OGH 9Ob37/11y

OGH9Ob37/11y25.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. S***** B*****, 2. H***** B*****, vertreten durch Dr. Hansjörg Reiner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. B***** S*****, 2. Ing. T***** S*****, vertreten durch Dr. Walter F. Scharinger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert: 10.000 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 14. April 2011, GZ 53 R 305/10z-85, mit dem der Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts Thalgau vom 29. Juni 2010, GZ 2 C 182/07f-79, keine Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 855,77 EUR (darin 142,63 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger sind jeweils Hälfteeigentümer des Grundstücks *****, Grundbuch *****, Bezirksgericht T*****, samt dem darauf errichteten Reihenhaus *****. Die Beklagten sind jeweils Hälfteeigentümer des Nachbargrundstücks *****, Grundbuch *****, Bezirksgericht T*****, samt dem darauf befindlichen Reihenhaus *****. Die Reihenhäuser sind unmittelbar aneinander gebaut und weisen eine verschachtelte Dachkonstruktion auf, bei der sich die einzelnen Dachflächen in Form, Lage und Neigung voneinander unterscheiden. Für die Dachwässer bestehen mehrere Ableitungsebenen, sie werden zum Teil über Dachflächen und Dachrinnen des benachbarten Grundstücks abgeleitet. Bei den Dächern handelt es sich um Kaltdächer. Bei diesen ist zwischen der Dachhaut und dem Unterdach eine Belüftungsebene vorgesehen, über die die Restwärme aus dem Gebäudeinneren abgebaut werden soll. Da das Dach im Bereich der Dachfläche 1, 2, 3 und 4 der Beklagten die technischen Anforderungen nicht erfüllt, funktioniert die Belüftung nicht. Dadurch kommt es zum Antauen von auf der Dachdeckung aufliegendem Schnee auf der Unterseite. Das Tauwasser läuft entlang der Dachdeckung oder, falls hier infolge Sperrung nicht möglich, über das Unterdach bis zum Vordach ab, wo es bei tieferen Temperaturen aufeist, zur Entstehung von Eisrückstau im unteren Dachbereich oder zur Eiszapfenbildung und teilweise zur Kerneisbildung bis zur Vorderkante der Regenrinne führt, sodass die Rinne blockiert ist und Regen- oder Schmelzwasser über diese hinweg läuft. Bei fachgerecht ausgebildeten Traufen werden sowohl die Dachdeckung als auch das Unterdach in die Regenrinne entwässert. Da die Regenrinnen im konkreten Fall jedoch auf der Konterlattung montiert wurden, tropft das über das Unterdach ablaufende Oberflächenwasser frei ab. Aufgrund dieser Wasserableitungssituation kommt es bei den Klägern zu Feuchtigkeitsschäden und Vereisungen am und vor dem Haus und einer Verfaulung des Balkons. Auch bei entsprechender Schneeauflage bzw Schneeverwehungen muss die Ableitung der Schmelz- und Tauwässer über das Unterdach und die Eiszapfenbildung an der Dachrinne oder im Bereich des Unterdaches nicht in Kauf genommen werden, da die Firstlüftungen laufend freizuhalten sind und durch eine korrekt angeordnete Hängerinne das Ableiten von über das Unterdach ablaufendem Wasser auf darunter befindliche Bauteile zu verhindern ist. Von einem Käufer muss zwar nicht erkannt werden, dass allenfalls aus dem Unterdach Oberflächenwässer abfließen, sehr wohl aber, dass aufgrund der verschachtelten Dachkonstruktion Dachflächen über Dachrinnen des benachbarten Grundstücks entwässert werden.

Die Vorinstanzen gaben dem zuletzt in der Tagsatzung vom 22. 4. 2010, ON 68, modifizierten Begehren der Kläger, die Beklagten haben „die unmittelbare Zuleitung von Dachflächenwässern von den dem Grundstück der klagenden Parteien zugewandten Dachflächen (DF 1 und DF 4 laut Beilage „Grundriss Dachflächenaufteilung“ zum Gutachten DI H***** M*****) des Hauses der beklagten Parteien auf das Grundstück der klagenden Parteien, hervorgerufen insbesondere durch Tauwasser abfließend vom Unterdach oder durch Vereisung der Dachrinnen des Hauses der beklagten Parteien“ zu unterlassen, statt, wobei das Berufungsgericht dieses Begehren zur Verdeutlichung um die Wendung „außerhalb einer funktionierenden Ableitung der Regen- und Schmelzwässer über Dachrinnen und Regenfallrohre durch die beklagten Parteien“ ergänzte.

Die Revision wurde mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zugelassen, inwiefern eine unmittelbare Zuleitung von Dachflächenwässern zulässig ist, wenn abseits offenkundiger Dienstbarkeiten, die die ordnungsgemäße Ableitung von Dachflächenwässern zulässig machen, Wasser wegen eines mangelhaften Daches auf das Nachbargrundstück gelangt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Der von den Beklagten angezogene Nichtigkeitsgrund sowie die geltend gemachten Verfahrensmängel wurden geprüft, liegen jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Die Beklagten bringen vor, dass hinsichtlich der Dachflächenwässer wechselseitige offenkundige Dienstbarkeiten der Wasserableitung als konkrete Rechtstitel bestünden, die das ausschließlich auf § 364 Abs 2 letzter Satz ABGB gestützte Unterlassungsbegehren der Kläger ausschließen.

Beide Punkte treffen jedoch nicht zu: Zum einen ist dem Vorbringen der Kläger keine ausschließliche Berufung ihres Unterlassungsbegehrens auf § 364 Abs 2 ABGB entnehmbar. Zum anderen ist es zwar richtig, dass eine nachbarrechtliche Haftung ausscheidet, wenn zwischen den betroffenen Nachbarn eine vertragliche Regelung über die gegenseitigen Rechte und Pflichten besteht, weil in diesem Fall nur diese für die Ausübung und Grenzen der beiderseitigen Rechte und Pflichten maßgeblich ist (1 Ob 74/09b; RIS-Justiz RS0010642; RS0010569). Damit ist für die Beklagten jedoch nichts gewonnen: Dass den Beklagten die Dienstbarkeit der Dachtraufe iSd § 489 ABGB zusteht, bestreiten auch die Kläger nicht (Revisionsbeantwortung S 5). Im Übrigen kann der Umfang einer Servitut aber nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, womit im Allgemeinen keine Rechtsfrage begründet wird, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme (vgl RIS-Justiz RS0044201).

Dazu ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht zu beanstanden, dass im vorliegenden Fall wechselseitige Servituten nur insoweit begründet sein können, als sie die Ableitung von Oberflächenwässern eines ordnungsgemäß errichteten Daches betreffen. Anhaltspunkte dafür, warum eine solche Servitut die Beklagten auch berechtigen sollte, Dachflächenwässer außerhalb einer funktionierenden Ableitung über Dachrinnen und Regenfallrohre auf das Grundstück der Kläger zu leiten, gehen aus dem festgestellten Sachverhalt nicht hervor. Die Beklagten sprachen beim Erwerb des Hauses mit keinem der Nachbarn über die Ableitung der Dachwässer, diesbezüglich wurden weder wechselseitige Erlaubnisse noch Verbote erteilt (Ersturteil S 19). Umstände für die Annahme einer konkludenten Zustimmung der Kläger zu einer Wasserzuleitung, die durch ein unzureichend belüftetes Kaltdach und eine nicht fachgerechte Traufenanbringung am Haus der Beklagten verursacht wird, sind nicht ersichtlich. Auch liegen die Voraussetzungen für eine offenkundige Dienstbarkeit im von den Beklagten gewünschten Umfang nicht vor, weil die Kläger als Laien beim Erwerb der Liegenschaft auch bei einiger Aufmerksamkeit die Unzulänglichkeiten des Daches nicht hätten wahrnehmen müssen (vgl RIS-Justiz RS0034803). Damit gehen auch die Erwägungen der Revision zu einem entsprechenden Umfang des Rechts der Dachtraufe (§ 475 Abs 1 Z 6 und 7, § 489 ABGB) sowie jene zur behördlichen Genehmigung der Reihenhausanlage samt der verschachtelten Dachflächen ins Leere.

3. Bei der Neufassung des Urteilsspruchs hat sich das Gericht stets im Rahmen des vom Kläger Gewollten und damit innerhalb der von § 405 ZPO gezogenen Grenzen zu halten. Diese Grenze wird nicht überschritten, wenn im Spruch nur verdeutlicht wird, was nach dem Vorbringen ohnedies begehrt wird (vgl 4 Ob 250/06b mwN). Diesen Spielraum hat das Berufungsgericht nicht überschritten. Soweit sich die Beklagten mit der Argumentation gegen den Urteilsspruch richten, dass die Dachflächenwässer aufgrund der verschachtelten Dachkonstruktion gemeinsame Wässer seien, die keine Zuordnung an eine Prozesspartei ermöglichten, so steht dem die Beschränkung des Spruchs auf jene Dachflächenwässer entgegen, die „von den dem Grundstück der klagenden Parteien zugewandten Dachflächen (DF 1 und DF 4 laut Beilage „Grundriss Dachflächenaufteilung“ zum Gutachten DI H***** M*****), des Hauses der beklagten Parteien“ zugeleitet werden.

4. Insgesamt ist die Revision daher mangels einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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