OGH 15Os124/11s

OGH15Os124/11s19.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Steinbichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gabor F***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 16. Mai 2011, GZ 8 Hv 249/09f-294, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Gabor F***** (im zweiten Rechtsgang neuerlich) der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (A./1./ und 2./) und nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (B./1./ und 2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Budapest, Erd und dem Kosovo als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren Mitgliedern dieser Vereinigung als Mittäter (§ 12 StGB), nämlich mit den abgesondert verfolgten Pal H***** und Naser B***** sowie anderen unbekannt gebliebenen Mitgliedern, vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Heroin, in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

A./ an Pal H***** überlassen, und zwar

1./ am 27. Jänner 2009, indem er ihm im Kosovo 12.339,50 Gramm Heroin, enthaltend eine Reinsubstanz von zumindest 4.633,16 Gramm Heroin, übergab bzw im PKW der Marke Audi A 4 versteckte;

2./ am 9. Jänner 2009, indem er ihm in Erd in Ungarn 7.500 Gramm Heroin, enthaltend eine Reinsubstanz von zumindest 3.135 Gramm Heroin, übergab;

B./ ein- und ausgeführt, und zwar

1./ indem er Pal H***** beauftragte, die unter A./1./ genannte Suchtgiftmenge über Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland, und zwar nach München zu Naser B***** zu bringen;

2./ indem er Pal H***** beauftragte, die unter A./2./ genannte Suchtgiftmenge über Österreich nach Deutschland, und zwar nach München zu Naser B***** zu bringen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO stützt. Sie verfehlt ihr Ziel.

Den Beschwerdeeinwänden eines Unterbleibens der Erörterung von Widersprüchen in den Angaben des Zeugen Pal H***** (Z 5 zweiter Fall) ist vorweg zu erwidern, dass das Schöffengericht im Hinblick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht gehalten war, sich im Zuge der - ausführlichen (US 10 bis 17, 21 f) - Erörterung der Angaben dieses Zeugen mit sämtlichen Depositionen im Einzelnen in Richtung aller denkbaren Schlussfolgerungen auseinander zu setzen (RIS-Justiz RS0106642; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

Überdies vermag der Nichtigkeitswerber mit einer unvollständigen Bezugnahme auf Angaben dieses Zeugen sowie die Urteilsbegründung keine erörterungsbedürftigen bzw unerörtert gebliebenen Widersprüche in den Angaben desselben aufzuzeigen:

Die - in scheinbarem Widerspruch zu einem in der Hauptverhandlung deponierten Zusammentreffen zwecks Heroinübergabe mit dem Nichtigkeitswerber erst in Serbien stehende - Aussage im Ermittlungsverfahren, er sei „gemeinsam“ mit diesem nach Serbien gefahren, um dort das Suchtgift zu übernehmen (ON 2 S 41 in ON 6), wurde vom in der Hauptverhandlung dazu eingehend befragten Zeugen H***** ausdrücklich dahin präzisierend erklärt, sie beide seien unabhängig voneinander etwa zur gleichen Zeit in Ungarn losgefahren (ON 265 S 29 f). Einer gesonderten Erörterung bedurfte diese daher nicht. Das Schöffengericht legte auch ausführlich und mängelfrei (US 11 f) dar, weshalb es trotz Unterbleibens der Erwähnung einer Anwesenheit des Angeklagten bei dieser Suchtgiftübergabe in der ersten (Beschuldigten-)Vernehmung des Zeugen im Ermittlungsverfahren jenen Angaben in der Hauptverhandlung zu folgen vermochte.

Die vom Beschwerdeführer isoliert relevierte Angabe des Zeugen zu einem tatsächlichen Erhalt von 4.000 Euro für den Suchtgifttransport (A./2./ und B./2./) vom Nichtigkeitswerber wurde vom Zeugen H***** nach detaillierterer Befragung im Sinne einer im Ermittlungsverfahren deponierten Anrechnung auf Verbindlichkeiten gegenüber dem Nichtigkeitswerber präzisierend richtiggestellt (ON 265 S 25 f) und musste somit mangels Widerspruchs nicht gesondert erörtert werden.

Welche „weiteren zahlreichen“ Widersprüche in den Angaben des Zeugen H***** schließlich unberücksichtigt geblieben sein sollen, legt der Nichtigkeitswerber nicht dar und verfehlt damit die deutliche und bestimmte Bezeichnung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (§ 285a Z 2 StPO).

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nur bei unrichtiger oder unvollständiger Wiedergabe des eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalts einer Aussage oder Urkunde in den Entscheidungsgründen (RIS-Justiz RS0099547) vor. Mit der Behauptung eines Widerspruchs zwischen - übrigens keine entscheidenden Tatsachen betreffenden (vgl Fabrizy, Suchtmittelrecht [2009] § 27 Rz 11) - Angaben des Zeugen H*****, er allein (nicht aber zum Teil auch der Nichtigkeitswerber) habe das ihm von jenem mit dem Auftrag des Suchtgiftschmuggels überlassene Suchtgift im Transportfahrzeug versteckt (A./1./; B./1./), und dazu getroffenen Urteilsfeststellungen (US 8) wird eine solche nicht geltend gemacht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467 f).

Die Tatsachenrüge vermag mit der Kritik an der - als solche einer Anfechtung aus Z 5a entzogenen (RIS-Justiz RS0099419) - Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen H***** und eigenständigen Schlussfolgerungen aus nicht an der Gesamtheit der die Angaben des Zeugen H***** ausführlich behandelnden beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter gemessenen Verfahrensergebnissen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487) auf der Aktengrundlage keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldsprüchen zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen.

Mit für den Nichtigkeitswerber günstigen Aussagen des Zeugen Karoly N***** hat sich das Schöffengericht - der Beschwerde (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) zuwider - zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) auseinandergesetzt (US 18 ff). Dass schließlich der Familienname des Beschwerdeführers bei Übergabe des zu A./2./ und B./2./ tatverfangenen Suchtgifts an den Abnehmer genannt worden sei, wurde vom Zeugen Naser B***** auch bei seiner fortgesetzten Vernehmung (ON 277 S 14) - dem jene Aussage unvollständig referierenden Beschwerdestandpunkt (weiterhin Z 5 zweiter Fall) zuwider - substantiell nicht in Abrede gestellt und bedurfte daher keiner gesonderten Erörterung.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt mangels Darlegung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588), weshalb die - überdies urteilsfremd (vgl US 6 f, 20: in den Abendstunden des 9. Jänner 2009) - vermisste Feststellung des näheren Zeitpunkts der zu A./2./ inkriminierten Suchtgiftübergabe entscheidende Tatsachen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399) betreffen soll, und welcher weiteren Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite (US 9 f) es bedurft hätte, die Ausrichtung am Verfahrensrecht. Der Einwand eines bloßen substanzlosen Gebrauchs der verba legalia übergeht die mit hinreichendem Sachverhaltsbezug getroffenen Konstatierungen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen.

Es zeigt sich aber mit Blick auf die vom Schöffengericht vorgenommene Wertung der „beharrlichen Uneinsichtigkeit“ als eine für die Strafzumessung entscheidende Tatsache (US 28) eine nicht gerügte unrichtige Gesetzesanwendung (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO; RIS-Justiz RS0090897), weil dem Angeklagten aus seiner Verteidigung im Verfahren kein Nachteil erwachsen darf. Da dem Nichtigkeitsgrund noch im Rahmen der - aus der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde folgenden - Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts (§ 285i StPO) Rechnung getragen werden kann (RIS-Justiz RS0090885), bedarf es keiner amtswegigen Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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