Änderung im Hinblick auf die notorisch bloß geringfügigen Gehaltssteigerungen nicht anzunehmen. Die Revisionswerberin geht selbst davon aus, dass beim Kläger keine schwankenden Einkommensverhältnisse bestünden.

Da die Beklagte sohin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermochte, war ihre Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO; der Kläger wies auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hin.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte