OGH 5Ob192/11p

OGH5Ob192/11p13.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache M***** P*****, geboren am 26. Oktober 1940, verstorben am 11. Dezember 2006, zuletzt *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des P***** P***** sen, *****, vertreten durch Mag. Karlheinz Amann, Rechtsanwalt in Wien, unter Beteiligung des P***** P***** jun, *****, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in Wien und des F***** P*****, vertreten durch Dr. Thomas Rohracher, Rechtsanwalt in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des P***** P***** sen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. August 2011, GZ 44 R 277/11b-126, womit über Rekurs des P***** P***** sen der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 7. März 2011, GZ 52 A 10/08h-116, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies die jeweils aufgrund des Gesetzes zur Hälfte des Nachlasses abgegebenen Erbantrittserklärungen der erblichen Brüder P***** P*****, geboren 11. 9. 1938 (in der Folge: P***** P***** sen), und des F***** P*****, geboren am 22. 3. 1928, ab und stellte das Erbrecht des erblichen Neffen P***** P*****, geboren am 21. 9. 1956 (in der Folge: P***** P***** jun), zum gesamten Nachlass aufgrund des Testaments vom 15. 4. 2006 fest.

Dem lag ein handschriftliches, mit 15. 4. 2006 datiertes Testament zugrunde. Dieses enthält mehrere Einfügungen und hat insgesamt folgenden Wortlaut:

„LETZWILLIGE VERFÜGUNG MEIN PRIVAT TESTAMENT

Ich, Privater M***** P*****, geb. 26. 10. 1940 in P*****, wohnhaft in *****, bestimme hiermit (bei meinem ableben) als meinen letzten Willen - letztwillig:

Mein Erbe soll mein Neffe P***** P*****, geb. am im P***** wohnhaft derzeit in ***** sein.

Wien, am 15. 4. 2006 M***** P*****

***** - 9 00 Uhr“

Unterhalb dieses Textes findet sich die - mit einem „X“ nach dem Wort „Erbe“ markierte - Einfügung: „von den Wertpapieren“. Darunter folgt der Text:

„ausgeschlossen aus der Erbschaft ist jedoch mein Bruder P***** P*****, geb am 1938! wohnhaft ???

Die verteilung der Erbschaft an die anderen Verwandten obliegt lediglich meinem Neffen P***** P***** (geb am. ).“

Aufgrund dieser letztwilligen Verfügung gab der erbliche Neffe P***** P***** jun zum gesamten Nachlass die bedingte Erbserklärung ab. P***** P***** sen und F***** P*****, die Brüder des Erblassers gaben aufgrund des Gesetzes Erbantrittserklärungen jeweils zur Hälfte des Nachlasses ab.

Eine außerstreitige Einigung zwischen den Brüdern und den Neffen des Erblassers war nicht möglich, weshalb der Akt gemäß § 160 AußStrG vom Gerichtskommissär dem Erstgericht zur Entscheidung über das Erbrecht vorgelegt wurde (ON 17).

P***** P***** sen brachte vor, die vorgelegte letztwillige Verfügung stamme nicht, jedenfalls nicht zur Gänze vom Verstorbenen, sie sei nur ein Entwurf, teilweise seien Buchstaben eingefügt worden, der Erblasser habe im vermutlich alkoholisierten Zustand nur mit „MP“ unterschrieben und beziehe sich die letztwillige Verfügung überhaupt nur auf Wertpapiere und sei insofern ein Legat.

F***** P***** vertrat die Ansicht, dass die letztwillige Verfügung zweifelsfrei vom Erblasser stamme, dass der Erblasser seinen Bruder P***** P***** sen von der Erbfolge habe ausschließen wollen und P***** P***** jun zum Alleinerben habe einsetzen wollen.

Das Erstgericht traf dazu folgende Feststellungen:

Der Erblasser M***** P***** war schon mehrere Monate vor seinem Tod schwer krank und entschloss sich daher etwa zu Beginn des Jahres 2006, ein Testament zu errichten. Im Vorfeld holte er in seinem Stammlokal bei Gesprächen mit Bekannten und Freunden Ratschläge ein, wie man ein Testament errichten sollte. Er gab dabei nicht bekannt, welche konkrete Person er letztwillig begünstigen wollte. Bei diesen Gesprächen war der Erblasser, der sonst dem Alkohol nicht abgeneigt war, immer in nüchternem Zustand. Bei anderen Gelegenheiten erzählte der Erblasser seinen Freunden, dass er seinen Neffen P***** P***** jun und dessen Kinder letztwillig begünstigen wolle und dass sein Bruder P***** P***** sen nach seinem Tod jedenfalls nichts bekommen solle.

Nach den Ratschlägen seiner Bekannten setzte der Erblasser - auf der Rückseite eines Schreibens des ÖAMTC - mit Kugelschreiber die oben zitierte letztwillige Verfügung auf. Sie wurde zunächst nicht datiert und vom Erblasser nur mit seinen Initialen „MP“ unterzeichnet. Erst zu einem späteren Zeitpunkt fügte der Erblasser mit einem anderen Kugelschreiber das Datum 15. 4. 2006 ein und ergänzte die Anfangsbuchstaben seines Namens.

Dieses Testament fand einige Zeit nach dem Tod des Erblassers dessen Bruder F***** P***** und übergab es dem Gerichtskommissär.

Diese Feststellungen gründete das Erstgericht auf eine umfangreiche Beweiswürdigung und folgerte rechtlich daraus die Gültigkeit der vorgelegten letztwilligen Verfügung des Erblassers. Es sei erwiesen, dass der Erblasser eine letztwillige Verfügung habe treffen wollen und es bestünde kein Zweifel an der Identität des Erblassers mit dem Verfasser der letztwilligen Verfügung.

In rechtlicher Hinsicht sei die Verfügung, die eine Erbseinsetzung enthalte, zufolge § 553 ABGB ein Testament und kein Vermächtnis. Die vom Erblasser nach dem Wort „Erbe“ vorgenommene Einschränkung „von Wertpapieren“ sei - im Gegensatz zur eigentlichen Erbseinsetzung des P***** P***** jun - nicht von der Unterschrift des Erblassers gedeckt und damit unbeachtlich. Im Übrigen stellten die Wertpapiere ohnedies den weitaus überwiegenden Teil des Nachlasses dar. P***** P***** jun sei daher testamentarisch zum Alleinerben berufen.

Dem dagegen vom erblichen Bruder P***** P***** sen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Es verneinte die im Rekurs angezogene Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, die darin gelegen sein sollte, dass das Erstgericht keinen weiteren Schriftsachverständigen beigezogen habe. Im Ergebnis dieser Ausführungen pflichtete das Rekursgericht dem Erstgericht darin bei, dass das eingeholte Gutachten klar und schlüssig sei.

In Erledigung der Beweisrüge führte das Rekursgericht aus:

„Das Erstgericht hat sich im Rahmen einer umfangreichen Beweiswürdigung im Detail mit den einzelnen Beweisergebnissen auseinandergesetzt und völlig schlüssig darzulegen vermocht, weshalb die jeweiligen, rechtlich relevanten Feststellungen zu treffen oder nicht zu treffen waren. Um eine Beweisrüge im Sinn der ständigen Rechtsprechung 'gesetzmäßig' auszuführen, hätte der Rechtsmittelwerber angeben müssen, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche anderslautende Feststellung begehrt wird, aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen diese begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre. Diesem Erfordernis entsprechen die Ausführungen unter dem Grund der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung nicht, sodass hierauf vom Rekursgericht nicht einzugehen ist.“

In rechtlicher Hinsicht teilte das Rekursgericht die Ansicht des Erstgerichts, dass eine eigenhändige letztwillige und gültige Verfügung des Erblassers vorliege, mit der dieser P***** P***** jun zum Alleinerben eingesetzt habe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des P***** P***** sen wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Feststellung des Erbrechts der erblichen Brüder P***** P***** sen und F***** P***** je zur Hälfte. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

P***** P***** jun beantragte in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den außerordentlichen Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

F***** P***** hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des P***** P***** sen erweist sich als zulässig und berechtigt.

Zwar ist auch im Außerstreitverfahren der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz (RIS-Justiz RS0006737; RS0007236), weshalb Fragen der Beweiswürdigung nicht überprüft werden können. Allerdings kann mit Revisionsrekurs geltend gemacht werden, dass das Rekursgericht an einem Verfahrensmangel leidet, der eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern geeignet war (§ 66 Abs 1 Z 2 AußStrG), wozu das Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung bei der Erledigung der Beweisrüge zu zählen ist (vgl ausführlich 4 Ob 91/10a mwN).

Die Begründungspflicht im Rahmen der Erledigung einer Beweisrüge darf nicht überspannt werden, weshalb eine Beweiswürdigung grundsätzlich überhaupt nur dann als anfechtbar betrachtet wird, wenn sich das Rechtsmittelgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hat (RIS-Justiz RS0043371). Dem ist die unrichtige Annahme einer nicht gesetzmäßig ausgeführten Beweisrüge sowie eine Scheinbegründung gleichzuhalten (4 Ob 104/07h SZ 2007/110).

Der nunmehrige Revisionsrekurswerber hat im Rekurs (ON 117) neben einer nicht mehr beachtlichen Mängelrüge umfangreiche Ausführungen zur Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung erstattet. Dies zu folgenden, überschriften- wie ausführungsmäßig gegliederten und insgesamt vier volle Textseiten ausmachenden Punkten:

Widersprüche zum Auffinden des Testaments;

Widersprüche zur Errichtung des Testaments;

zum Inhalt des Testaments;

zur Form des Testaments;

zum Zustand des Erblassers.

In den Ausführungen werden vermeintliche Widersprüche von Zeugenaussagen dargestellt und (mit Ausnahme der Tatumstände zum Auffinden des Testaments) daraus der Schluss gezogen, dass sich aus diesen Aussagen bestimmte maßgebliche Feststellungen gerade nicht ableiten ließen (hiebei ging es wesentlich darum, ob das Testament nur ein Entwurf sein sollte oder aber eine gewollte letztwillige Verfügung). Mehrfach wird in den Rekursausführungen klar gestellt, dass als Ergebnis der Beweisrüge die Feststellung angestrebt wird, der Erblasser habe mit dem vorliegenden Schriftstück nur den Entwurf einer letztwilligen Verfügung hergestellt.

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts liegt darin sehr wohl eine dem Gesetz entsprechende Rüge der Beweiswürdigung, deren Behandlung das Rekursgericht somit nicht verweigern durfte. Weil das Rekursgericht aber ausdrücklich eine Befassung mit der Beweisrüge ablehnte, weil diese nicht dem Gesetz entspreche, kann auch der Eingangssatz in der Erledigung derselben „... im Rahmen einer umfangreichen Beweiswürdigung im Detail mit den einzelnen Beweisergebnissen auseinandersetzte ...“ nur als Scheinbegründung gewertet werden.

Ohne dass derzeit auf die Rechtsrüge einzugehen wäre (und könnte), erweist sich der Revisionsrekurs schon aus dem Grund der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens als berechtigt.

Das Rekursgericht wird im fortgesetzten Verfahren eine Auseinandersetzung mit der im Rekurs ON 117 enthaltenen Beweisrüge nachzutragen haben. Erst dann steht mängelfrei ein rechtlich zu beurteilender Sachverhalt fest.

Eine Aufhebung war daher unumgänglich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 1 AußStrG iVm § 185 AußStrG.

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