Spruch:
Das Verfahren über den Revisionsrekurs wird bis zur Erledigung des vom Obersten Gerichtshof zu 4 Ob 154/08p (Rs C-540/08 ) gestellten Vorabentscheidungsersuchens unterbrochen.
Eine Fortsetzung erfolgt nur auf Antrag einer Partei.
Text
Begründung
Die Beklagten boten zu den von ihnen veranstalteten verkehrspsychologischen Nachschulungen kostenlose „Sicherheits-Checks" für Kraftfahrzeuge im Wert von 17,99 EUR an. Die Vorinstanzen werteten dies als Ankündigung einer Zugabe, die keine handelsübliche Nebenleistung iSv § 9a Abs 2 Z 1 UWG sei, und erließen eine entsprechende einstweilige Verfügung. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich mit der Begründung zu, dass Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit des Zugabenverbots bestünden.
Rechtliche Beurteilung
Das Verfahren über den Revisionsrekurs der Beklagten ist zu unterbrechen.
1. Die Entscheidung im vorliegenden Verfahren hängt nach vorläufiger Einschätzung des Senats davon ab, ob das Zugabenverbot des § 9a UWG mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) vereinbar ist. Der Senat hat diese Frage dem Europäischen Gerichtshof im Verfahren 4 Ob 154/08p (= MR 2008, 315 - Fußballer des Jahres II; EuGH Rs C-540/08 ) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die dort geäußerten Zweifel gelten auch hier: Ist die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken dahin auszulegen, dass sie das Verbot bestimmter Geschäftspraktiken auch dann erfasst, wenn dieses Verbot (auch) mit Erwägungen des Mitbewerberschutzes begründet ist, so verstieße § 9a UWG gegen den taxativen Charakter der Liste jedenfalls unzulässiger Geschäftspraktiken im Anhang der Richtlinie.
2. Die im Verfahren 4 Ob 154/08p zu erwartende Vorabentscheidung wird über den Anlassfall hinaus zu beachten sein (Kohlegger in Fasching/Konecny2 II/2, Anh zu § 190 Rz 351 mwN). Ein späteres Verfahren, das dieselben Rechtsfragen betrifft, ist daher nach ständiger Rechtsprechung aus prozessökonomischen Gründen zu unterbrechen (10 ObS 188/98i; RIS-Justiz RS0110583; zuletzt etwa 3 Ob 261/08s und 4 Ob 211/08w; Kohlegger in Fasching/Konecny2 II/2, Anh zu § 190 Rz 262 mwN). Von der Auffassung, dass eine solche Unterbrechung in Sicherungsverfahren nicht zulässig sei, ist der Senat in der Entscheidung 4 Ob 211/08w abgegangen. Danach ist auch in solchen Verfahren zu prüfen, ob die Unterbrechung im Einzelfall zweckmäßig ist. Das wird insbesondere dann zutreffen, wenn die Zweifel an der Auslegung des Gemeinschaftsrechts so schwerwiegend sind, dass - läge noch kein Vorabentscheidungsersuchen vor - ein solches Ersuchen auch in einem Sicherungsverfahren angezeigt wäre.
3. Im vorliegenden Fall ist das den Anlass der Unterbrechung bildende Vorabentscheidungsersuchen 4 Ob 154/08p ebenfalls in einem Sicherungsverfahren ergangen. Aus den dort zitierten Schlussanträgen der Generalanwältin in den Verfahren C-261/07 und C-299/07 folgt, dass beträchtliche Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität des Zugabenverbots bestehen. Das spricht für die Unterbrechung.
4. Die Beklagten regten an, das Verfahren (vorerst) nur bis zur Entscheidung in den Verfahren C-261/07 und C-299/07 zu unterbrechen, da die hier wesentlichen Fragen möglicherweise schon dort geklärt würden; treffe das nicht zu, könne das Verfahren ohnehin neuerlich unterbrochen werden.
Inzwischen ist diese Vorabentscheidung in den genannten Verfahren ergangen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verneinte die Zulässigkeit des dort strittigen belgischen Verbots von Koppelungsgeschäften, da die Liste ausdrücklich missbilligter Geschäftspraktiken im Anhang zur RL-UGP abschließenden Charakter habe. Offen blieb allerdings, ob dies auch für Verbote gilt, die nicht bloß dem Verbraucherschutz, sondern zumindest in gleicher Weise auch dem Mitbewerberschutz dienen. Die vom Obersten Gerichtshof zu 4 Ob 154/08p (Rs C-540/08 ) gestellte Frage ist damit nicht geklärt.
5. Das Verfahren ist daher bis zur Erledigung dieses Vorabentscheidungsersuchens zu unterbrechen. Danach wird es nur auf Antrag einer Partei fortgesetzt werden. Eine amtswegige Fortsetzung ist nicht erforderlich, da (auch) Sicherungsverfahren der Disposition der Parteien unterliegen. Diese können daher zum gegebenen Zeitpunkt zunächst selbst ihre Schlüsse aus den dann vorliegenden Vorabentscheidungen des EuGH ziehen.
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