OGH 15Ns59/11m

OGH15Ns59/11m16.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kopinits als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter W***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 20 Hv 2/09x des Landesgerichts St. Pölten, über den Antrag des Verurteilten auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zur Ausführung eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Der derzeit gemäß § 21 Abs 2 StGB angehaltene Walter W***** stellte in einem direkt an den Obersten Gerichtshof gerichteten Schreiben vom 5. September 2011 den Antrag auf „umfassende Verfahrenshilfe zur Erstellung des Antrags auf Erneuerung im Sinne des § 363a StPO per analogiam“.

Mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Geschworenengericht vom 11. März 2009, GZ 20 Hv 2/09x-39, wurde der Genannte der Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB, des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB und der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffenG schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Eine dagegen ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 3. Juni 2009, AZ 15 Os 74/09k, zurückgewiesen. Mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 29. Juli 2009, AZ 17 Bs 252/09x (ON 58 des HV-Akts), wurde der Berufung des Walter W***** nicht Folge gegeben, jedoch in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft die verhängte Freiheitsstrafe (als Zusatzstrafe) auf acht Jahre erhöht. Dem damaligen Wahlverteidiger wurde der Beschluss des Obersten Gerichtshofs am 23. Juni 2009 und das Urteil des Oberlandesgerichts Wien am 21. August 2009 zugestellt.

In seinem Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers kritisiert der Verurteilte - soweit nachvollziehbar - einerseits den Vollzug der Maßnahme gemäß § 21 Abs 2 StGB und andererseits die Beiziehung des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Richard B***** in dem wider ihn geführten Strafverfahren AZ 20 Hv 2/09x des Landesgerichts St. Pölten.

Rechtliche Beurteilung

Mit Blick auf den subsidiären Charakter des Erneuerungsantrags gelangen in Bezug auf das Grundrecht auf Freiheit die Bestimmungen des GRBG zur Anwendung (RIS-Justiz RS0122737, RS0123350), das insoweit den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof ausdrücklich regelt. Nach § 1 Abs 1 GRBG steht wegen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung dem Betroffenen nach Erschöpfung des Instanzenzugs die Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zu. Dies gilt nach der ausdrücklichen Regelung des § 1 Abs 2 GRBG nicht für die Verhängung und den Vollzug von Freiheitsstrafen und vorbeugenden Maßnahmen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen, weshalb in diesen Fällen eine Grundrechtsbeschwerde nach § 1 Abs 2 GRBG ebenso ausgeschlossen ist wie der - dazu subsidiäre - Erneuerungsantrag (15 Os 149/07m; 14 Os 60/08t; jüngst 11 Os 87/11w). Nach Art 5 Abs 1 lit a MRK reicht zudem die bloß formale Rechtfertigung der Freiheitsentziehung durch eine Verurteilung aus, weshalb auch der EGMR lediglich überprüft, ob eine solche Verurteilung ergangen ist (vgl Grabenwarter, EMRK4 § 21 Rz 12 mwN).

Soweit der Einschreiter Umstände des Maßnahmenvollzugs releviert, steht ihm somit der Erneuerungsantrag bereits aus formellen Gründen nicht offen.

Die gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und Abs 2 MRK (vgl auch Art 35 Abs 4 erster Satz MRK) gelten sinngemäß auch für Anträge auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO, denen kein Erkenntnis des EGMR zugrundeliegt (13 Ns 14/08z mwN). Zulässigkeitskriterium für eine Individualbeschwerde ist ua das Einhalten einer sechsmonatigen Frist nach der Entscheidung (Art 35 Abs 1 MRK).

Da Walter W***** die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nicht innerhalb der für den von ihm angestrebten Individualantrag auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a Abs 1 StPO offenstehenden Frist von sechs Monaten nach Zustellung des Urteils des Oberlandesgerichts Wien vom 29. Juli 2009 beantragt hat, war der Antrag in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu ergangenen Äußerung des Antragstellers, soweit er die rechtskräftige Erledigung des wider ihn geführten Strafverfahrens betrifft, schon deshalb zufolge offenkundiger Aussichtslosigkeit der angestrebten Prozesshandlung abzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0122736 [T2]).

Stichworte