OGH 4Ob152/11y

OGH4Ob152/11y19.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. K*****, 2. K***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 36.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 7. Oktober 2008, GZ 2 R 156/08p-17, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 22. Juli 2008, GZ 39 Cg 47/08t-11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass auch der Antrag der klagenden Partei, den beklagten Parteien mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt seien, beispielsweise im Internet oder in Inseraten in Printmedien, Kunden im Falle der Beauftragung mit verkehrspsychologischen Nachschulungen unzulässige Zugaben, beispielsweise in Form eines KFZ-Sicherheits-Checks, gratis anzubieten oder zu gewähren, abgewiesen wird.

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen endgültig selbst zu tragen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen zusätzlich zu den bereits zugesprochenen Kosten weitere Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen von jeweils 2.299,96 EUR (darin jeweils 383,33 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin beantragt, den beklagten Parteien mit einstweiliger Verfügung zu untersagen,

in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, beispielsweise im Internet oder in Inseraten in Printmedien, Kunden im Falle der Beauftragung mit verkehrspsychologischen Nachschulungen unzulässige Zugaben, beispielsweise in Form eines KFZ-Sicherheits-Checks, gratis anzubieten oder zu gewähren.

Zur Begründung stützt sie sich auf § 9a Abs 1 Z 1 UWG. Die „Sicherheits-Checks“ hätten nach der Ankündigung der Beklagten einen Wert von 17,99 EUR. Es liege daher eine unzulässige Zugabe vor.

Die Beklagten wandten in erster Instanz ein, dass aus näher dargestellten Gründen eine handelsübliche Nebenleistung vorliege. Die Zugabe falle daher unter die Ausnahme des § 9a Abs 2 Z 1 UWG.

Das Erstgericht folgte dem Standpunkt der Klägerin und erließ die einstweilige Verfügung. Ein im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittiges weiteres Begehren wies es ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es zunächst nicht zu. Da keine handelsübliche Nebenleistung vorliege, sei der Ausnahmetatbestand des § 9a Abs 2 Z 1 UWG nicht erfüllt. Die Beklagten hätten daher gegen § 9a Abs 1 Z 1 UWG verstoßen.

Den dagegen gerichteten Revisionsrekurs der Beklagten ließ das Rekursgericht nachträglich mit der Begründung zu, dass Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit des Zugabenverbots bestünden.

Der Senat hat das Verfahren über den Revisionsrekurs mit Beschluss vom 12. Mai 2009, 4 Ob 32/09y, bis zur Entscheidung über das zu 4 Ob 154/08p (= MR 2008, 315 - Fußballer des Jahres II) gestellte Vorabentscheidungsersuchen unterbrochen. Nach Vorliegen der Entscheidung des EuGH (Rs C-540/08 , Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag, MR 2010, 347) ist das Verfahren auf Antrag der Beklagten fortzusetzen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

1. Nach der Vorabentscheidung des EuGH ist das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von Zugaben eine Geschäftspraktik im Sinn von Art 2 lit d RL-UGP (Rz 18). Das in § 9a Abs 1 Z 1 UWG angeordnete Verbot verstößt daher gegen den abschließenden Charakter der Liste jedenfalls unzulässiger Geschäftspraktiken in Anhang I der RL-UGP, weil es unabhängig von den Umständen des Einzelfalls gilt (Rz 34 ff). Der Umstand, dass das Verbot auch anderen als verbraucherschützenden Zwecken dient, ist unerheblich (Rz 21). Auf dieser Grundlage hat der Senat entschieden, dass das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von Zugaben gegenüber Verbrauchern aufgrund richtlinienkonformer Auslegung von § 9a Abs 1 Z 1 UWG nur dann unzulässig ist, wenn es im Einzelfall irreführend, aggressiv oder sonst unlauter ist (4 Ob 208/10g = ÖBl 2011, 115 [Gamerith] - Fußballer des Jahres IV).

2. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin kein Vorbringen zu diesen Bedingungen erstattet. Eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen zur Erörterung eines unschlüssigen Vorbringens kommt im Sicherungsverfahren nicht in Betracht (17 Ob 7/09t = wbl 2009, 470 - Das blaue Wunder; RIS-Justiz RS0005452 [T11]). Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist daher auch im noch strittigen Umfang abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 iVm §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat den Beklagten auch jene Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen, die sich auf das im Revisionsrekursverfahren noch strittige Begehren beziehen. Zu honorieren sind dabei auch die Äußerung zur beabsichtigten Unterbrechung und der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens.

Stichworte