Spruch:
Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Der Kläger, Minderheitsgesellschafter der beklagten Gesellschaft, beantragte in einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten durchgeführten Generalversammlung die Fassung eines Beschlusses über eine Kapitalerhöhung von 36.336,42 EUR auf 436.336,42 EUR, wobei der Kläger unter Ausschluss des Bezugsrechts der Mehrheitsgesellschafterin allein zugelassen werde. Die Generalversammlung lehnte eine derartige Beschlussfassung mit der Stimme der Mehrheitsgesellschafterin ab, der Kläger erhob Widerspruch.
Der Kläger begehrt die Nichtigerklärung des gefassten Beschlusses, die Feststellung, dass sein Antrag angenommen worden sei, und die Verpflichtung der Beklagten, die Übernahmeerklärung des Klägers betreffend die volle Kapitalerhöhung anzunehmen. Die ablehnende Stimmabgabe der Mehrheitsgesellschafterin sei treuwidrig erfolgt; diese habe die Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen der Beklagten angestrebt. Mit der Klage verband der Kläger einen Provisorialantrag.
Das Erstgericht wies unter Hinweis auf § 6 Abs 1 IO das gesamte Klagebegehren und den Provisorialantrag zurück, das Rekursgericht trug dem Erstgericht - insoweit rechtskräftig - die Fortsetzung des Verfahrens hinsichtlich der Anfechtung des Generalversammlungsbeschlusses auf und bestätigte im Übrigen die Entscheidung des Erstgerichts. Die Revisionsrekurse ließ das Rekursgericht nicht zu, bewertete jedoch seinen Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentlichen Revisionsrekurse des Klägers sind zwar im Hinblick auf § 528 Abs 2 Z 2 letzter Halbsatz ZPO und § 402 Abs 1 letzter Satz, Abs 2 EO nicht jedenfalls unzulässig; ihre Unzulässigkeit richtet sich jedoch nach den aus dem Spruch ersichtlichen Bestimmungen:
1. Nach sowohl in Österreich (Enzinger in Straube, GmbHG [2008] § 42 Rz 15; vgl auch Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG4 [2002] § 47 Rz 149) als auch in Deutschland (dBGH II ZR 56/59 BGHZ 32, 114; Raiser in Ulmer, GmbHG [2006] Anh § 47 Rz 222; K. Schmidt in Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz10 [2007] § 45 Rz 149) herrschender Auffassung wird die (beklagte) Gesellschaft in einem Anfechtungsprozess durch den Insolvenzverwalter vertreten, wenn über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde und der angefochtene Generalversammlungsbeschluss die Insolvenzmasse betrifft (berührt); ist dies nicht der Fall, fehlt also die Masseerheblichkeit, bleiben die Geschäftsführer zur Vertretung berufen. Masseerheblichkeit ist dabei zwar dann anzunehmen, wenn der anzufechtende Beschluss Vermögenspositionen der Gesellschaft zum Gegenstand hatte (K. Schmidt aaO), nicht jedoch, wenn er sich auf die persönlichen Beziehungen der Gesellschafter untereinander bezog (Raiser aaO; Enzinger aaO). Ob Masseerheblichkeit gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
2. Gegenstand des hier angefochtenen Generalversammlungsbeschlusses ist eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beschlossene Kapitalerhöhung; geltend gemacht wird treuwidrige Stimmabgabe. Die Auffassung des Rekursgerichts, die Anfechtung des Beschlusses bedeute lediglich seine (allfällige) Beseitigung ex tunc (vgl Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] § 41 Rz 23) und habe daher keine vermögensrechtlichen Auswirkungen auf die Insolvenzmasse, entspricht jener des deutschen Reichsgerichts (RGZ 76, 244 [„Beschlüsse über Herabsetzung und Erhöhung des Grundkapitals berühren die Verwaltung der Konkursmasse nicht“]). Nach Auffassung des erkennenden Senats gilt dies allerdings nur für Beschlüsse, mit denen Kapitalherabsetzungen oder -erhöhungen abgelehnt wurden (kritisch zur Auffassung des Reichsgerichts auch K. Schmidt aaO), während im Fall einer beschlossenen Kapitalerhöhung Vermögenspositionen der Gesellschaft betroffen wären.
3.1. Während die österreichische Literatur (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] § 39 Rz 17, § 41 Rz 54; Enzinger in Straube, GmbHG [2008] § 42 Rz 26) die Frage, ob mit Anfechtungsklagen, die sich auf treuwidrige Stimmabgabe stützen, überhaupt Beschlussfeststellungsklagen verbunden werden können, verneint, weil die treuwidrige Stimmabgabe nicht nichtig sei, sondern lediglich den Beschluss anfechtbar mache, bejaht die deutsche Literatur diese Frage (vgl die Nachweise bei Enzinger aaO); auch Gellis/Feil (GmbHG7 [2009] § 41 Rz 7) und U. Torggler (GesRZ 2007, 131 [Entscheidungsanmerkung]) gehen von Nichtigkeit der Stimmabgabe aus, was jedoch - selbst nach Auffassung von Koppensteiner/Rüffler (aaO § 41 Rz 54) - dazu führen würde, dass die Anfechtungsklage - bei Kausalität des Fehlers für das Beschlussergebnis - auch in diesem Fall mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage verbunden werden könnte.
3.2. Auf diese Frage braucht hier jedoch nicht näher eingegangen zu werden, weil - wie zu 2. dargelegt - bei Feststellung des vom Kläger gewünschten Beschlusses ex tunc, also für einen Zeitpunkt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ein vermögensrechtlicher Anspruch der Gesellschaft auf Leistung von 400.000 EUR durch den Kläger entstehen würde; über dieses Stammkapital wäre jedoch der Insolvenzverwalter verfügungsberechtigt (in diesem Sinn offensichtlich auch K. Schmidt aaO). Dass damit die Vermögenspositionen der Gesellschaft betroffen wären, steht außer Zweifel. Dies gilt auch für die begehrte Verpflichtung der Beklagten, die Übernahmeerklärung des Klägers betreffend die volle Kapitalerhöhung anzunehmen.
3.3. Der Kläger meint, der Insolvenzverwalter der Beklagten habe auf die Geltendmachung der Anfechtungsansprüche verzichtet, womit dieses Recht auf den Kläger als Gesellschafter übergegangen sei.
Tatsächlich ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 194/63 SZ 37/24), die von der Literatur gebilligt wird (Gellis/Feil, GmbHG7 [2009] § 41 Rz 10; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 [2007] § 41 Rz 50; Enzinger in Straube, GmbHG [2008] § 41 Rz 61), auch der Insolvenzverwalter in der Insolvenz über das Vermögen der Gesellschaft zur Klage nach § 41 GmbHG legitimiert. Allerdings ist dem Akteninhalt einerseits nicht entnehmbar, dass das Insolvenzgericht irgendwelche Ansprüche der Beklagten ausgeschieden hätte; andererseits bedeutet Massefreiheit, dass der Schuldner (die beklagte Gesellschaft) darüber verfügen und auch prozessieren könnte (Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht [2000] § 6 KO Rz 38), nicht aber der Kläger als Gesellschafter.
3.4. Damit bestehen aber gegen die Zurückweisung dieser beiden Klagebegehren durch die Vorinstanzen keine Bedenken.
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0083635 [T1]; gegenteilig noch 7 Ob 606/95 SZ 68/210) wäre zwar - anstelle der Zurückweisung der Klage - die Berichtigung der Parteienbezeichnung auf den Insolvenzverwalter zulässig (gewesen), weil der Kläger einen nicht der Anmeldung im Insolvenzverfahren unterliegenden Anspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Schuldnerin gerichtsanhängig gemacht hat. Der Kläger hat jedoch über entsprechende Aufforderung durch das Erstgericht (vgl dazu Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [1999] § 6 KO Rz 20) ausdrücklich erklärt, beim vorliegenden Verfahren handle es sich um einen (Gemein-)Schuldnerprozess; er beantragte außerdem mehrfach, das Einschreiten des Insolvenzverwalters der Beklagten zurückzuweisen. Eine Berichtigung der Parteienbezeichnung gegen den ausdrücklichen Rechtsstandpunkt des Klägers scheidet damit aus.
4. Der Kläger hat die Erlassung der einstweiligen Verfügung ausdrücklich zur Sicherung „des festzustellenden Beschlusses gemäß Punkt II des Urteilsbegehrens“ (= Beschlussfeststellungsbegehren) beantragt; insoweit ist das Klagebegehren jedoch zurückzuweisen gewesen, was auch für den Provisorialantrag zu gelten hat.
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