OGH 8ObS18/11x

OGH8ObS18/11x29.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Peter Schleinbach in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. A***** F*****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei IEF-Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenz-Entgelt (14.802,54 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juni 2011, GZ 9 Rs 55/11s-21, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die Klägerin gesteht richtigerweise zu, dass eine unzulässige Klagsänderung bzw ein „Aliud“ vorliegt, wenn der Dienstnehmer, der Außenstände aus zwei befristeten Dienstverhältnissen hat, im IESG-rechtlichen Verwaltungsverfahren seine Ansprüche auf das zweite Dienstverhältnis, im gerichtlichen Verfahren hingegen auf das erste Dienstverhältnis stützt. Nach den Ausführungen in der außerordentlichen Revision handelt es sich in diesem Fall „tatsächlich“ um zwei unterschiedliche Sachverhalte bzw Anspruchsgrundlagen. Dementsprechend tritt die Klägerin der Ansicht des Berufungsgerichts nicht entgegen, dass mangels identischer Streitgegenstände - mit Rücksicht auf die sukzessive Zuständigkeit - Unzulässigkeit des Rechtswegs vorliegt, wenn die Klage ua (neben einer quantitativen Änderung) qualitativ geändert und der geltend gemachte Anspruch gegenüber dem Verwaltungsverfahren auf eine andere Anspruchs- bzw Rechtsgrundlage gestützt wird (s dazu 8 ObS 113/98w; 8 ObS 12/05f).

Im zugrunde liegenden Antrag auf Insolvenz-Entgelt hat die Klägerin - soweit hier von Relevanz - Ansprüche auf laufendes Entgelt für den Zeitraum 1. 1. 1995 bis 30. 6. 1995 geltend gemacht. Die Vorinstanzen sind in dieser Hinsicht zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Klägerin dabei auf den (ersten) Vergleich vom 17. 7. 2009 und damit auf eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses gestützt hat. In der Klage hat sie zwar ebenfalls die Ansprüche auf laufendes Entgelt für den genannten Zeitraum angeführt. In ihrem Vorbringen ist sie jedoch von beendigungsabhängigen Lohnansprüchen (Kündigungsentschädigung) bei Berücksichtigung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist und Beendigung des Dienstverhältnisses sechs Monate nach dem Karenzgeldbezug ausgegangen. Dem gerichtlichen Verfahren hat sie demnach eindeutig den prätorischen Vergleich vom 29. 7. 2010 zugrunde gelegt, auf den sie auch in der außerordentlichen Revision Bezug nimmt.

1.2 Eine zur qualitativen Änderung der Klage führende Änderung des Rechtsgrundes liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn jene rechtserzeugende Tatsache, aus der die Obligation entspringt, somit der Entstehungsgrund des Anspruchs, geändert wird (vgl RIS-Justiz RS0032600 [T4]).

Der prätorische Vergleich geht von einer anderen Anspruchsart und einem anderen Anspruchszeitraum als der erste Vergleich aus. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der prätorische Vergleich aufgrund einer geänderten Anspruchsgrundlage und der dadurch bedingten Klagsänderung keine Berücksichtigung finden könne, ist keinesfalls korrekturbedürftig. Die Ansicht der Klägerin, dass der zweite Vergleich lediglich eine „klarstellende Funktion“ habe und „der rückwirkenden zeitlichen Positionierung der Ansprüche sowie deren Bezeichnung“ keine Rechtserheblichkeit zukomme, erweist sich als nicht stichhaltig.

2. Soweit man die - in diesem Punkt widersprüchlichen - Ausführungen der Klägerin auch dahin verstehen wollte, dass sie im gerichtlichen Verfahren zumindest hilfsweise ebenso die Ansprüche laut erstem Vergleich begehrt, ist sie auf die nicht korrekturbedürftige Beurteilung des Berufungsgerichts zu verweisen. Demnach konnte sie ausgehend von der (auf ihrem eigenen Vorbringen im Verein mit ihrem Antrag auf Karenzurlaubsgeld basierenden) Feststellung, wonach sie im Anschluss an die Schutzfrist nach der Geburt ihres Kindes (am 1. 11. 1994) einen Karenzurlaub im Ausmaß von zwei Jahren angetreten habe, in dem der Klage zugrunde liegenden Zeitraum keinen gesicherten Anspruch auf laufendes Entgelt haben. Einem Vergleich mit Änderung des Rechtsgrundes käme überdies auch novierende Wirkung zu (vgl 5 Ob 37/04h; 4 Ob 116/08z).

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Stichworte