OGH 12Os29/99

OGH12Os29/9915.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gutschi als Schriftführer, in der Strafsache gegen Enver Ö***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Enver Ö*****, Akin H***** und Bülent K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 9. Dezember 1998, GZ 8 Vr 490/98-68, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der Angeklagte Enver Ö***** der Verbrechen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 StGB (1/b), der schweren Nötigung nach §§ 105 (zu ergänzen: Abs 1), 106 Abs 1 Z 1 StGB (2/a) und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (2/d), ferner der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (2/b) und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (1/a und 2/c), die Angeklagten Akin H***** und Bülent K***** der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (1/b) und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (1/a) schuldig erkannt.

Darnach haben die Genannten im bewußten und gewollten Zusammenwirken

1. am 8. August 1998 in Ried im Innkreis Özlem O*****

a) durch Zerren zum Einsteigen in einen Personenkraftwagen und zu der anschließenden Fahrt nach Neuhofen genötigt und

b) die persönliche Freiheit durch Gefangenhalten im Personenkraftwagen entzogen, wobei Enver Ö***** darüber hinaus die Freiheitsentziehung bis 10. August 1998 unter solchen Umständen beging, daß sie der Festgehaltenen besondere Qualen bereitete;

2. Enver Ö***** ferner

a) im Mai oder Juni 1998 in Ried im Innkreis und Neuhofen im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den gesondert verfolgten Deniz Ö***** und Akin C***** durch Drohung mit dem Tod, nämlich durch Vorhalten einer Pistole, dazu genötigt, in eine Wohnung nach Neuhofen mitzufahren und die Anfertigung von Lichtbildern zu dulden, die sie in Umarmung mit Enver Ö***** zeigen und

b) dabei widerrechtlich gefangen gehalten;

c) am 9. August 1998 in Neuhofen durch die Drohung, sie nicht wie angekündigt am nächsten Morgen nach Hause zu lassen, dazu genötigt, mit ihrem Vater und der Gendarmerie zu telefonieren und dabei wahrheitswidrig anzugeben, sie befinde sich in Steyr, sei freiwillig mitgekommen und nicht entführt worden;

d) am 9. und 10. August 1998 (während des seit 8. August 1998 andauernden Freiheitsentzugs) in Neuhofen zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie fesselte, ihr den Mund zuhielt und androhte, er werde sie schlagen, sollte sie nicht zu schreien aufhören.

Dagegen richten sich die vom Angeklagten Enver Ö***** aus Z 5, 5a und 9 lit a, vom Angeklagten Akin H***** aus Z 5 und 10 und vom Angeklagten Bülent K***** aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden, die durchwegs fehl gehen.

Rechtliche Beurteilung

Die Tatrichter haben die stets gleichlautenden Aussagen der Özlem O*****, die bei der unter Punkt 1/a bezeichneten Nötigung Tasche und Schuhe am Tatort verloren hat, nicht bloß aufgrund des positiven persönlichen Eindrucks, sondern vor allem deshalb als glaubwürdig beurteilt, weil sie in allen wesentlichen Punkten von den Zeugen Isabella P***** und Ursula E***** - die ihre Entführung auf offener Straße zufällig beobachtet und die Gendarmerie verständigt hatten - bestätigt wurden (US 12, 14), ferner der gesondert verfolgte Akin C***** - im Gegensatz zur Verantwortung des Erstangeklagten - zugegeben hat, sie (anläßlich der unter 2/a bezeichneten Straftat) fotografiert zu haben.

Soweit der Angeklagte Ö***** die mangelhafte Begründung (Z 5) der Annahme moniert, wonach Özlem O***** durch die unter 2/d bezeichneten strafbaren Handlungen defloriert wurde, danach "große" Schmerzen hatte und ihre Kleidung sowie das Bett "blutverschmiert" waren (US 8), wird nicht deutlich und bestimmt (§ 285a Z 2 StPO) dargetan, warum er diesen Tatfolgen entscheidende Bedeutung beimißt. Im übrigen hat das Schöffengericht diese - vom Erstangeklagten gar nicht in Abrede gestellten - Konsequenzen ohnedies mängelfrei mit dem Hinweis auf die Aussage des Opfers und den Bericht des Krankenhauses Braunau begründet (US 11 ff iVm S 51 ff und 431).

Auch mit seinem weiteren Einwand, die drei auf dem 18. Lichtbild der Tatortmappe festgehaltenen Blutflecken rechtfertigten nicht die Konstatierung, das Bett sei "blutverschmiert" gewesen, wird kein Begründungsmangel in der Bedeutung des angezogenen Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt.

Die Mängelrüge des Angeklagten Akin H***** wendet sich zur Gänze gegen die gleichfalls nicht entscheidende Feststellung, wonach die drei Angeklagten bereits Stunden vor den unter Punkt 1/a, b bezeichneten strafbaren Handlungen deren Ausführung planten (US 6, 13), genügt es doch, daß sich die Täter vorsätzlich an der Ausführung beteiligten.

Somit geht der Einwand aktenwidriger Begründung der in Rede stehenden Feststellung, deren Tatsachensubstrat vom Zweitangeklagten - den Urteilsgründen zuwider - nur vor dem Untersuchungsrichter (S 207a), nicht aber schon zuvor bei der Gendarmerie (S 53) eingestanden wurde, ins Leere.

Mit dem Hinweis auf die - vom Erstgericht ohnedies gewürdigten - gegenteiligen Einlassungen der Mitangeklagten bekämpft der Beschwerdeführer bloß die Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die Beschwerde des Angeklagten Bülent K*****, wonach für den Ausspruch über die ihm angelastete Nötigung keine Gründe ("Scheinbegründung") angegeben seien, übergeht prozeßordnungswidrig sämtliche dazu angeführten Urteilsgründe (US 6, 9 und 11-16).

Nach Prüfung der Akten anhand des Vorbringens der Tatsachenrügen (Z 5a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldspruch tragenden Tatsachenfeststellungen.

Im übrigen erfordert eine prozeßordnungskonforme Darstellung des insoweit angezogenen Nichtigkeitsgrundes, daß bereits aus der Aktenlage erkennbar ist, daß zufolge Unterbleibens der amtswegigen Wahrheitsforschung die Sachverhaltsaufklärung bezüglich entscheidender Tatsachen mangelhaft blieb (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5a E 11); der bloße Hinweis des Erstangeklagten auf - hier sogar nur schriftlich und ohne Angabe eines Beweisthemas gestellte (ON 64 und 69), in der Hauptverhandlung nicht wiederholte (S 539) - Anträge auf Einvernahme von Zeugen genügt demnach nicht.

Die Rechtsrügen der Angeklagten Ö***** (Z 9 lit a) und H***** (Z 10, der Sache nach gleichfalls Z 9 lit a) verfehlen durchwegs den Vergleich des im Urteil festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz und damit eine prozeßordnungsgemäße Darstellung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes:

Der Erstangeklagte behauptet urteilsfremd, Özlem O***** sei freiwillig nach Neuhofen mitgefahren und er habe dort mit ihrem Einverständnis einen Geschlechtsverkehr durchgeführt.

Der Einwand des Zweitangeklagten, die angelastete Nötigung sei "lediglich als Mittel für die Freiheitsentziehung" eingesetzt worden und deshalb straflos, negiert den entscheidenden (Leukauf/Steininger Komm3 § 99 RN 28; Schwaighofer in WK § 99 Rz 35) Umstand, daß die Täter nicht nur die Fahrt des Opfers nach Neuhofen erzwangen, sondern es außerdem über die - die Dauer einer mit einer Nötigung typischerweise verbundenen kurzfristigen Freiheitsbeschränkung bereits überschreitende - Fahrzeit hinaus gefangen hielten (US 6 f iVm S 509 ff).

Die teils offenbar unbegründeten, teils nicht gesetzmäßig ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die außerdem ergriffenen Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

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