Spruch:
Der Revisionsrekurs der Minderjährigen wird zurückgewiesen.
Dem Revisionsrekurs der Mutter wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag des Vaters auf Verhängung einer Geldstrafe abgewiesen wird.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern wurde aus dem Alleinverschulden des Vaters geschieden. Die Mutter wurde mit der alleinigen Obsorge betraut. Seit der Vater am 6. 10. 2008 die Ehewohnung verlassen hat und nicht mehr zurückgekehrt ist, haben die Kinder zu ihm keinen Kontakt.
Der Vater beantragte die gerichtliche Regelung des Besuchsrechts. Der Kontakt zu den Kindern (auch ein begleitetes Besuchsrecht) scheitere am Widerstand der Mutter, weil sie behaupte, die Kinder würden den Vater nicht sehen wollen und sich vor ihm fürchten.
Die Stellungnahme des Jugendwohlfahrtsträgers bestätigte, dass beide Kinder, im Speziellen F*****, den Kontakt zum Vater verweigern. F***** verweist auf zurückliegende Tätlichkeiten und Übergriffe des Vaters ihm gegenüber (Einsperren, an den Ohren ziehen, mit Kleidung in den Pool werfen). Es wurde empfohlen, auf die Aussage des Minderjährigen Rücksicht zu nehmen und es wurde auf die Möglichkeit eines begleiteten Besuches zur Aufrechterhaltung des Kontakts zwischen Vater und Kinder hingewiesen. Die begleiteten Besuchskontakte kamen nicht zustande, weil - so die Einrichtung - die Mutter im gemeinsamen Elterngespräch angegeben habe, dass beide Kinder den Kontakt zum Vater auf Grund der familiären Vorgeschichte vehement ablehnten. Sie selbst habe grundsätzlich nichts gegen Besuchskontakte, jedoch könne sie die Ängste und Bedenken der Kinder verstehen. Kennenlern-Treffen mit der Besuchsbegleiterin im Vorfeld der Besuchskontakte habe die Mutter als nicht sinnvoll erachtet.
In dem vom Erstgericht eingeholten Gutachten eines Sachverständigen für Kinder- und Jugendpsychiatrie wird ausgeführt, die Mutter habe ansatzweise Symptome einer PAS-Anfälligkeit (Parental Alienation Syndrom), weil sie sich gegen begleitete Besuchsinitiativen ausspreche. Dabei könne es vorkommen, dass der Loyalitätskonflikt des Kindes bewusst oder unbewusst aufgebaut werde und zwar solange, bis es ohne Gründe zu wissen oder erfahren zu haben, den anderen Elternteil ablehne und die Beziehung zu ihm zerstören wolle oder müsse. Derzeit könnten die Kinder mit dieser Polarisierung gut zurechtkommen. In weiterer Folge aber und mit zunehmendem Alter werde ein Schaden an der Identität, vielleicht sogar an der Persönlichkeitsentwicklung entstehen, weil ihnen immer mehr bewusst werden würde, dass sie einen untauglichen und unfähigen Vater hätten. Der Sachverständige kam zum Schluss, dass die Ablehnung des Vaters durch die Kinder nicht aus von diesen selbst erfahrenen Traumata oder Demütigungen stammten, sondern Spiegel der Frustration und Enttäuschung der Mutter über eine misslungene Partnerschaft seien. Die theoretisch wichtige Empfehlung im Sinn des Kindeswohls in Form der Pflege und Erweiterung der Vater-Kinderkontakte sei daher praktisch nicht durchführbar. Für die Vorbereitung der Besuchskontakte müssten aus Sicht des Sachverständigen die Mutter und auch die mütterlichen Großeltern Gelegenheit finden, in einer Beratungsstelle oder unter Familientherapie ihre Erlebnisse, Ängste und Empörungen abzuleiten. Der Sachverständige empfahl eine Aussetzung des Besuchskontakts zum Vater für etwa sechs Monate. Die Mutter solle sich während dieser Phase bewusst werden, dass der Entzug des Vaters auf Dauer zu Störungen des Selbstbildes der Kinder führe. Der Sachverständige ergänzte, dass er die Verhängung von Beugestrafen gegen die Mutter im Zusammenhang mit dem vom Vater angestrebten Besuchskontakt aber als kontraproduktiv erachte, weil alle finanziellen Belastungen der alleinerziehenden Mutter sofort wieder als Bosheitsakt des Vaters mit Verzicht und Entbehrung vermittelt werden würde.
Das Erstgericht wies mit seinem Beschluss vom 28. 4. 2010 den Antrag des Vaters, ihm ein begleitetes Besuchsrecht einzuräumen, ab und erteilte der Mutter gemäß § 176 ABGB die Auflage, gemeinsam mit ihren beiden minderjährigen Kindern familientherapeutische Begleitung zur Erlangung möglicher Perspektiven künftiger Kontakte der Kinder zum Vater in Anspruch zu nehmen und dies erstmals binnen eines Monats nach Rechtskraft dieser Entscheidung und in der Folge vierteljährlich jeweils unaufgefordert dem Gericht nachzuweisen. Dieser Beschluss blieb unbekämpft.
Die Mutter erstattete keine diese Auflage betreffende Berichte. In der Tagsatzung vom 15. 4. 2011 lehnte sie dezidiert die Auflagenerfüllung ab. Sie verstehe nicht, weshalb sie eine Therapie brauche. Ihr gehe es seit drei Jahren gut. Auch F***** lehne die Therapie ab, er brauche sie auch nicht. Sie habe ordnungsgemäß das Familientherapiezentrum des Landes Oberösterreich aufgesucht. Sämtliche Versuche seien daran gescheitert, dass insbesondere F***** jedweden Kontakt zum Vater ablehne und durch keine therapeutischen Maßnahmen eine Erzwingung eines Kontakts möglich sei. M***** orientiere sich an ihrem Bruder und es sei deshalb auch für sie eine Besuchsrechtsanbahnung nicht möglich. Die Mutter habe mehrfach und insbesondere vor den mütterlichen Großeltern versucht, einen Kontakt der Kinder zum Vater zu befürworten, habe diese jedoch nicht davon überzeugen können. Es werde die Einvernahme der mütterlichen Großeltern sowie die neuerliche Einholung eines kinder- und jugendpsychiatrischen Gutachtens beantragt.
Der Vater beantragte, über die Mutter eine Beugestrafe zur Durchsetzung der gerichtlichen Aufträge zu verhängen.
Das Erstgericht verhängte über die Mutter wegen Nichtbefolgung der mit Beschluss vom 28. 4. 2010 erteilten Auflage eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 EUR. Die von der Mutter nun vorgebrachten Argumente seien bereits im Rahmen der Begutachtung im vorangegangenen Verfahren umfassend erörtert und bei der rechtskräftigen Entscheidung berücksichtigt worden. Der Mutter stehe es frei, Therapeuten ihrer Wahl und ihres Vertrauens zu beauftragen. Das Kostenargument gehe ins Leere. Der Vater habe sich infolge seiner Unterhaltsverpflichtungen an allfälligen Kosten zu beteiligen. Sie sei als Mutter verpflichtet, Überzeugungsarbeit bei F***** zu leisten und ihn zu motivieren. Der Therapieauftrag diene gerade dazu, in ihr die Erkenntnis für die Wichtigkeit des Anliegens reifen zu lassen. Der Auftrag an die Mutter hänge nicht davon ab, dass sich auch der Vater einer Therapie unterziehe und seinen Unterhaltsverpflichtungen nachkomme. Dass es vom Gericht durchaus für wesentlich gehalten werde, dass auch der Vater seine Einstellungen hinterfrage und dabei therapeutische Unterstützung in Anspruch nehme, sei geradezu selbstredend, habe aber keinen Einfluss auf die Beiträge und Schritte, die von der Mutter zu fordern seien. Von der Aufnahme der angebotenen Beweise sei daher abzusehen. Beim rechtskräftigen Therapieauftrag an die Mutter handle es sich um einen Eingriff in ihre Obsorge, dessen Durchsetzung dem Reglement der §§ 110, 79 AußStrG unterliege. Insbesondere komme dabei die Anordnung von Geldstrafen bis zu einer Höhe von 100.000 EUR in Betracht.
Das Rekursgericht bestätigte den angefochtenen Beschluss. In § 176 Abs 1 ABGB werde die Rechtsgrundlage dafür gesehen, dem Obsorgeberechtigten konkrete Aufträge oder Auflagen zu erteilen. Gemäß § 110 Abs 1 AußStrG habe das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen angemessene Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG anzuordnen. Die Kosten beim Familientherapiezentrum Linz des Landes Oberösterreich seien selbst bei bescheidenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen finanzierbar, zumal das Erstgespräch kostenlos erfolge und die Abrechnung der Folgekosten einkommensabhängig sei. Die Höhe der verhängten Beugestrafe sei angesichts des Einkommens der Mutter in Relation zur bereits rund ein Jahr dauernden Weigerung, die erteilten Auflagen zu erfüllen, nicht überhöht. Die von der Mutter gestellten Beweisanträge zielten auf eine Wiederholung des zur Auflagenerteilung führenden Beweisverfahrens ab. Das Erstgericht habe zu Recht die beantragten Beweise nicht aufgenommen. Das Rekursgericht trete gegenteiligen Literaturmeinungen, wonach eine Auflage zur Durchführung einer Psychotherapie nicht selbständig durchsetzbar sei, entgegen. Mit der Auflage solle zumindest eine Annäherung und eventuell als Fernziel ein regelmäßiger Kontakt zwischen den Kindern und ihrem Vater vorbereitet werden. Eine Entziehung der Obsorge und Übertragung an den Vater, zu dem die Kinder seit beinahe drei Jahren keinen Kontakt hätten, oder an andere Personen könne keinesfalls dem Kindeswohl entsprechen, zumal keine Anhaltspunkte für eine Mangel- oder Schlechtversorgung der Kinder durch die Mutter bestünden. Solle dem Pflegschaftsgericht daher ein glaubwürdiges Instrumentarium zur Verfügung stehen, der mit einer vom Obsorgeberechtigten ausgehenden Einschränkung des Kontakts der Kinder zum anderen Elternteil verbundenen Kindeswohlgefährdung adäquat begegnen zu können, müsse eine nach § 176 Abs 1 ABGB vom Gericht an den Obsorgeberechtigten als gelindestes Mittel erteilte Auflage auch zwangsweise durchsetzbar sein.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der zwangsweisen Durchsetzung der auf § 176 Abs 1 ABGB gestützten Auflagen zur Inanspruchnahme von familientherapeutischer Begleitung fehle.
Dagegen richten sich die Revisionsrekurse der Mutter und der Minderjährigen mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen als nichtig aufzuheben, hilfsweise sie aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen, hilfsweise sie im Sinn einer Abweisung des Antrags des Vaters auf Verhängung einer Beugestrafe abzuändern.
Der Vater beantragte, den Revisionsrekursen nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Zum Revisionsrekurs der Minderjährigen:
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Der Beschluss, mit dem die Auflage zur familientherapeutischen Begleitung erteilt wurde, blieb unbekämpft. Durch die hier allein strittige Verhängung der Geldstrafe über die Mutter wird in die Rechte der Kinder nicht eingegriffen.
Zum Revisionsrekurs der Mutter:
Der Revisionsrekurs ist zulässig. Beschwerdegegenstand bei Geldstrafen ist nämlich nicht die Strafe als Geldwert des Strafbetrags, sondern die Bestrafung als solche (RIS-Justiz RS0038625, RS0004785, RS0008617). Der Entscheidungsgegenstand ist damit im Sinn des § 62 Abs 3 und 4 AußStrG nicht rein vermögensrechtlicher Natur (RIS-Justiz RS0109789 [T16]).
Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Das Gericht hat auf Antrag oder von Amts wegen im Verfahren zur zwangsweisen Durchsetzung einer gerichtlichen Regelung der Obsorge angemessene Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG anzuordnen (§ 110 Abs 1 AußStrG). § 79 Abs 1 AußStrG regelt Zwangsmittel, deren Anwendung eine durchsetzbare Pflicht voraussetzt (RIS-Justiz RS0124115). Bei den Zwangsmitteln zur Durchsetzung der Anordnungen handelt es sich nicht um Strafen für die Missachtung einer gerichtlichen Verfügung; sie sollen lediglich dazu dienen, der Anordnung in Zukunft zum Durchbruch zu verhelfen (RIS-Justiz RS0007330). Zwangsmittel können auch bei unverschuldeter Nichtbefolgung eines gerichtlichen Auftrags verhängt werden, sie sind jedoch nicht mehr anzuwenden, wenn die Leistung unmöglich geworden ist, was von Amts wegen berücksichtigt werden muss (RIS-Justiz RS0007310). Von der Anordnung jeder Vollzugsmaßnahme ist abzusehen, wenn sie dem Kindeswohl zuwiderläuft oder die Beziehung des Kindes zum pflegeberechtigten Elternteil unerträglich stört. Von einer bestimmten Vollzugsmaßnahme ist abzusehen, wenn sie nach den konkreten Umständen zur Erreichung des angestrebten Zwecks untauglich - oder auch unverhältnismäßig - und in diesem Sinn „untauglich“ ist (RIS-Justiz RS0008614).
Die Frage, ob im Hinblick auf die zwischen der Beschlussfassung und der Verhängung der Ordnungsstrafe vergangene Zeit von rund einem Jahr es nicht notwendig gemacht hätte, die der Entscheidung ursprünglich zu Grunde liegenden Umstände neuerlich zu prüfen (vgl 6 Ob 68/09g), kann dahingestellt bleiben, weil im vorliegenden Fall keine durchsetzbaren Weisungen vorliegen:
Soweit der Mutter ein Auftrag erteilt wird, selbst eine familientherapeutische Begleitung in Anspruch zu nehmen, gibt es keine gesetzliche Grundlage für den Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte (5 Ob 41/11g; Weitzenböck in Schwimann³, § 176 ABGB Rz 45 f; Thunhart, Können Eltern gegen ihren Willen zur Zusammenarbeit mit außergerichtlichen Institutionen gezwungen werden? iFamZ 2011, 142).
Hinsichtlich der Weisung die Kinder betreffend ist zu bedenken, dass bloße Beziehungsschwierigkeiten des Kindes zum obsorgeberechtigten Elternteil (RIS-Justiz RS0006981) ebenso wie die typischen, mit einer Trennung verbundenen familiären Konflikte jedenfalls dann keine Maßnahmen des Pflegschaftsgerichts rechtfertigen, wenn nicht feststeht, dass andernfalls eine irreversible, das Kindeswohl massiv beeinträchtigende psychische Störung mit Krankheitswert zu befürchten ist (3 Ob 3/11d), was hier gar nicht feststeht.
Es ist zweifellos im Interesse des Kindeswohls, dass das Gericht versucht, den Eltern, im vorliegenden Fall der Mutter, Hilfsmittel zu zeigen, wie die Gesprächsbasis zwischen den Beteiligten wiedererlangt werden kann. Wenn aber die Mutter und die Kinder (diese hier sogar vehement) die Therapie ablehnen, ist eine Kindeswohlförderung und eine Besserung der Situation nicht zu erwarten und die Weisung unzulässig (vgl 5 Ob 41/11g). Diese Situation wird hier auch noch dadurch verschärft, dass das Erstgericht davon ausgeht, dass auch beim Vater ein (vom Beschluss nicht erfasster) therapeutisch zu unterstützender „Entwicklungsbedarf“ besteht, bevor es überhaupt zu einer Besuchsanbahnung kommen könnte. Eine unzulässige Weisung des Gerichts kann nicht zwangsweise durchgesetzt werden. Die Frage, ob Weisungen wie die vorliegende in jedem Fall unzulässig oder zumindest nicht durchsetzbar sind, braucht im vorliegenden Fall nicht geklärt zu werden.
Es ist daher der Antrag des Vaters auf Verhängung einer Geldstrafe abzuweisen.
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