Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann W***** vom Vorwurf freigesprochen, er habe im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Oststeiermark unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs-oder Wahrheitspflicht Abgabenverkürzungen bewirkt, indem Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 2 Abs 3 Z 4 EStG), und zwar Vorteile, die er sich im Rahmen der durch sein Dienstverhältnis zur B***** AG (vormals Ö***** AG) gebotenen Gelegenheit verschaffte, gegenüber dem Finanzamt Oststeiermark nicht offenlegte, sodass die bescheidmäßig festzusetzende Einkommensteuer infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruchs mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist nicht festgesetzt werden konnte, und zwar
im Jahr 2005 12.874,97 Euro,
im Jahr 2006 25.913,80 Euro,
im Jahr 2007 30.850,58 Euro und
im Jahr 2008 17.387,33 Euro.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Staatsanwaltschaft aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Den Feststellungen zufolge war der Angeklagte von 1985 bis Ende 2008 Leiter der Filiale ***** der B***** AG (vormals Ö***** AG). Mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz behob er von Sparbüchern verschiedener Kunden Geld und eignete sich auch ihm anvertrautes Geld zu, wie im Urteil näher dargelegt, wobei er jeweils die ihm durch sein Dienstverhältnis gebotene Gelegenheit ausnützte. Wie die Tatrichter konstatierten, legte der Angeklagte diese „aus strafbaren Handlungen stammenden Bezüge bzw Vorteile aus seinem Dienstverhältnis“ dem Finanzamt nicht offen.
Johann W***** war - wie das Erstgericht ausführte, auch wenn es in der rechtlichen Beurteilung gerade nicht von Steuerpflicht des Angeklagten hinsichtlich der „deliktischen Geldbeschaffung“ ausging - „nicht bekannt, eine Einkommensteuererklärung durchführen zu müssen“. Er handelte „keinesfalls mit dem Vorsatz“, Abgaben zu hinterziehen (US 2 bis 4).
Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich gegen diese Feststellungen zur inneren Tatseite.
Die Staatsanwaltschaft reklamiert zunächst, das Erstgericht habe sich nicht mit „einander widersprechenden Angaben des Angeklagten“ auseinandergesetzt (Z 5 zweiter Fall). Sie führt jedoch Angaben des Johann W***** bei seiner Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren mit einem entscheidend anderen als dem protokollierten Wortlaut ins Treffen: Während die Nichtigkeitsbeschwerde von einer Verantwortung ausgeht, wonach dem Angeklagten „bewusst war“, dass er durch die unterlassene Offenlegung Steuern hinterzogen hatte (was Tatzeitbezug haben könnte), gab Johann W***** tatsächlich an, dass ihm bewusst sei, Steuern hinterzogen zu haben (ON 2 S 49). Demnach bedurfte diese auf den Zeitpunkt der Vernehmung bezogene Angabe des Genannten über seinen Kenntnisstand keiner Erörterung im Urteil (RIS-Justiz RS0118316).
Inwiefern eine von der Staatsanwaltschaft vermisste erstgerichtliche Auseinandersetzung mit der zu Beginn jener Vernehmung des Johann W***** protokollierten Mitteilung des Tatverdachts und Belehrung über ihm als Beschuldigter zukommende Rechte (ON 2 S 47) für die kritisierten Feststellungen zur inneren Tatseite von Bedeutung sein konnte (vgl RIS-Justiz RS0116877), ist nicht zu ersehen. Von Unvollständigkeit der Beweiswürdigung (Z 5 zweiter Fall) kann daher auch insoweit keine Rede sein.
Der weiters eingewendete Begründungsmangel der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) wird ersichtlich in der Beschwerde missverstanden. Er liegt dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (vgl RIS-Justiz RS0099431; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467). Ein solcher Fehler des Erstgerichts wird gar nicht geltend gemacht.
Indem die Staatsanwaltschaft mit der Rechtsrüge (Z 9 lit a) einen Freispruch des Angeklagten nach § 214 FinStrG anstrebt, verkennt sie, dass der vom Erstgericht entgegen dieser Bestimmung nach § 259 Z 3 StPO gefällte Freispruch gleichwohl nur die einem rechtsrichtigen Vorgehen zukommenden Rechtswirkungen entfaltet. Schon deshalb steht die Nichtigkeitsbeschwerde dagegen nicht zu. Dazu kommt, dass der Ausspruch nach dem Prüfungskriterium der Z 9 lit a, ob nämlich „die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe“, ohnehin nicht zu beanstanden ist (vgl RIS-Justiz RS0120367; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 627 mwN).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Anzumerken bleibt im Hinblick auf die vom Erstgericht - neben der (durch die Staatsanwaltschaft vergeblich gerügten) Verneinung eines auf Verkürzung gerichteten Willens des Angeklagten - ohne Befassung mit bestehender Rechtsprechung vertretene Ansicht vom Fehlen einer Steuerpflicht in Betreff krimineller Geldbeschaffung unter Ausnützung einer dem Täter durch seine Berufstätigkeit gebotenen Gelegenheit (US 5):
Die Erhebung einer Abgabe wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Verhalten (ein Handeln oder ein Unterlassen), das den abgabepflichtigen Tatbestand erfüllt oder einen Teil des abgabepflichtigen Tatbestands bildet, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (§ 23 Abs 2 BAO).
Entscheidend für die Steuerpflicht ist, ob der zu beurteilende Sachverhalt seinem wirtschaftlichen Gehalt nach einen Tatbestand der Abgabengesetze erfüllt (11 Os 194/97, ÖstZB 1998, 840 = SSt 63/9; 14 Os 33/00, ÖstZB 2001/279, 396; 11 Os 23/04; 15 Os 64/04; 13 Os 124/10z; vgl zu Fällen wie dem vorliegenden VwGH 16. 1. 1991, 90/13/0285, 28. 5. 1998, 96/15/0114, 25. 2. 1997, 95/14/0112, und 26. 1. 1999, 94/14/0001, wonach zu den Vorteilen aus einem Dienstverhältnis iSd § 25 Abs 1 Z 1 EStG auch solche gehören, die sich ein Arbeitnehmer ohne Willensübereinstimmung mit dem Arbeitgeber aneignet, zB Bestechungsgelder oder Warendiebstähle; idS auch VwGH 4. 10. 1995, 95/15/0080, betreffend die vom Filialleiter einer Bank durch Untreue erlangten Gelder, sowie 26. 11. 2002, 99/15/0154, und 30. 6. 2005, 2002/15/0087, hinsichtlich der Beträge, die sich ein Gemeindesekretär und ein Landesbeamter durch Missbrauch der Amtsgewalt verschafft hatten; iglS Braunsteiner/Lattner in Wiesner/Grabner/Wanke [Hrsg], MSA EStG 10. GL § 25 Anm 10; krit zur Beurteilung als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit Doralt, RdW 2010, 308).
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