Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I./2./ und im Strafausspruch einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Necmettin G***** wird für das ihm nach dem aufrecht gebliebenen Schuldspruch weiterhin zur Last liegende Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB sowie für das Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG und das Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 75 StGB zu einer
lebenslangen Freiheitsstrafe
verurteilt.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Über die Anrechnung der Vorhaft hat das Erstgericht zu entscheiden.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden und einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch eines weiteren Angeklagten enthaltenden Urteil wurde Necmettin G***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (I./1./), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (I./2./), des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (I./3./) sowie des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (zu III./) schuldig erkannt.
Danach hat er am 17. Mai 2010
1./ zwischen ca 22:40 Uhr und ca 23:00 Uhr in H***** auf der einsam gelegenen Alpe „O*****“ im Berggebiet Ho***** Bekir C***** vorsätzlich getötet, indem er ihm mit einem Revolver aus einer Entfernung von wenigen Zentimetern in den Kopf schoss, wobei das Projektil an der rechten Schläfe in den Kopf eindrang und in der hohen Scheitel-Schläfenregion links wieder aus dem Schädel austrat;
2./ gegen 22:15 Uhr in L***** Bekir C***** mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zum Einsteigen in seinen PKW genötigt, indem er ihm mit einer Hand Schläge gegen den Kopf versetzte, ihn mit beiden Händen an der Kleidung im Brustbereich packte, ihn hochhob, schüttelte und Richtung seines Autos zerrte, wo er ihn immer noch an einem Arm festhielt, ihn anschrie und ins Auto verbrachte;
3./ in L*****, K***** und H*****, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine genehmigungspflichtige Schusswaffe, nämlich einen Revolver besessen und geführt;
II./ …
III./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Caglar G***** als Mittäter von ca 22:15 Uhr bis ca 22:40 Uhr in L*****, K***** und H***** Bekir C***** widerrechtlich gefangen gehalten, indem sie mit Bekir C***** nach der unter Punkt I./2./ geschilderten Tat im PKW von der Sennerei in L***** bis auf die Alpe „O*****“ im Berggebiet Ho***** fuhren, wobei Necmettin G***** den PKW lenkte und der ca 100 kg schwere Caglar G***** zur Verhinderung einer allfälligen Flucht des Bekir C***** neben ihm auf der Rücksitzbank im Auto Platz nahm.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus Z 6 und 10a des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Necmettin G*****, die ihr Ziel verfehlt.
Soweit die Fragenrüge (Z 6) in Ansehung des Urteilsfaktums I./1./ die Unterlassung der Stellung von Eventualfragen in Richtung des Verbrechens des Totschlags nach § 76 StGB und des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 StGB reklamiert, orientiert sie sich nicht an den Anfechtungskriterien des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.
Die begehrte Fragestellung setzt voraus, dass in der Hauptverhandlung entsprechende, diese Frage indizierende Tatsachen vorgebracht worden sind (§§ 313 und 314 StPO). Darunter ist nichts anderes zu verstehen als das Vorkommen einer erheblichen Tatsache, einer solchen also, die, wäre sie im schöffengerichtlichen Verfahren vorgekommen, bei sonstiger Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO erörterungsbedürftig gewesen wäre. Demgemäß bedarf es zur Darstellung einer Rüge aus Z 6 des konkreten Hinweises auf derartige Tatsachen, und zwar unter Angabe der Fundstelle in den Akten (RIS-Justiz RS0124172; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23, 42 f).
Indem die Fragenrüge unter Hinweis auf die leugnende Einlassung des Beschwerdeführers bloß auf den dem Schuldspruch I./2./ zugrundeliegenden Sachverhalt verweist, ohne den Erfordernissen gesetzmäßiger Darstellung entsprechend konkret darzustellen, aus welchem in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachensubstrat die begehrten Fragestellungen indiziert gewesen wären, wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (vgl RIS-Justiz RS0119417). Grundlage einer Eventualfrage kann nur ein tatsächliches Verfahrensergebnis, nicht aber eine lediglich abstrakt denkbare Möglichkeit oder eine bloße Mutmaßung sein (RIS-Justiz RS0101087, RS0100420).
Soweit die Tatsachenrüge (Z 10a) auf die eigene, die vorgeworfenen Taten in Abrede stellende Verantwortung, auf trotz der angelasteten „tätlichen Auseinandersetzung“ (gemeint wohl: Schuldspruchfaktum I./2./) fehlende Verletzungen des Opfers im Gesicht oder an anderen Körperstellen, auf fehlende Spuren einer Schussabgabe an den Händen des Angeklagten, auf fehlende Faser- und DNA-Spuren des Rechtsmittelwerbers an der Waffe und auf zu seinen Gunsten interpretierte Ergebnisse einer Rufdatenrückerfassung hinweist, weiters das eingeholte DNA-Gutachten ON 99 anzweifelt und vorbringt, der Einschuss an der rechten Schläfe spräche für eine Selbsttötung, und die Angaben seiner kontradiktorisch vernommenen Tochter als nicht glaubwürdig bezeichnet, wendet sie sich nach Art einer im einzelrichterlichen Verfahren vorgesehenen Schuldberufung gegen die Beweiswürdigung der Geschworenen. Eine solche Anfechtungsmöglichkeit eröffnet der herangezogene Nichtigkeitsgrund aber gerade nicht. Das Urteil eines Geschworenengerichts ist in Bezug auf die Beweiswürdigung vielmehr nur dann nichtig aus Z 10a, wenn die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO iVm § 323 StPO gesetzlich zustehende Ermessen in einer Weise gebraucht haben, die - aus Sicht des Obersten Gerichtshofs - im Tatsächlichen geradezu unerträglich ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470, 490), wovon im gegenständlichen Fall keine Rede sein kann. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wird durch den Nichtigkeitsgrund nach Z 10a nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zum Vorteil des Angeklagten, dass dem Urteil Nichtigkeit nach Z 12 des § 345 Abs 1 StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Das erstgerichtliche Urteil leidet betreffend Punkt I./2./ an einem Rechtsfehler mangels Feststellungen. Eine nur auf Freiheitsentziehung abzielende Drohung oder Gewalttätigkeit, die nicht zugleich der strengeren Bestimmung des § 106 StGB unterfällt, ist nur nach § 99 StGB zu beurteilen; § 105 Abs 1 StGB wird in diesem Fall konsumiert (vgl RIS-Justiz RS0090842, RS0091710 [T1]; Kienapfel/Schroll BT I5 § 99 Rz 41; Ratz in WK2 Vor §§ 28 bis 31 Rz 57 und 63; Schwaighofer in WK2 § 99 Rz 45 f; Schmoller SbgK § 99 Rz 72; Leukauf/Steininger Komm3 § 99 Rz 28; anders hingegen 12 Os 29/99).
Dass das Opfer noch zu etwas anderem als zum Einsteigen in den PKW, in dem es dann gefangen gehalten war, genötigt wurde oder werden sollte, geht aus dem den Beschwerdeführer betreffenden Wahrspruch nicht hervor (vgl den Wahrspruch zu den Hauptfragen II./ und V./). Dieser Rechtsfehler begründet Nichtigkeit nach Z 12 (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 616 f).
Konstatierungen in Richtung eines anderen Nötigungsziels sind in einem weiteren Rechtsgang nicht zu erwarten, weshalb in der Sache zu erkennen war (RIS-Justiz RS0100239).
Einem Freispruch zu Faktum I./2./ stand die Annahme von Idealkonkurrenz zu Schuldspruch III./ entgegen (RIS-Justiz RS0115553, RS0090675, RS0091051).
Bei der erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe war neben der Grausamkeit des Handelns (RIS-Justiz RS0091003) und der reiflichen Tatplanung erschwerend, dass der Angeklagte mehrere strafbare Handlungen begangen hat, mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel.
In Anbetracht dieser Strafzumessungsgründe war mit Rücksicht auf das verwirklichte Unrecht der Taten und die im besonderen Maße ausgeprägte Schuld des Angeklagten, der das Opfer erschoss, weil er dessen Beziehung zu seiner erwachsenen Tochter missbilligte, unter Anwendung des § 28 StGB nach § 75 StGB über Necmettin G***** eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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