European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0020OB00220.10G.1129.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.189,44 EUR (darin 198,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Der Kläger war vom 21. 6. bis 22. 6. 2007 Gast im Hotel der beklagten Partei. Das Hotel verfügt über eine Garage mit 33 Abstellplätzen, von denen drei oder vier Plätze an Anrainer vermietet waren. Den Gästen wird kein spezieller Abstellplatz zugewiesen. Auf einer Internetplattform bot die beklagte Partei Zimmer mit Parkplatz „direkt am Hotel“ an, wobei der Parkplatz „gesichert“ sei. Aus diesem Grund buchte der Kläger ein Zimmer im Hotel der beklagten Partei. Der Garagenpreis war im Pauschalpreis inbegriffen.
Bei der Garageneinfahrt ist außen eine Kamera angebracht, über die von der Rezeption aus zwar Fahrzeuge, nicht aber auch deren Kennzeichen erkannt werden können. Das Innere der Garage wird nicht durch eine Videoanlage überwacht. Es gibt kein Kontrollsystem, mit dem überprüft werden könnte, ob sich fremde Personen in der Garage aufhalten. Die Garage ist prinzipiell den ganzen Tag verschlossen. Der Nachtportier kontrolliert jede Nacht, welche Autos in der Garage stehen. Aus diesem Grund müssen die Gäste, welche die Garage benützen wollen, an der Rezeption das Kennzeichen ihres Fahrzeugs bekanntgeben. Die Hotelgäste müssen eine außen angebrachte Glocke betätigen, um Einlass in die Garage zu erlangen; die Dauerparker haben eine Fernbedienung für das Garagentor.
In der Garage waren an der zur Hotelrezeption führenden Tür und auch noch an anderer Stelle Hinweisschilder angebracht, die (ua) folgenden Text enthielten:
„Für abgestellte Fahrzeuge und deren Inhalt wird vom Hotel […] keine Haftung übernommen. Bitte deponieren Sie Wertgegenstände an der Hotelrezeption.“
In den Hotelzimmern befanden sich an der Türinnenseite des Kleiderschranks Hinweisschilder mit (ua) folgendem Text:
„Für Wertgegenstände, Schmuck, größere Geldbeträge und Wertpapiere haften wir nur, wenn sie gegen Quittung bei der Hotelleitung deponiert werden.“
Als der Kläger, ein Berufsfotograf, am 21. 6. 2007 an der Hotelrezeption eincheckte und nach der Garage fragte, sagte er, dass er seine Fotoausrüstung im Auto habe und dass diese wertvoll sei. Daraufhin erklärte die Rezeptionistin, dass die Garage videoüberwacht sei, nur Hotelgäste hineinkommen würden und die Garage daher sicher sei.
Kurz nach Mitternacht stellte der Kläger seinen Pkw in der Garage der beklagten Partei ab. Er ließ seine professionelle, aus mehreren Kameras, Objektiven, Blitzgeräten und sonstigen Teilen bestehende Fotoausrüstung und einen Laptop im Kofferraum des Pkws zurück. Das Fahrzeug war mit dem Heck so nahe zur Wand abgestellt, dass man den Kofferraum nicht öffnen konnte. Der Kofferraum war von außen nicht einsehbar. Der Kläger versperrte das Fahrzeug und kontrollierte noch, ob es auch tatsächlich abgesperrt war.
Am nächsten Tag war das Fahrzeug unversperrt und der Kofferraum war bis auf ein Paar Schuhe leer. Ein oder mehrere Unbekannte(r) hatten die darin aufbewahrten Gegenstände gestohlen. Es ist nicht mehr feststellbar, wie der (die) Täter in das Fahrzeug des Klägers gelangte(n). Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Diebstahl weder von Mitarbeitern der beklagten Partei noch von im Haus aus- und eingehenden Personen verübt wurde.
Der Kläger begehrt den Ersatz seines mit 18.943,37 EUR sA bezifferten Schadens. Die beklagte Partei hafte nach den §§ 970 ff ABGB als Gastwirt und Verwahrer. Die gestohlenen Gegenstände seien ordnungsgemäß eingebracht gewesen. Der Kläger habe sich aufgrund der Äußerungen der Rezeptionistin darauf verlassen dürfen, dass die Verwahrung des Pkws samt Inhalt in der Hotelgarage sicher sei. Die beklagte Partei treffe ein schweres Organisationsverschulden, weil entgegen den Zusicherungen der beklagten Partei keine wirksame Zutrittskontrolle bestehe und mittels der bei der Garageneinfahrt montierten Videokamera nicht einmal die Identität der die Garage benützenden Personen überprüfbar sei. Der Haftungsausschluss sei ohne Wirkung.
Die beklagte Partei bestritt jegliche Haftung und wandte ein, der Kläger habe seine Wertgegenstände trotz entsprechender Anweisung nicht bei der Hotelleitung deponiert. Die gestohlenen Gegenstände seien daher nicht als „eingebracht“ anzusehen. Das alleinige Verschulden treffe den Kläger. Eine allfällige Haftung der beklagten Partei sei nach § 970a ABGB betraglich beschränkt.
Das Erstgericht entschied mit Zwischenurteil, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Dabei stützte es sich im Wesentlichen auf den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, der beklagten Partei sei der Beweis nicht gelungen, dass der Schaden weder vom Wirt noch seinen Leuten oder von im Hause aus- und eingehenden Personen verursacht worden sei. Die Haftung für eingestellte Fahrzeuge und die darauf (darin) befindlichen Sachen sei mit Ausnahme von Kostbarkeiten, Geld und Wertpapieren (§ 970a ABGB) betragsmäßig nicht beschränkt. Anschläge könnten gemäß § 970a ABGB nicht zum Vertragsinhalt gemacht werden, weshalb der Haftungsausschluss unwirksam sei. Den Kläger treffe kein Mitverschulden.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Es erörterte rechtlich, die beklagte Partei hafte als Gastwirt gemäß § 970 ABGB für die Gefahr des offenen Hauses bis zur Grenze der höheren Gewalt. Die gestohlenen Gegenstände seien als „eingebracht“ anzusehen. Der Kläger habe die Rezeptionistin darauf hingewiesen, dass er seine wertvolle Ausrüstung im Auto habe, worauf diese nur erklärt habe, die Garage sei ohnehin sicher. Unter diesen Umständen könne von einer Anweisung der beklagten Partei, die Fotoausrüstung im Hotelsafe aufbewahren zu lassen, trotz der Hinweisschilder keine Rede sein. Ein Mitverschulden des Klägers liege nicht vor, habe er sich doch auf die Auskunft der Rezeptionistin verlassen können.
Über Antrag der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte. Aus der Entscheidung 7 Ob 237/01f könnte abgeleitet werden, dass der Hotelgast bei „nicht üblichen Reiseaccessoires“ allenfalls doch durch Anschläge oder Informationsblätter zu einer bestimmten Art der Verwahrung verpflichtet werden könne. Hierzu liege keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor.
Rechtliche Beurteilung
Die von der beklagten Partei gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Weder in der Begründung des zweitinstanzlichen Zulassungsausspruchs noch im Rechtsmittel der beklagten Partei wird eine derartige Rechtsfrage dargetan:
1. Nach § 970 Abs 2 Satz 1 ABGB gelten als eingebrachte Sachen, für die der Gastwirt nach der Regelung des § 970 Abs 1 ABGB zu haften hat, solche, die dem Wirt oder einem seiner Leute übergeben oder an einen von diesen angewiesenen oder hierzu bestimmten Ort gebracht sind. Ein Pkw ist dann als „eingebracht“ anzusehen, wenn er vom Gast an eine vom Wirt oder von seinen Leuten bezeichnete Stelle gebracht worden ist, sofern dieser Platz in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gastgewerbebetrieb steht (SZ 45/88; SZ 51/158; 7 Ob 299/97i; RIS-Justiz RS0019231). Die Bestimmung als Aufbewahrungsort wird in der Regel durch Anbringung einer entsprechenden Aufschrift oder sonst durch die Verkehrsauffassung gegeben sein (SZ 56/24). Die beklagte Partei stellt in der Revision nicht mehr in Frage, dass der in der Hotelgarage abgestellte Pkw des Klägers nach diesen Grundsätzen trotz des ‑ insoweit unwirksamen (§ 970a Satz 1 ABGB) - Haftungsausschlusses als eingebracht gilt.
2. Wurde der Gast in einer für ihn ohne Weiteres erkennbaren Weise vom Wirt angewiesen, Wertgegenstände an einem bestimmten Ort zu deponieren, sind die entgegen dieser Anweisung aufbewahrten Gegenstände nicht als „eingebracht“ anzusehen (vgl SZ 12/51; 6 Ob 714/76 = EvBl 1977/245; RIS-Justiz RS0019258).
Der beklagten Partei ist grundsätzlich darin beizupflichten, dass die in der Garage und den Hotelzimmern angebrachten Hinweistafeln mit der Aufforderung, Wertgegenstände bei der Hotelrezeption bzw gegen Quittung bei der Hotelleitung zu deponieren, eine solche (wirksame) Anweisung enthält. Dies schließt jedoch nicht aus, dass diese Anweisung dem einzelnen Gast gegenüber zurückgenommen werden kann.
Das Berufungsgericht ist erkennbar davon ausgegangen, dass durch die Äußerungen der Rezeptionistin die allgemeine Anweisung, Wertgegenstände bei der Hotelrezeption zu deponieren, hinsichtlich der „wertvollen“ Fotoausrüstung des Klägers hinfällig geworden ist. Ob der Kläger die der beklagten Partei zurechenbaren Erklärungen der Rezeptionistin in diesem Sinn verstehen durfte, unterliegt der Beurteilung im Einzelfall und wirft ‑ von groben Auslegungsfehlern abgesehen ‑ keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS-Justiz RS0042555).
3. Für die Beurteilung einer Willensäußerung ist weder auf den Willen des Erklärenden, noch auf die subjektive Auslegung des Erklärungsempfängers abzustellen. Dieser ist in seinem Vertrauen nur dann geschützt, wenn er die Erklärung so verstanden hat, wie sie ein redlicher, verständiger Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung des Geschäftszwecks und der gegebenen Umstände verstehen durfte (1 Ob 208/04a; 2 Ob 8/07a; RIS-Justiz RS0014160 [T11]). Dies gilt auch für die Frage, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt (2 Ob 40/11p).
Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht diese Auslegungsfrage im Ergebnis vertretbar gelöst. Ausgehend vom objektiven Erklärungswert konnte ein verständiger Erklärungsempfänger die Äußerungen der Rezeptionistin durchaus dahin verstehen, dass ihm das Belassen der teuren Fotoausrüstung im Kofferraum seines Pkws für die Dauer dessen Abstellens in der Garage der beklagten Partei als besonders sichere Verwahrungsart und damit als gleichwertige Alternative zur Verwahrung durch die Hotelleitung empfohlen wird. Es begründet daher keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht, wenn es auch die im Kofferraum des Pkws verbliebenen Gegenstände als „eingebracht“ iSd § 970 Abs 2 Satz 1 ABGB erachtet hat (ähnlich bereits SZ 51/158).
4. Aus der Entscheidung 7 Ob 237/01f sind schon deshalb keine gegenteiligen Erkenntnisse zu gewinnen, weil sie sich ausdrücklich nicht auf die besondere Haftung der Gastwirte nach den §§ 970 ff ABGB bezog, sondern die verschuldensabhängige vertragliche Haftung eines Reiseveranstalters zum Gegenstand hatte. Die dort geforderte Vereinbarung einer bestimmten Art der Verwahrung bestimmter Gegenstände bei „Vertragsschluss“ und die Ablehnung einer späteren „Vertragsänderung“ durch Anschläge oder Informationsblätter im Hotel, betraf folgerichtig den Reisevertrag und nicht einen Vertrag mit dem Gastwirt, wie der dazu zitierten Literaturstelle (Weiss, Pauschalreisevertrag 137) entnommen werden kann. Der im Zusammenhang mit der Entscheidung 7 Ob 237/01f stehenden Frage nach der Haftung für „übliche“ oder „unübliche“ Reiseaccessoires kommt im Anlassfall somit keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
5. In vergleichbaren Fällen wurde ein Mitverschulden des Gastes, der Wertgegenstände in seinem Kraftfahrzeug beließ, verneint (SZ 41/60; SZ 51/158; RIS‑Justiz RS0019244). Es begründet auch kein Mitverschulden, wenn der Gast den Wirt über den Wert dieser Sachen nicht unterrichtete, sofern er nur auf den Umstand hinwies, dass es sich um Wertgegenstände handle (SZ 51/158; vgl auch RIS-Justiz RS0019360).
Die Verneinung eines Mitverschuldens des Klägers durch das Berufungsgericht hält sich im Rahmen der zitierten Rechtsprechung und wirft ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Dies gilt auch unter dem Aspekt, dass sich der Kläger im Gespräch mit der Rezeptionistin mit dem Hinweis auf seine „wertvolle“ Fotoausrüstung begnügte und nicht ‑ wie dies die beklagte Partei fordert ‑ zusätzlich erläuterte, „dass diese aus dutzenden professionellen Einzelteilen von erheblichem (und nicht nur hohem) Wert besteht“. Auch dass der Kläger ein Navigationsgerät (von außen sichtbar) in seinem Fahrzeug belassen hatte, lässt die zweitinstanzliche Beurteilung des Mitverschuldenseinwands keineswegs unvertretbar erscheinen, zumal dieses Gerät nicht gestohlen worden ist.
6. Auf die Frage einer allfälligen Haftungsbeschränkung, die den Grund des Anspruchs betrifft (RIS-Justiz RS004725; Rechberger in Rechberger, ZPO³ § 393 Rz 9), geht die beklagte Partei in ihrem Rechtsmittel nicht (mehr) ein. Es bedarf daher keiner Überprüfung der ‑ abgesehen von hier nicht verfahrensgegenständlichen Kostbarkeiten, Geld oder Wertpapieren ‑ eine Haftungsbeschränkung ablehnenden, vom Berufungsgericht (implizit) gebilligten Rechtsansicht des Erstgerichts. Insbesondere kann eine nähere Auseinandersetzung mit der auf Edelbacher (Der Gastwirtsbegriff des § 970 ABGB im Fremdenverkehr heute, ÖJZ 1967, 1 [6]) zurückgehenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unterbleiben, wonach einen Gastwirt, der seinen Gästen eine Garage zur Verfügung stellt, (auch) die gemäß § 1 Abs 2 des Bundesgesetzes vom 16. 11. 1921 über die Haftung der Gastwirte und anderer Unternehmer (abgedruckt etwa bei Schubert in Rummel, ABGB³ § 970a ABGB), idF BGBl I 2001/98, nicht beschränkte Haftung nach § 970 Abs 2 Satz 2 ABGB trifft (SZ 41/60; SZ 51/158; vgl auch 4 Ob 341/97v; RIS-Justiz RS0019244; Schubert aaO § 970 Rz 11; Karner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 970 Rz 9 und § 970a Rz 4; auch Pletzer in Schwimann, ABGB‑TaKomm, § 970 Rz 14; krit Binder in Schwimann, ABGB³ IV § 970 Rz 13). Auch die erstinstanzliche Behauptung eines Organisationsverschuldens der beklagten Partei, das im Hinblick auf die Regelung der Haftungsbeschränkung in § 1 Abs 1 leg cit von Bedeutung sein könnte, kann unter diesen Umständen auf sich beruhen.
7. Da eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen war, ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Bei einem Zwischenurteil, das über den Grund des Anspruchs abschließend entscheidet, findet nach neuerer Rechtsprechung kein Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 2 iVm § 393 Abs 4 ZPO statt, wenn die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen wird (2 Ob 91/10m; RIS-Justiz RS0123222 [T10]).
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