Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass sie als
Teilurteil
zu lauten haben:
„Das Hauptklagebegehren, die Beklagte wird aus dem Gesellschaftsverhältnis zur K***** Gesellschaft m.b.H. (FN *****) ausgeschlossen und ist bei sonstiger Exekution verpflichtet, ihren an der K***** Gesellschaft m.b.H. (FN *****) gehaltenen Geschäftsanteil an die Kläger entsprechend deren bisherigen Anteilen am Stammkapital der K***** Gesellschaft m.b.H. zur Gänze, lastenfrei und frei von Rechten Dritter zu übertragen, dies Zug um Zug gegen Bezahlung einer gemäß Punkt 11.2. des Gesellschaftsvertrags der K***** Gesellschaft m.b.H. in seiner Fassung vom 22. 11. 2006 zu bewertenden Abfindung, wobei als Bewertungsstichtag für diese Abfindung der Tag der Zustellung der Klagsschrift an die Beklagte zu nehmen ist, wird abgewiesen.
Das Eventualbegehren, die Notariatsakte GZ 688 (Übernahmserklärung) und GZ 689 (notarielles Abtretungsanbot) je des öffentlichen Notars Mag. M***** M***** vom 22. 11. 2006 werden mit der Rechtswirkung aufgehoben, dass sie mit Rechtskraft dieses Urteils aufgehoben sind, wird abgewiesen.“
Im Übrigen, sohin hinsichtlich des weiteren Eventualbegehrens, der Notariatsakt GZ 690 (Beteiligungsvertrag) des öffentlichen Notars Mag. M***** M***** vom 22. 11. 2006 wird mit der Rechtswirkung aufgehoben, dass er mit Rechtskraft dieses Urteils aufgehoben ist, und hinsichtlich der Kosten werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung aufgetragen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind Gesellschafter der im Firmenbuch des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu FN ***** eingetragenen K***** Gesellschaft mbH, und zwar der Erstkläger zu 67,5 %, die Zweitklägerin zu 7,5 % und die Beklagte zu 25 %. Letztere beteiligte sich mit „Übernahms- und Beitrittserklärung“ vom 22. 11. 2006 durch Übernahme einer durch Kapitalerhöhung neu geschaffenen Stammeinlage.
Am selben Tag bot der Erstkläger der Beklagten mit „Unwiderrufliche[m] Anbot auf Abtretung von Geschäftsanteilen“ die Abtretung seiner Stammeinlage zu weiteren 25 % an. Die Streitteile schlossen einen „Beteiligungsvertrag“ ab, mit welchem sie unter anderem auf jede Anfechtung dieses Vertrags sowie der Beschlüsse der Generalversammlung der Gesellschaft über die Kapitalerhöhung und die Beteiligung der Beklagten verzichteten. Schließlich kam es zum Abschluss eines Gesellschaftsvertrags hinsichtlich der Gesellschaft, in dem ein Ausschluss eines Gesellschafters aus der Gesellschaft nicht ausdrücklich geregelt ist.
Die Vorinstanzen wiesen das Hauptbegehren der Kläger auf Ausschluss der Beklagten aus der Gesellschaft und auf deren Verpflichtung, ihren Geschäftsanteil an der Gesellschaft unter bestimmten, näher genannten Bedingungen an die Kläger zu übertragen, sowie das Eventualbegehren auf Aufhebung der „Übernahms- und Beitrittserklärung“, des „Beteiligungsvertrag[s]“ und des „Unwiderrufliche[n] Anbot[s] auf Abtretung von Geschäftsanteilen“ ab; das Berufungsgericht sprach darüber hinaus aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und dass die ordentliche Revision nicht zulässig ist.
Die Vorinstanzen vertraten die Rechtsansicht, nach ständiger Rechtsprechung sei der zwangsweise Ausschluss eines Gesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung unzulässig, sofern im Statut eine Ausschlussklausel nicht vereinbart sei. Daran habe sich auch durch das Inkrafttreten des Gesellschafter-Ausschlussgesetzes nichts geändert, womit dem Hauptbegehren keine Berechtigung zukommen könne. Aber auch das Eventualbegehren sei nicht berechtigt, stützten die Kläger die Vertragsanfechtungen doch auf Verhalten der Beklagten nach Vertragsabschluss; bei der Übernahmserklärung handle es sich außerdem um ein Zielschuldverhältnis.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht teilweise die Rechtslage verkannt hat; sie ist auch teilweise berechtigt.
1. Nach ständiger, auf der Entscheidung 1 Ob 600/53 (SZ 26/285) basierender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der zwangsweise Ausschluss eines Gesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung - mit Ausnahme des in § 66 GmbHG geregelten einzigen Falles der Säumigkeit bei der Einzahlung der Stammeinlage - unzulässig (RIS-Justiz RS0059745; zuletzt 1 Ob 135/06v ecolex 2007/120 [Reich-Rohrwig]), wenn nicht Ausschlussmöglichkeit und Ausschlussverfahren im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sind (RIS-Justiz RS0102055). Eine „rechtsfortbildende Etablierung“ einer Ausschlussklage sei schon allein deshalb abzulehnen, weil der Gesetzgeber in Kenntnis dieser jahrzehntelangen Rechtsprechung und der Diskussion in der Literatur, die überwiegend für eine Rechtsfortbildung eintrete, keine andersartige Regelung getroffen habe, was gegen die Annahme einer planwidrigen Gesetzeslücke spreche (1 Ob 135/06v).
Der erkennende Senat sieht auch im Anlassfall keinen Grund, von dieser als gefestigt zu bezeichnenden Rechtsprechung abzugehen. Das Argument der Kläger, diese Rechtsprechung sei aufgrund der zwischenzeitigen Einführung des Gesellschafterausschlusses durch das Gesellschafter-Ausschlussgesetzes überholt, überzeugt nicht: Der Gesetzgeber hat nunmehr den Ausschluss eines Gesellschafters zugelassen, dies aber nur unter konkreten Bedingungen, die jedoch im Anlassfall nicht gegeben sind (vgl § 1 Abs 2 GesAusG). In den ErläutRV zum Gesellschafter-Ausschlussgesetz wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich „aus zahlreichen Gründen eine Neuregelung dieses Rechtsbereichs“, nämlich des „Ausschluss[es] der Minderheitsgesellschafter“ empfohlen habe. Eine Gesetzeslücke liegt damit nunmehr erst recht nicht vor (aA Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] Anh § 71 Rz 13, die für eine Anwendung der Grundgedanken des § 140 UGB eintreten).
In ihrer außerordentlichen Revision berufen sich die Kläger nicht (mehr) darauf, dass im Gesellschaftsvertrag Ausschluss und Ausschlussverfahren ohnehin vorgesehen und geregelt seien. Die Vorinstanzen haben diesbezüglich auch negative Feststellungen getroffen.
Das auf Ausschluss der Beklagten aus dem Gesellschaftsverhältnis gerichtete Hauptbegehren wurde somit zutreffend abgewiesen.
2. Die Parteien haben am 22. 11. 2006 nicht nur einen Gesellschaftsvertrag, sondern auch einen „Beteiligungsvertrag“ abgeschlossen. Darüber hinaus übernahm die Beklagte mit „Übernahms- und Beitrittserklärung“ einen durch Kapitalerhöhung geschaffenen Geschäftsanteil an der Gesellschaft und trat dem Gesellschaftsvertrag bei. Schließlich stellte der Erstkläger der Beklagten ein unwiderrufliches Anbot auf Abtretung von (weiteren) Geschäftsanteilen, das bis Ende 2056 befristet ist.
2.1. Die „Übernahms- und Beitrittserklärung“ der Beklagten stellte die Übernahme eines durch Kapitalerhöhung geschaffenen Geschäftsanteils an der Gesellschaft dar (§ 52 GmbHG). Die Eintragung der Beklagten als Gesellschafterin im Firmenbuch erfolgte am 17. 2. 2007. Seit diesem Zeitpunkt können Mängel der Übernahme nicht mehr geltend gemacht werden (1 Ob 676/84 SZ 57/174; vgl auch 1 Ob 509/96 SZ 69/94; 1 Ob 135/06v). Aufgrund welcher konkreter, bei Übertragung des Anteils bereits vorliegender Umstände (Willensmängel bei Vertragsabschluss) die Übertragung wieder aufgehoben werden sollte, lässt sich auch dem Vorbringen der Kläger nicht entnehmen. Diese berufen sich in der außerordentlichen Revision nur auf „wichtige Gründe“, die erst später eingetreten sein sollen. Selbst der Übernehmer kann aber aus wichtigem Grund nur bis zur Eintragung zurücktreten (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] § 52 Rz 34).
2.2. Das „Unwiderrufliche Anbot auf Abtretung von Geschäftsanteilen“ des Erstklägers stellt einen Optionsvertrag dar, auf den zwar die Umstandsklausel des § 936 ABGB anwendbar wäre (Bollenberger in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB³ [2010] § 861 Rz 10; Gruber in Kletecka/Schauer, ABGB-ON [2010] § 936 Rz 5, je mit weiteren Nachweisen), wobei § 936 Satz 1 ABGB auch den Verlust des Vertrauens in den Vertragspartner erwähnt. Allerdings haben der Erstkläger und die Beklagte rechtswirksam (Binder in Schwimann, ABGB³ [2006] § 936 Rz 40 unter Hinweis auf 1 Ob 298/61 JBl 1962, 90) die Unwiderruflichkeit des Anbots vereinbart und damit die Umstandsklausel ausgeschlossen.
2.3. Damit haben die Vorinstanzen zutreffend auch das Eventualbegehren abgewiesen, soweit dieses die Aufhebung der genannten Notariatsakte anstrebt.
3. Der „Beteiligungsvertrag“ enthält unter anderem Regelungen über die Ausübung der Stimmrechte der Gesellschafter und soll den Gesellschaftsvertrag ergänzen. Der „Beteiligungsvertrag“ stellt sich somit als Stimmrechtsbindungs- beziehungsweise Syndikatsvertrag (letzterer geht über die Stimmbindung hinaus; vgl 3 Ob 72/09g RWZ 2009, 332 [Wenger] = GesRZ 2010, 49 [Enzinger]) dar.
3.1. Darunter werden regelmäßig rechtsgeschäftliche Bindungen zukünftigen Abstimmungsverhaltens zwischen den Gesellschaftern verstanden; sie sind sinnvolle Ergänzungen von Gesellschaftsverträgen, ohne in die gesellschaftsrechtliche Organstruktur einzugreifen (RIS-Justiz RS0079236). Syndikatsverträge begründen ein Dauerschuldverhältnis, das als Gesellschaft nach bürgerlichem Recht zu qualifizieren ist (7 Ob 59/03g JBl 2003, 869; 3 Ob 72/09g). Gemäß § 1212 ABGB ist ein Syndikatsvertrag daher ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündbar, wenn er auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde, bei Abschluss auf bestimmte Zeit jedoch nur aus wichtigem Grund (7 Ob 59/03g).
Dabei muss die Zeitdauer für einen möglichen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts nicht kalendermäßig festgelegt werden; sie kann sich auch aus dem Gesellschaftszweck oder den sonstigen zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen ergeben, wenn daraus hervorgeht, dass die Parteien eine längerfristige Bindung eingehen wollten. Im Rahmen eines solchen zeitlichen Ausschlusses des ordentlichen Kündigungsrechts könnte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nur aus wichtigen Gründen (außerordentliche Kündigung) aufgelöst werden. § 1212 ABGB normiert damit nur das, was ganz allgemein für Dauerschuldverhältnisse mit unbestimmter Dauer zu gelten hat (vgl dazu RIS-Justiz RS0027780): Die freie Kündbarkeit eines nicht auf bestimmte Zeit eingegangenen Dauerschuldverhältnisses bildet zwar die Regel, es ist aber immer die Absicht der Parteien maßgebend, die unter Umständen darauf gerichtet sein kann, die freie Kündbarkeit - auch nur für einen gewissen Zeitraum - ohne Angabe von Gründen nicht ohne weiteres zuzulassen (7 Ob 59/03g).
3.2. Offensichtlich im Hinblick auf Punkt 6. des „Beteiligungsvertrags“ (Die Vertragsparteien verzichten im Rahmen des gesetzlich Möglichen auf jedwede Anfechtung dieses Vertrags …) gehen die Kläger selbst und insofern zutreffend (vgl etwa Jabornegg/Resch in Schwimann, ABGB³ [2006] § 1212 Rz 9, wonach § 1212 ABGB dispositiv und daher ein teilweiser oder gänzlicher Ausschluss der ordentlichen Kündigung zulässig ist) davon aus, dass der „Beteiligungsvertrag“ nicht ordentlich kündbar, sondern (allenfalls) nur aus wichtigem Grund (außerordentlich) kündbar ist. In ihrer außerordentlichen Revision berufen sie sich auf eine (angebliche) Verleumdung des Erstklägers durch die Beklagte gegenüber einem Geschäftspartner der Gesellschaft (im Verfahren erster Instanz behauptete Vertragsverletzungen der Beklagten sind nicht mehr revisionsgegenständlich), was - bei entsprechender Schwere der Verleumdung - infolge Wegfalls der Vertrauensbasis die Fortsetzung des Dauerrechtsverhältnisses für die Klagsseite unzumutbar erscheinen lassen und daher einen wichtigen Grund darstellen könnte.
3.3. Die Vertragsparteien haben auf jedwede Anfechtung des Syndikatsvertrags verzichtet, worunter wohl auch ein Verzicht auf jedwede Aufkündigung verstanden werden könnte. Da die Beendigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund jedem Dauerschuldverhältnis immanent ist, kann zwar der völlige Verzicht darauf nicht wirksam vereinbart werden (RIS-Justiz RS0016630).
3.4. Allerdings kann die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses trotz Kündigungsverzichts aus wichtigen Gründen nur das „äußerste Notventil“ sein, weshalb bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Auflösungsgrund vorliegt, ein strenger Maßstab anzulegen ist und die Gründe ein erhebliches Gewicht haben müssen (4 Ob 189/99v; 3 Ob 274/02v). Darüber hinaus ist das Auflösungsinteresse des einen Teils gegen das Bestandsinteresse des anderen Teils abzuwägen (3 Ob 274/02v; vgl auch 4 Ob 211/09x).
3.5. Die Beklagte hat sich bereits im Verfahren erster Instanz (unter anderem) darauf berufen, dass sich die Gesellschaft in massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinde, der Erstkläger jedoch nicht einmal mehr an Gesellschafterversammlungen teilnehme, weil er bereits mit neuen Beteiligungspartnern verhandle; dass den Klägern die Fortsetzung der Beteiligung nicht mehr zumutbar sei, wurde von der Beklagten, die jedenfalls 1,7 Mio EUR in die Gesellschaft eingebracht hatte, ausdrücklich bestritten. Die Beklagte hat sich damit auf eine Interessenabwägung berufen. Dazu haben die Vorinstanzen jedoch nicht Stellung genommen, weshalb deren Entscheidungen insoweit aufzuheben waren.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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