European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0080OB00067.11B.1024.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass es wie folgt zu lauten hat:
„1. Es wird festgestellt, dass ob den Grundstücken Nr 846/1 und 846/2 der EZ 317, Grundbuch 19753 Tausendblum, Bezirksgericht Neulengbach, zu Gunsten des Grundstücks Nr 360 der EZ 132 desselben Grundbuchs die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit land‑ und forstwirtschaftlichen Geräten und Fahrzeugen zu forstwirtschaftlichen Zwecken auf dem in der Natur bereits bestehenden und aus dem angeschlossenen Lageplan des Ingenieurkonsulenten DI ***** vom 20. 3. 2000, GZ 4208/00 ersichtlichen Weg zwischen den Vermessungspunkten Nr 78 bis 82 besteht.
2. Die beklagte Partei ist schuldig, in die grundbücherliche Einverleibung der in Punkt 1. des Urteilsspruchs genannten Dienstbarkeit einzuwilligen.
3. Die beklagte Partei ist gegenüber der klagenden Partei schuldig, binnen 14 Tagen sämtliche Schüttungen und Aufschüttungen jeglicher Art, die die ungehinderte Ausübung der in Punkt 1. des Urteilsspruchs beschriebenen Dienstbarkeit beeinträchtigen, zu beseitigen.
4. Die beklagte Partei ist gegenüber der klagenden Partei schuldig, ab sofort sämtliche Schüttungen und Aufschüttungen jeglicher Art, die die ungehinderte Ausübung der in Punkt 1. des Urteilsspruchs beschriebenen Dienstbarkeit beeinträchtigen, und jede ähnliche Störung der Ausübung dieser Dienstbarkeit zu unterlassen.
5. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 9.888,08 EUR (darin enthalten 1.262,70 EUR USt und 2.311,87 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.193,38 EUR (darin 198,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.052,65 EUR (darin 136,44 EUR USt und 1.234 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Eigentümerin einer aus mehreren Grundstücken bestehenden land‑ und forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaft, an die die ebenfalls aus mehreren Grundstücken bestehende Liegenschaft des Beklagten angrenzt. Der Beklagte erwarb diese Liegenschaft am 15. 5. 1998 vom Nebenintervenienten.
Zumindest seit den 1950er Jahren führt ein Waldweg, welcher zum Befahren mit Traktoren und Ähnlichem geeignet und deutlich als Weg erkennbar ist, unter anderem auch über den hier zu beurteilenden Grenzbereich zwischen der Liegenschaft der Klägerin und jener des Beklagten. Zwischen den Grenzpunkten 78 und 81 verläuft der Weg ausschließlich auf der Liegenschaft des Beklagten, zwischen den Grenzpunkten 81 und 82 auf beiden Liegenschaften. Der Weg ist mit Ausnahme einer Engstelle, an der ihn zwei Bäume rechts und links auf eine Breite von ca 2,32 m verschmälern, durchgehend mindestens 3 m breit. Weder die Lage noch die Breite des Wegs haben sich seit den 1950er Jahren verändert.
Die Klägerin bzw ihre Rechtsvorgänger fahren zumindest seit den 1950er Jahren regelmäßig mit land‑ und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen bzw Geräten über den beschriebenen Weg. Dies geschieht einerseits, um ihr Waldgrundstück zu bewirtschaften, andererseits auch als Abkürzung für diverse Fahrten. Seit der Anfang der 1970er Jahre erfolgten Zuschüttung eines anschließenden Hohlwegs befährt die Klägerin bzw befuhren ihre Rechtsvorgänger den Weg überwiegend nur mehr bis zum Grenzpunkt 82, wo sie umkehren, um auf dem Weg zurückzufahren. Der Weg wurde und wird in seiner gesamten Länge von Spaziergängern und „Schwammerlsuchern“ begangen. Ungeachtet einer fehlenden Befestigung ist der Weg als Fahrweg erkennbar, und sind ‑ abhängig von Witterung und Häufigkeit der Benützung ‑ auch Fahrspuren erkennbar.
Für Arbeiten im Wald benützt die Klägerin wie schon ihre Rechtsvorgänger immer einen Traktor, an dem verschiedene Geräte für Forstarbeiten, wie etwa Holzwagen, Hackgeräte, Mähwerk oder Seilwinde, angehängt sind. Die Nutzung des Wegs dient der Klägerin zur bequemeren und sicheren Bewirtschaftung ihres Waldgrundstücks. Auf diesem Grundstück befinden sich zwar noch weitere Wege, die jedoch nicht den gesamten hier relevanten Bereich ihrer Liegenschaft abdecken. Zur forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung der Liegenschaft der Klägerin ist die Benutzung des Wegs für sie erforderlich.
Der Beklagte besichtigte im Frühjahr 1998 im Beisein des damaligen Eigentümers und Nebenintervenienten die gesamte Liegenschaft, weil er diese kaufen wollte. Zum Zeitpunkt der Besichtigung war der Waldweg deutlich als Fahrweg erkennbar. Der Beklagte hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen können, dass zwischen den Grenzpunkten 78 und 82 ein Fahrweg verläuft, der auch auf den angrenzenden Grundstücken in nördlicher Richtung ohne Unterbrechung und in gleicher Art und Weise seine Fortsetzung findet. Der Nebenintervenient, der sich nie um die Liegenschaft gekümmert hatte, wusste nicht, dass der Weg von der Klägerin und ihren Rechtsvorgängern zumindest seit den 1950er Jahren regelmäßig benutzt wurde und sicherte dem Beklagten Lastenfreiheit zu. Der Beklagte holte keinerlei Auskünfte darüber ein, ob dritte Personen außerbücherliche Wegerechte behaupten oder den Weg auf Grundlage eines solchen Rechts benutzen.
Ab 1999 begann der Beklagte, Reisig und Äste im hier relevanten Bereich des Wegs abzulagern, um eine Benützung durch die Klägerin unmöglich zu machen. In weiterer Folge räumte er diese Äste nur teilweise und unzureichend weg, stellte jedoch am 1. 11. 1999 Verbotstafeln auf und zog auch einen Graben.
Die Klägerin reagierte daraufhin mit ihrer am 5. 5. 2000 eingebrachten Klage. Mit ihrem Klagebegehren begehrte sie - nach Einschränkung und Modifikation - die Feststellung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit land‑ und forstwirtschaftlichen Geräten und Fahrzeugen zu land‑ und forstwirtschaftlichen Zwecken auf dem genannten Waldweg in einer Breite von 3 m (dies mit Ausnahme der bereits genannten Engstelle) zwischen den Vermessungspunkten 78 und 82. Sie begehrte weiters die Einverleibung dieser Dienstbarkeit in das Grundbuch und erhob die aus dem Spruch ersichtlichen Beseitigungs‑ und Unterlassungsbegehren. Sie brachte zusammengefasst vor, dass sie diesen Weg seit über 30 Jahren zu land‑ und forstwirtschaftlichen Zwecken benutze und als redliche und echte Besitzerin die Dienstbarkeit des Fahrens mit land‑ und forstwirtschaftlichen Geräten und Fahrzeugen ersessen habe. Der Beklagte habe durch das Ablagern von Ästen und Aufstellen von Verbotstafeln (bzw später durch Aufschüttungen von Erdhaufen) dieses Recht beeinträchtigt.
Der Beklagte bestritt die Ersitzung der Dienstbarkeit durch die Klägerin und brachte zusammengefasst vor, dass die Klägerin keine Dienstbarkeit an diesem Weg, der überdies ein Bringungsweg sei, ersessen habe. Er habe darüber hinaus die Liegenschaft gutgläubig lastenfrei erworben. Das Begehren der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit forstwirtschaftlichen Geräten und Fahrzeugen sei erstmals im Jahr 2009 erhoben worden, als bereits „Freiheitsersitzung“ eingetreten sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (wie noch darzustellen sein wird, in Wahrheit nur teilweise) statt. Zusätzlich zu den bereits wiedergegebenen traf es folgende weitere Feststellungen:
Nach Einbringung der Klage im nunmehrigen Verfahren schlossen die Parteien am 8. 6. 2001 einen unbedingten Vergleich, wonach der Klägerin ein Wegerecht zustand und der Beklagte sich verpflichtete, den Weg in befahrbaren Zustand zu versetzen. Der Beklagte befolgte dies nicht, er errichtete im Gegenteil zwei Schranken. Die Klägerin leitete daraufhin auf Grundlage des Vergleichs ein Exekutionsverfahren ein, in welchem der Weg am 3. 10. 2002 von Hindernissen frei geräumt wurde. Bis 2004 blieb der Weg passierbar, er wurde auch von der Klägerin für diverse Holzarbeiten genutzt. 2004 begann der Beklagte damit, drei Erdhügel als „Schutzwälle“ großflächig aufzuschütten, um ein Befahren durch die Klägerin zu verhindern. Er schlichtete darüber hinaus mehrere große Steine auf. Die Aufschüttungen verhinderten eine Benutzung des Wegs mit Fahrzeugen. Die Klägerin bemerkte die Aufschüttungen am 19. 8. 2004 und brachte am 17. 9. 2004 eine Besitzstörungsklage ein. Das darüber eingeleitete Verfahren wurde gemäß § 6a ZPO unterbrochen. Für den Beklagten wurde ein Sachwalter bestellt. Mit der Begründung, dass der Beklagte psychisch krank und daher handlungsunfähig gewesen sei, wurde die Besitzstörungsklage in weiterer Folge abgewiesen. Der im hier zu beurteilenden Verfahren am 8. 6. 2001 abgeschlossene unbedingte Vergleich wurde in weiterer Folge über Klage des Sachwalters mangels Geschäftsfähigkeit des Beklagten aufgehoben, worauf das vorliegende Verfahren fortgesetzt wurde.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass die Klägerin ein Fahrtrecht über den Weg gemäß den §§ 1468, 1470 und 1477 ABGB ersessen habe. Dass die Voraussetzungen der uneigentlichen Ersitzung nicht vorlägen, habe der Beklagte gar nicht behauptet. Die Klägerin habe die Servitut in den letzten Jahrzehnten im guten Glauben an die Rechtmäßigkeit der Besitzausübung und weder gewaltsam, noch heimlich, noch als Bittleihe ausgeübt, sodass der Rechtsbesitz redlich und echt und die 30‑jährige Ersitzungsfrist abgelaufen sei. Gesetzliche Ersitzungsverbote ‑ insbesondere § 33 Abs 5 ForstG ‑ stünden der Ersitzung nicht entgegen. Der Weg sei für die Klägerin weder zwecklos noch unnötig, er trage vielmehr zur besseren Nutzung ihres Grundstücks bei. Der Beklagte habe die Liegenschaft nicht lastenfrei und im guten Glauben auf das Grundbuch erworben. In einem Waldstück, in dem an der Grundstücksgrenze ‑ teils auf eigenem Grund, teils auf fremdem Grund ‑ ein Weg verlaufe, habe sich der Beklagte nicht auf das Nichtbestehen einer so in die Augen fallenden Dienstbarkeit verlassen können. Der Beklagte hätte sich jedenfalls erkundigen müssen. Da er dies unterlassen habe, habe er fahrlässig gehandelt und genieße keinen Schutz nach § 1500 ABGB, weil er den Widerspruch zwischen Grundbuchstand und tatsächlichen Verhältnissen durch geeignete Erhebungen hätte feststellen können. Die Zusage der Lastenfreiheit der Liegenschaft durch den Nebenintervenienten genüge nicht als Begründung für einen gutgläubigen Erwerb des Beklagten. Dass die Klägerin ihr ursprüngliches, auf Geltendmachung eines Fahrtrechts mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen im Rahmen eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbs gerichtetes Klagebegehren modifiziert habe auf ein Fahrtrecht mit land‑ und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen und Geräten zu land‑ und forstwirtschaftlichen Zwecken, stelle weder eine Einschränkung noch eine Ausdehnung des Klagebegehrens dar und schade nicht. Allerdings sei dem Urteilsspruch eine deutlichere Fassung zu geben und festzustellen, dass die Dienstbarkeit nur für forstwirtschaftliche Zwecke bestehe.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klageabweisenden Sinn ab. Mit dem Aufschütten dreier Erdhügel im Jahr 2004 habe sich der Beklagte der Ausübung des von der Klägerin behaupteten Wegerechts iSd § 1488 ABGB widersetzt. Die Klägerin sei nach der Aufschüttung der Erdhügel weder über den Weg gefahren, noch habe sie Unterlassungsexekution aufgrund des damals noch aufrecht bestehenden Vergleichs geführt. Sie habe zwar eine Besitzstörungsklage eingebracht. Die durch eine Klage bewirkte Unterbrechung der Verjährungsfrist trete aber letztlich nicht ein, wenn die Klage - wie hier - letztlich abgewiesen werde. Dass die Abweisung nur wegen der psychischen Erkrankung des Beklagten erfolgt sei, könne daran nichts ändern. Da die Aufschüttungen im Jahr 2004 erfolgten, sei der frühestens mit Schriftsatz vom 29. 5. 2009 in diesem Verfahren geltend gemachte Beseitigungsanspruch nicht fristgerecht geltend gemacht worden, weil die dreijährige Frist des § 1488 ABGB zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen gewesen sei. Damit sei aber „Freiheitsersitzung“ gemäß § 1488 ABGB eingetreten. Auf die Frage, wann der Vergleich der Streitteile endgültig beseitigt worden sei, komme es dafür nicht an. Auch auf die Einwände des Beklagten und des Nebenintervenienten gegen die Rechtsausführungen des Erstgerichts zur Ersitzung der Dienstbarkeit durch die Klägerin müsse daher nicht eingegangen werden.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Rechtsfrage, ob die Freiheitsersitzungsfrist durch eine Besitzstörungsklage unterbrochen werde, die letztlich nur deshalb abgewiesen worden sei, weil der sich der Dienstbarkeit Widersetzende persönlich handlungsunfähig sei, sei bislang noch nicht beantwortet worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, die sowohl vom Beklagten als auch vom Nebenintervenienten beantwortet wurde.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
1. Das Urteil des Berufungsgerichts wurde dem Klagevertreter am 25. 3. 2011 zugestellt. Unter Berücksichtigung des Karfreitags (§ 1 Abs 1 BGBl 1961/37) wurde die Revision daher entgegen der Behauptung des Nebenintervenienten in der Revisionsbeantwortung am 26. 4. 2011 fristgerecht erstattet.
2. Die Rechtsauffassung des Erstgerichts, dass die Klägerin bzw ihre Rechtsvorgänger die von ihr behauptete Dienstbarkeit ersessen haben, ist zutreffend.
Voraussetzungen für die vom Erstgericht bejahte uneigentliche Ersitzung sind neben dem Zeitablauf echter und redlicher Besitz eines Rechts, das seinem Inhalt nach dem zu erwerbenden Recht entsprochen hat. Rechtmäßigkeit des Besitzes iSd §§ 1461, 1462 ABGB ist nicht erforderlich (RIS‑Justiz RS0034138; Meissel in KBB³ § 1477 Rz 1). Die Redlichkeit des Besitzes wird gemäß § 328 ABGB vermutet, sodass dem Ersitzungsgegner der Beweis der Unredlichkeit obliegt. Auch die Beweislast für die Unechtheit des Besitzes trifft den Ersitzungsgegner (Meissel aaO § 1463 Rz 2, § 1464 Rz 1). Die Besitzausübung muss so beschaffen sein, dass derjenige, in dessen Besitz eingegriffen wird, die Ausübung eines bestimmten Rechts erkennen kann. Die objektive Erkennbarkeit einer den Gemeingebrauch überschreitenden nachhaltigen Sondernutzung reicht aus (5 Ob 70/04m; RIS‑Justiz RS0009762).
3. Hier steht fest, dass die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger über mehr als 30 Jahre hinweg den Waldweg zu forstwirtschaftlichen Zwecken befahren haben, daher in anderer Weise benutzten, als er durch jedermann im Rahmen des Gemeingebrauchs ‑ etwa durch Spaziergänger ‑ verwendet wurde (M. Bydlinski in Rummel³ § 1455 Rz 4 mwH). Die Ausübung dieses Wegerechts war auch für den Beklagten (bzw seine Rechtsvorgänger) erkennbar: Der Weg war als solcher eindeutig zu erkennen, wobei wegen der regelmäßig vorhandenen Fahrspuren auch erkennbar war, dass er als Fahrweg benutzt wurde. Die Unredlichkeit bzw die Unechtheit des Besitzes der Klägerin bzw ihrer Rechtsvorgänger hat der Beklagte gar nicht behauptet. Das Erstgericht hat daher die von der Klägerin behauptete Ersitzung des Fahrtrechts über den Waldweg zu Recht bejaht.
4. Ob der Beklagte, der überdies die Liegenschaft ja erst 1998 erworben hat, die Klägerin beim Benützen des Wegs tatsächlich beobachtet hat, ist nicht erheblich. Maßgeblich ist allein der vom Erstgericht festgestellte Umstand, dass die Benützung des Wegs durch die Klägerin für den jeweiligen Eigentümer des betroffenen Grundstücks erkennbar war. Dass der Beklagte nach dem Erwerb des Grundstücks die weitere Benützung nicht geduldet hat, konnte an der bereits eingetretenen Ersitzung nichts mehr ändern. Zur vom Berufungsgericht angenommenen „Freiheitsersitzung“ nach der Aufschüttung von Erde im Jahr 2004 wird unten Stellung zu nehmen sein.
5. Mit der Behauptung, die von der Klägerin in Anspruch genommene Servitut sei für sie nutzlos, weicht der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung von den Sachverhaltsfeststellungen ab, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.
6. Die auf das Vorbringen, der Waldweg der Klägerin habe lediglich zur Bringung gedient, gestützte Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs hat der Beklagte ausdrücklich zurückgezogen (ON 75). Dass die Dienstbarkeit des Fahrtrechts voraussetze, dass andere Personen „dann aber von der Benützung des Wegs ausgeschlossen werden“, trifft nicht zu.
7. Dass der Beklagte seine Liegenschaft iSd § 1500 ABGB lastenfrei erworben habe, wurde vom Erstgericht ebenfalls zutreffend verneint. Es hat in Übereinstimmung mit der dazu ergangenen Rechtsprechung ausgeführt, dass der Beklagte bei Erwerb der Liegenschaft aufgrund der Offenkundigkeit des Waldwegs und dessen Benützung an der Grundstücksgrenze verpflichtet gewesen wäre, sich näher über allenfalls bestehende Servituten zu erkundigen (RIS‑Justiz RS0011651). Dass er dies fahrlässig unterlassen hat ‑ nach den Verfahrensergebnissen war der Beklagte zum Zeitpunkt des Erwerbs der Liegenschaft noch nicht geschäftsunfähig (vgl ON 50) ‑, verhindert einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb (RIS‑Justiz RS0011676). Eine Unrichtigkeit dieser rechtlichen Beurteilung zeigt der Beklagte mit der bloßen Behauptung des Gegenteils nicht auf.
8. Die Grunddienstbarkeit des Fahrwegs beinhaltet als umfassendste Wegservitut (§ 477 Z 1 ABGB) nach Lehre und Rechtsprechung im gleichen Umfang (Zweck) auch das Gehrecht (RIS‑Justiz RS0011576, zuletzt 10 Ob 83/07i; Koch in KBB³ §§ 492‑495 Rz 3; Hofmann in Rummel³ § 492 Rz 1). Im von der Klägerin bzw ihren Rechtsvorgängern ersessenen Fahrtrecht über den Waldweg ist daher das Gehrecht inkludiert. Auf den vom Beklagten in der Berufung gerügten Umstand, dass nicht ausdrücklich festgestellt sei, dass die Klägerin oder ihre Rechtsvorgänger jemals über den Waldweg gegangen wären, kommt es daher nicht an.
9. Damit bedarf es der Überprüfung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, im Gefolge der Aufschüttung von Erdhaufen auf dem Weg im Jahr 2004 durch den Beklagten sei es zur „Freiheitsersitzung“ iSd § 1488 ABGB gekommen.
Gemäß § 1488 ABGB verjährt das Recht der Dienstbarkeit, wenn sich der verpflichtete Teil der Ausübung der Servitut widersetzt, und der Berechtigte durch drei aufeinanderfolgende Jahre sein Recht nicht geltend gemacht hat. Diese sogenannte „Freiheitsersitzung“ ist ein (Sonder‑)Fall der Verjährung einer bereits bestehenden Dienstbarkeit und kein Fall der Ersitzung. Sie ist daher nur über ausdrückliche Einrede des Verpflichteten zu beachten (Madl in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.00 § 1488 Rz 2). Entgegen den Ausführungen in der Revision hat der Beklagte eine solche Einrede auch ausdrücklich erhoben (ON 75).
Die Verkürzung der Verjährungszeit in § 1488 ABGB wird damit gerechtfertigt, dass zum Nichtgebrauch der Dienstbarkeit noch der positive Umstand der Widersetzlichkeit hinzutritt. Der Berechtigte soll vor diesem Hintergrund nicht passiv bleiben dürfen, wenn sich der Verpflichtete der Ausübung der Servitut widersetzt, sondern sein Recht aktiv geltend machen müssen (Madl aaO § 1488 Rz 3). Für den Verjährungsbeginn ist entscheidend, dass der Berechtigte vom Hindernis Kenntnis hat oder diese bei gewöhnlicher Sorgfalt haben konnte (Dehn in KBB3 § 1488 Rz 1 mwH).
10. Ausgehend von dieser Rechtslage kann der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht beigepflichtet werden. Die Meinung der zweiten Instanz, die Klägerin, die sich in Wahrheit seit dem Jahr 2000 ununterbrochen gegen die Bestreitung ihrer Dienstbarkeit wendet, habe die Widersetzlichkeit des Beklagten passiv hingenommen und daher ihr Recht iSd § 1488 ABGB verloren, lässt die Besonderheit des vorliegenden Falls außer Acht, die einerseits in der Parallelität der hier abgeführten Verfahren (Possessorium und Petitorium) besteht, vor allem aber in den Auswirkungen, die die Handlungsunfähigkeit des Beklagten auf diese beiden Verfahren zeitigte. Das Berufungsgericht hat seine Rechtsauffassung vor allem mit der Abweisung der Besitzstörungsklage begründet, die die Unterbrechungswirkung der Klageführung rückwirkend beseitigt habe. Dass die Unterbrechungswirkung einer Klage die gehörige Fortsetzung des darüber abgeführten Verfahrens und letztlich ein stattgebendes Urteil voraussetzt, trifft zu (Dehn in KBB³ § 1497 Rz 5). Hier kann aber schon nicht unbeachtet bleiben, dass es sich bei dem von der Klägerin eingeleiteten Verfahren um ein Besitzstörungsverfahren handelte, sodass die Abweisung der Klage ‑ die überdies nur mangels Handlungsfähigkeit des Beklagten erfolgte ‑ nur den Besitzschutz verweigerte, über den Bestand der Dienstbarkeit aber keine Aussagen traf. Vor allem aber blendet das Berufungsgericht das vorliegende Verfahren völlig aus. Jene rückwirkende Betrachtung, die das Berufungsgericht im Zusammenhang mit dem Besitzstörungsverfahren anstellt, führt nämlich beim vorliegenden Verfahren zum Ergebnis, dass das Verfahren seit dem Jahr 2000 im Gang war, und bis zu den hier zu beurteilenden Urteilen der Vorinstanzen nicht (wirksam) beendet wurde. Die rückblickende Betrachtung dieses Verfahrens führt daher zum Ergebnis, dass der Widersetzlichkeit des Beklagten immer ein Klagebegehren gegenüberstand. Dass das auf die zuletzt aufgeschütteten Erdhaufen bezogene Beseitigungsbegehren erst 2009 gestellt wurde (im Hinblick auf den zunächst als wirksam angesehenen Vergleich gar nicht früher gestellt werden konnte), ändert daran nichts, weil ja schon das ursprüngliche Klagebegehren ein Unterlassungsbegehren enthielt, dass auf Unterlassung der zunächst gesetzten und ähnlicher Störungen abzielte und daher auch Störungshandlungen wie die zuletzt gesetzten abdeckte. Dass die Klägerin das Verfahren im Hinblick auf den zunächst als wirksam erachteten Vergleich nicht fortsetzte (nicht fortsetzen konnte!), kann ihr ‑ wie schon ausgeführt ‑ nicht vorgehalten werden. Sobald der Vergleich beseitigt war, hat sie das Verfahren wieder fortgesetzt. Aber auch in jener Zeit, in der das Verfahren vermeintlich beendet war, hat sie auf die Widersetzlichkeit des Beklagten mit ihrer Besitzstörungsklage reagiert, die ihr zu diesem Zeitpunkt, in dem die mangelnde Handlungsfähigkeit des Beklagten noch nicht offenbar war, als geeignetes Mittel der Rechtsdurchsetzung erscheinen konnte. Ihr Passivität vorzuwerfen und damit die Verjährung des von ihr ersessenen Rechts nach § 1488 ABGB zu begründen, kommt daher nicht in Betracht.
11. Dass das ursprüngliche Feststellungsbegehren, das auf die Feststellung der „Dienstbarkeit des Gehens, des Fahrens mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen und des Reitens im Rahmen des von der Klägerin betriebenen landwirtschaftlichen Nebenerwerbs“ im Lauf des Verfahrens auf die Feststellung der „Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit land- und forstwirtschaftlichen Geräten und Fahrzeugen zu land‑ und forstwirtschaftlichen Zwecken“ modifiziert wurde, ist ‑ wie schon die Vorinstanzen richtig erkannt haben ‑ ohne Relevanz, weil es sich dabei ‑ abgesehen von der jedenfalls unschädlichen Einschränkung um das Recht zu reiten ‑ nur um eine inhaltliche Präzisierung des Klagebegehrens handelte. Das Erstgericht hat aber ‑ wie auch schon das Berufungsgericht richtig erkannte ‑ die Dienstbarkeit in bewusster Abweichung vom zuletzt aktuellen Klagebegehren auf forstwirtschaftliche Zwecke beschränkt. Aus seinen Entscheidungsgründen ergibt sich eindeutig, dass es das Klagebegehren, soweit es sich auf die Feststellung der Dienstbarkeit des Fahrens mit land‑ und forstwirtschaftlichen Geräten und Fahrzeugen (auch) zu landwirtschaftlichen Zwecken und das damit verbundene Begehren auf grundbücherliche Einverleibung richtete, nicht als berechtigt erachtete. In diesem ‑ wenn auch aus dem Urteilsspruch nicht ersichtlichen ‑ Umfang hat das Erstgericht daher die Klage in Wahrheit abgewiesen. Diese Abweisung ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.
12. Im Übrigen war der Revision aus den oben dargestellten Gründen im Sinn einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils Folge zu geben. Im Hinblick auf die sprachlich teilweise missglückte Formulierung des Urteilsbegehrens (und damit des erstgerichtlichen Urteilsspruchs) hat die Wiederherstellung allerdings mit der Maßgabe einer Umformulierung des Urteilsspruchs zu erfolgen, die sprachliche Unklarheiten beseitigt. Durch die Bezugnahme auf den Lageplan des DI ***** ist der Weg im Urteilsspruch hinreichend beschrieben. Die in der Berufung des Nebenintervenienten kritisierte Breitenangabe ‑ diese sei unrichtig, da der Waldweg zwischen den Grenzpunkten 81 und 82 nur mehr teilweise auf der Liegenschaft des Beklagten verläuft ‑ ist daher entbehrlich, sodass sie (ebenso wie die Beschreibung der Engstelle des Wegs) entfallen konnte.
13. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO. Dem Einwand der Klägerin, dass ihr für die erfolgreichen Einwendungen gegen die Kostennote des Beklagten Kostenersatz gebühre, kommt schon deshalb keine Berechtigung zu, weil die Klägerin in der Hauptsache obsiegte (2 Ob 230/10b; RIS‑Justiz RS0125846).
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