OGH 13Os98/11b

OGH13Os98/11b13.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Erich R***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Wolfgang M*****, Herbert Sch***** und Peter K***** sowie die Berufung des Angeklagten Erich R***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 18. April 2011, GZ 34 Hv 46/11m-79, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Aus ihrem Anlass wird das Urteil, das im Übrigen (einschließlich der Entscheidungen über die Einziehung des sichergestellten Suchtgifts und die - verfehlt in Beschlussform ergangene [vgl § 35 Abs 1 iVm § 445 Abs 1 StPO idF vor BGBl I 2010/108] - Abschöpfung der Bereicherung) unberührt bleibt, jeweils in der Subsumtion nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG der den Schuldsprüchen II/1 hinsichtlich Wolfgang M***** und IV hinsichtlich Karl S***** zu Grunde liegenden Taten, weiters betreffend den Angeklagten Peter K***** in der Subsumtion der dem Schuldspruch V/1 zu Grunde liegenden Taten nach § 28a Abs 2 Z 1 und 3 (iVm Abs 3 zweiter Fall) SMG, in den zu den genannten Schuldsprüchen gebildeten Subsumtionseinheiten, demgemäß auch in den diese Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen sowie im Einziehungserkenntnis betreffend „Suchtgiftutensilien“ und demzufolge hinsichtlich Karl S***** der Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung einer Probezeit aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit ihren Berufungen gegen die Strafaussprüche werden die Angeklagten Wolfgang M***** und Peter K***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Erich R*****, Herbert Sch***** und Wolfgang M*****, letztere soweit sie sich gegen das Abschöpfungserkenntnis richtet, werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Linz überwiesen.

Den Angeklagten Wolfgang M*****, Herbert Sch***** und Peter K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden sämtliche Angeklagte der Verbrechen des Suchtgifthandels und zwar - soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden und die amtswegige Maßnahme von Bedeutung - Karl S***** (IV) und Wolfgang M***** (II/1) nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, letzterer iVm § 12 dritter Fall StGB, Herbert Sch***** nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 iVm Abs 3 zweiter Fall SMG (III/1) und Peter K***** nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Z 3 iVm Abs 3 zweiter Fall SMG (V/1), weiters Wolfgang M***** des Vergehens der Vorbereitung von Suchgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG (II/2), sowie dieser (II/3) und die Angeklagten Herbert Sch***** (III/2) und Peter K***** (V/2) der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG schuldig erkannt.

Danach haben in Salzburg vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabisprodukte (Wirkstoff Delta-9-THC) mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 13,5 %, und zwar

(II) Wolfgang M*****

1) 5.095 Gramm (687 Gramm Reinsubstanz), somit Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, in mehreren Angriffen anderen überlassen oder dazu beigetragen, nämlich

a) von April 2009 bis Oktober 2010 teils durch Verkauf, teils durch unentgeltliche Übergabe von insgesamt 3.096 Gramm an im Urteil namentlich genannte Abnehmer;

b) von Februar bis zum 5. Oktober 2010, indem er den Suchtgifthandel des Karl S***** dadurch unterstützte, dass er aus Suchtgiftverkäufen stammendes Bargeld von 4.900 Euro und insgesamt 2.000 Gramm, die letztendlich auch von Karl S***** verkauft wurden, von diesem übernahm und bei sich in der Wohnung aufbewahrte;

2) am 5. Oktober 2010 185 Gramm (24 Gramm Reinsubstanz), somit Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde;

3) von Mitte 2008 bis 5. Oktober 2010 erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum oder zur Sicherstellung durch die Polizei besessen;

(III) Herbert Sch*****

1) von Mitte Juli 2009 bis Anfang August 2010 760 Gramm (101 Gramm Reinsubstanz) und drei Gramm Kokain, somit Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, anderen überlassen, nämlich durch Abgabe oder Verkauf an teils im Urteil namentlich genannte, teils unbekannte Abnehmer, wobei er gewerbsmäßig handelte und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28 Abs 2, 3 und 4 Z 3 SMG (idF vor BGBl I 2007/110) verurteilt worden war, jedoch an Suchtmittel gewöhnt ist und die angeführten Straftaten vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel zu verschaffen;

2) von 2008 bis zum 6. Oktober 2010 erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum besessen;

(IV) Karl S***** von Mitte 2008 bis zu seiner Festnahme am 5. Oktober 2010 9.150 Gramm (1.235 Gramm Reinsubstanz), somit Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, anderen überlassen, indem er es an im Urteil namentlich genannte Personen teils verkaufte, teils verschenkte oder zur Verwahrung übergab;

(V) Peter K*****

1) von Juni 2009 bis Anfang Oktober 2010 2.500 Gramm (337 Gramm Reinsubstanz), somit Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) 15-fach übersteigenden Menge, durch Verkauf an unbekannte Abnehmer in mehreren Angriffen anderen überlassen, wobei er gewerbsmäßig gehandelt hat und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28 Abs 2 SMG (idF vor BGBl I 2007/110) verurteilt worden war, jedoch an Suchtmittel gewöhnt ist und die Suchtgiftverkäufe vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel zu verschaffen;

2) von April 2009 bis Oktober 2010 erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum besessen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten Wolfgang M*****, gestützt auf die Z 5 und 9 lit a, des Angeklagten Herbert Sch***** unter Geltendmachung der Z 10 und 11 jeweils des § 281 Abs 1 StPO sowie - unausgeführt geblieben - des Angeklagten Peter K*****, denen allesamt keine Berechtigung zukommt.

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang M***** das Urteil insgesamt als nichtig bezeichnet, inhaltlich jedoch ausschließlich zu Schuldspruch II/1 argumentiert, war sie im gegen die übrigen Schuldsprüche gerichteten Umfang - ebenso wie jene des Angeklagten Peter K***** zur Gänze - mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen bei ihrer Anmeldung oder Ausführung zurückzuweisen (§§ 285a Z 2, 285d Abs 1 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang M***** im Übrigen:

Der Beschwerdeführer reklamiert ansonsten im Rahmen von Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) und Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach jedoch Z 10) im Wesentlichen inhaltsgleich ein Fehlen von Feststellungen zum Reinheitsgehalt hinsichtlich eines Teiles der vom Schuldspruch II/1/a erfassten Suchtgiftmenge, übergeht dabei jedoch die Konstatierungen (US 13 f), wonach Karl S***** der ausschließliche Lieferant der gesamten vom Beschwerdeführer überlassenen Cannabisprodukte war, die einen durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 13,5 % aufwiesen. Diese Annahme begründeten die Tatrichter dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider logisch und empirisch einwandfrei mit den Ergebnissen der kriminaltechnischen Untersuchung des (beim Beschwerdeführer) sichergestellten Suchtgifts (ON 7 S 23 ff in ON 22), den Angaben des Angeklagten Karl S*****, wonach dieser das gesamte Suchtgift von derselben Quelle bezogen habe und mit dem Umstand, dass - mit einer als nicht erheblich beurteilten Ausnahme - die Angeklagten keine Angaben zu schwankender Qualität des Suchtgifts gemacht hätten (US 20 f).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Herbert Sch*****:

Der von der Subsumtionsrüge (Z 10) erhobene Einwand, der Beschwerdeführer habe hinsichtlich eines Teiles der von ihm überlassenen Cannabisprodukte (III/1/a) nicht gewerbsmäßig gehandelt, hat keinen Einfluss auf die unabhängig davon in Bezug auf die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigende Suchtgiftquanten verwirklichte - zum Vorteil des Beschwerdeführers übrigens nur einmal angelastete (vgl hingegen RIS-Justiz RS0123909) - Qualifikation (§ 28a Abs 2 Z 1 SMG) und spricht somit keine entscheidende Tatsache an.

Die Sanktionsrüge (Z 11) macht mit der Kritik an unterbliebener (teil-)bedingter Strafnachsicht bloß einen Berufungsgrund geltend (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 728).

Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 10 und 11 zweiter Fall) zum Nachteil der Angeklagten anhaftet, die von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) aufzugreifen war.

Im Zusammenhang mit den Schuldsprüchen wegen Verbrechen des Suchtgifthandels enthalten die Entscheidungsgründe zur subjektiven Tatseite (bloß) die für alle Angeklagten gleichlautend getroffene Feststellung, diese „hielten es bei den jeweiligen Verkäufen von Cannabisprodukten an ihre Suchtgiftabnehmer auch ernstlich für möglich und fanden sich damit ab, dass sie durch die kontinuierliche Übergabe von Cannabisprodukten im Laufe der Zeit eine stetig ansteigende Gesamtmenge in Teilmengen anderen überlassen (und so letztlich die Grenzmenge bei Delta-9-THC von 20 Gramm Reinsubstanz überschreiten) werden“ (US 14; vgl auch die ausdrücklich nur auf die Grenzenmenge des § 28b SMG bezogene Begründung auf US 21). Damit fehlt es aber an einer die Annahme der Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 3 SMG zu den Schuldsprüchen II/1 und IV sowie der Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 3 SMG zum Schuldspruch V/1 in subjektiver Hinsicht (in Form eines auf das Übersteigen der dort jeweils genannten Suchtgiftmengen gerichteten Vorsatzes) tragenden Sachverhaltsgrundlage.

Zum Schuldspruch V/1 begnügt sich das Erstgericht in Betreff der Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 1 SMG zudem mit der Feststellung, Peter K***** sei schon zweimal „wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG“ (idF vor BGBl I 2007/110) verurteilt worden, wobei es die in den Urteilen jeweils angelasteten Bruttoverkaufsmengen anführt (US 9). Eine verlässliche Beurteilung, ob die von den qualifikationsbegründend herangezogenen Verurteilungen erfassten Taten in Betreff jeweils (bezogen auf die Reinsubstanz) die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigender Mengen gesetzt wurden (vgl RIS-Justiz RS0123175), ist auf dieser Basis nicht möglich.

Diese Rechtsfehler mangels Feststellung erfordern eine Aufhebung der davon betroffenen Qualifikationen (nicht jedoch der Schuldsprüche II/1 [dort teils iVm § 12 dritter Fall StGB], IV und V/1 jeweils nach dem Tatbestand des § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG), der zu diesen Schuldsprüchen gebildeten Subsumtionseinheiten (nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG zu II/1 und IV sowie nach § 28a Abs 2 Z 1 und 3 [iVm Abs 3 zweiter Fall] SMG zu V/1) sowie der im Zusammenhang stehenden Strafaussprüche und hinsichtlich Karl S***** des gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO gefassten Beschlusses. Diese Subsumtionseinheiten werden im weiteren Verfahren - im Fall neuerlicher Annahme der kassierten Qualifikationen - neu zu bilden sein (RIS-Justiz RS0116734).

Schließlich fehlt es hinsichtlich des Ausspruchs über die Einziehung nicht näher bezeichneter „Suchtgiftutensilien“ an Urteilsannahmen zur Beurteilung der von § 26 Abs 1 StGB als - auch durch ein Einverständnis der Angeklagten (vgl US 25) nicht zu ersetzenden - Voraussetzung einer Einziehung genannten besonderen Beschaffenheit der Gegenstände (RIS-Justiz RS0121298).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Erich R*****, Herbert Sch***** und Wolfgang M*****, soweit letztere sich gegen das Abschöpfungserkenntnis richtet.

Die Angeklagten Wolfgang M***** und Peter K***** waren mit ihren gegen die Strafaussprüche gerichteten Berufungen auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO; sie bezieht sich nicht auf das amtswegige Vorgehen (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12).

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