OGH 1Ob194/63

OGH1Ob194/6310.2.1964

SZ 37/24

Normen

Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung §41
Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung §41

 

Spruch:

Auch der Masseverwalter im Konkurs der Gesellschaft m. b. H. ist - an Stelle der Geschäftsführer - zur Klage nach § 41 GesmbHG. legitimiert.

Entscheidung vom 10. Februar 1964, 1 Ob 194/63. I. Instanz:

Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger, ein Wiener Rechtsanwalt, ist Masseverwalter im Konkurs der Firma Hans F., Straßenbaugesellschaft m. b. H. i. L., deren Gesellschafter zuletzt Eva F. und Annemarie Sch. zu je 37.5% sowie Franziska Fi. zu 25% waren; Annemarie Sch. war überdies Geschäftsführerin. Es handelt sich um einen am 21. Februar 1962 eröffneten Anschlußkonkurs nach einem am 17. November 1961 eingeleiteten Ausgleichsverfahren.

Bei einer für den 21. Juli 1961 anberaumten ordentlichen Generalversammlung faßten Annemarie Sch. und Eva F., die damals allein erschienen waren, den Beschluß, eine in der Bilanz zum 30. Juni 1960 unter den Aktiven aufscheinende Forderung gegen die Verlassenschaft nach Maria F. in Höhe von 65.076 S zu streichen und gegen einen entsprechenden Teilbetrag der Umstellungsrücklage auszubuchen.

Gestützt auf die Bestimmungen der §§ 39 (4), 41 und 42 GesmbHG. belangte der Kläger im vorliegenden Prozeß die Gesellschaft m. b. H. i. L. zuhanden eines Kurators auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses. Er brachte zur Begründung vor, Eva F. und Annemarie Sch. seien die Töchter und Erbinnen der am 17. Juni 1958 verstorbenen vormaligen Mitgesellschafterin Maria F. zufolge ihrer unbedingten Erbserklärungen hafteten sie zur Gänze und zu ungeteilter Hand für die Schuld ihrer Mutter an die Gesellschaft; durch die Beschlußfassung vom 21. Juli 1961 hätten sie sich also von einer Schuld an die Gesellschaft befreit; von einer solchen Beschlußfassung seien sie aber gesetzlich ausgeschlossen gewesen; er sei als Masseverwalter auch berechtigt und verpflichtet, außer den Rechten der Gläubigerschaft auch jene der Gesellschaft bzw. der ehemaligen Geschäftsführer geltend zu machen; daher stehe ihm auch das Recht einer Klage auf Nichtigerklärung von Gesellschafterbeschlüssen nach §§ 41, 42, leg. cit. zu; da die Gesellschaft kein Protokollbuch geführt habe und daher auch eine Eintragung in ein solches Buch unterblieben sei, sei die im § 41, letzter Satz, normierte Frist zur Klagsführung noch offen.

Die beklagte Partei bestritt, daß eine Schuld der Marie F. an die Gesellschaft bestanden habe, und wendete auch aus formellen Gründen Unzulässigkeit einer Nichtigerklärung des strittigen Beschlusses ein; die Klage sei zudem verspätet, was selbst dann gelte, falls kein Protokollbuch geführt worden sein sollte; dies deshalb, weil alle zur Klage befugten Personen lange vor Ablauf eines Monates vor Klagseinbringung vom strittigen Beschluß Kenntnis erlangt hätten.

Der Erstrichter erachtete zwar die Einwendung einer Verspätung der Klagsführung für unstichhältig, weil mangels Führung eines Protokollbuches die im § 41 GesmbHG. normierte Frist nicht zu laufen begonnen habe, wies die Klage aber mit der Begründung ab, nach den Beweisergebnissen habe materiell keine Schuld der Maria F. an die Gesellschaft bestanden; durch die strittige Beschlußfassung seien die Gesellschafterinnen Eva F. und Annemarie Sch. daher nicht von einer Verpflichtung befreit worden; ihre Mitwirkung an der Beschlußfassung sei daher gemäß § 39 (4) leg. cit. zulässig gewesen.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren hingegen statt. Die Begründung seines Urteils läßt sich wie folgt zusammenfassen: Dem Erstrichter sei darin beizupflichten, daß die Fristbestimmung des § 41, letzter Satz, GesmbHG. der Klagsführung nicht entgegenstehe; hingegen sei der Erstrichter nicht befugt gewesen, den materiellen Bestand einer Schuld der Marie F. zu überprüfen; § 41 sei nämlich auf ein Zuwiderhandeln gegen formelle Vorschriften abgestellt; rein formell betrachtet sollten Eva F. und Annemarie Sch. aber jedenfalls von einer Verpflichtung (Schuld) befreit werden, weshalb sie von der strittigen Beschlußfassung ausgeschlossen gewesen seien; von einem belanglosen Verstoß gegen die Bestimmung des § 39 (4) leg. cit. könne keine Rede sein, weil bei dem Beteiligungsverhältnis unter Bedachtnahme darauf, daß zur Beschlußfassung der Generalversammlung die Anwesenheit von 25% des Stammkapitals genügt hätte, eine Beeinträchtigung des Abstimmungsergebnisses nicht ausgeschlossen werden könne; dem Kläger sei zuzubilligen, daß er als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft m. b. H. die Rechte der Geschäftsführer zu wahren habe und das Klagerecht nach § 42 leg. cit. in Anspruch nehmen könne, weil der strittige Beschluß die Masse betroffen habe; wenn auch die Organe der Gesellschaft m. b. H. im Konkurs grundsätzlich bestehen blieben, müsse dem Masseverwalter doch die Befugnis zuerkannt werden, die Funktionen der Organe insoweit auszuüben, als sie durch den Zweck des Konkursverfahrens bedingt würden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zunächst ist zu prüfen, ob der Kläger zur Verfolgung des von ihm geltend gemachten Anspruchs legitimiert ist. Daß die beklagte Partei bei ihren Rechtsausführungen auf diesen Fragenkomplex nicht eingeht, enthebt den Obersten Gerichtshof nicht der Verpflichtung, ihn bei Erledigung der Rechtsrüge aufzurollen. Die Prüfung der Rechtsfrage erscheint umsomehr geboten als Gellis in seinem Kommentar zum GesmbHG. - allerdings ohne dafür eine nähere Begründung zu geben - die Meinung vertritt, der Masseverwalter könne Gesellschafterbeschlüsse nicht gemäß § 41 GesmbHG. anfechten (zu § 85 unter Z. 9). Möglicherweise geht dies auf die im deutschen Rechtsbereich herrschende, allerdings nicht unbestrittene Auffassung zurück. Sie kann hier allerdings nicht ins Gewicht fallen, weil das deutsche GesmbHG. überhaupt keine ausdrückliche Regelung bezüglich der Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafter getroffen hat. Dies führt dort zur Streitfrage, ob etwa die Bestimmungen der §§ 195 ff. AktG. analog herangezogen werden können oder nicht (vgl. dazu Schmidt bei Hachenburg[6], II S. 114 und 126). Durch die im § 41 des österreichischen GesmbGH. getroffene Regelung ist aber jedenfalls eine Rechtslage geschaffen worden, die bezüglich der Klageberechtigung der Geschäftsführer und einzelner von ihnen jener bezüglich der Klageberechtigung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft und einzelner Vorstandsmitglieder praktisch entspricht (§ 198 (1), Z. 4 und 5 AktG.).

Gemäß § 41 (3) GesmbHG. sind - unter anderen - die Geschäftsführer klageberechtigt; jeder einzelne Geschäftsführer aber ist klageberechtigt, wenn der Beschluß eine Maßregel zum Gegenstande hat, durch deren Ausführung die Geschäftsführer ersatzpflichtig oder strafbar würden. Im ersterwähnten Falle ist also die Klageberechtigung nicht wie bei der Legitimation des einzelnen Geschäftsführers eingeschränkt, woraus zu schließen ist, daß die Anfechtungsbefugnis der Geschäftsführer ganz allgemein im Interesse der Gesellschaft m. b. H. statuiert worden ist. Nun handelt der Masseverwalter - unter anderem - im Namen des Gemeinschuldners (hier: der Gesellschaft m. b. H.), nämlich als gesetzlicher Stellvertreter des Gemeinschuldners (vgl. Bartsch - Pollak[3], I S. 401 f.), sodaß seine Klageberechtigung nach § 41 GesmbHG. jener der Geschäftsführer gleichzustellen ist; zwischen den Interessen der Gesellschaft m. b. H. und jenen der Konkursmasse ist in dieser Hinsicht nicht zu unterscheiden, sodaß der Ansicht des Berufungsgerichtes, das Klagerecht stehe dem Masseverwalter zu, beizupflichten ist. Daß im vorliegenden Fall nur ein Geschäftsführer bestellt war und dieser überdies Gesellschafter ist, vermag daran nichts zu ändern, weil die ihm als Geschäftsführer, d. h. als Organ der Gesellschaft, zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse den Vorrang haben und nunmehr vom Masseverwalter wahrzunehmen sind (vgl. ACl. 2999, Gellis a. a. O. unter Z. 11).

Daß die Fristbestimmung des § 41, letzter Satz, GesmbHG. dem Kläger mit Erfolg nicht entgegengehalten werden kann, haben die Unterinstanzen zutreffend dargelegt. Was die beklagte Partei in der Revision dagegen vorbringt, ist nicht geeignet, ihr zu einem Erfolg zu verhelfen.

Daß § 41 GesmbHG. - zumindest was die unter Z. 1 genannten Fälle betrifft - grundsätzlich auf eine formelle Überprüfung des Zustandekommens des Gesellschafterbeschlusses unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des Gesetzes und des Gesellschaftsvertrages abgestellt ist, entspricht der ständigen Judikatur (vgl. SZ. VII 123, SZ. XXVII 71, HS. 372 u. a.). Wie die unter Z. 2 fallenden Fälle zu beurteilen sind (vgl. dazu z. B. SZ. XXVII 276), braucht hier nicht erörtert zu werden, da der vom Kläger geltend gemachte Verstoß gegen die Bestimmung des § 39 (4) GesmbHG. der Regelung des § 41 Z. 1 zu unterstellen ist. Zufolge der Eigenart der Bestimmung des § 39 (4), die den Ausschluß vom Stimmrecht an die Befreiung von einer Verpflichtung oder die Zuwendung eines sonstigen Vorteils knüpft, taucht allerdings die Frage auf, ob ungeachtet der grundsätzlichen Abstellung auf eine formelle Überprüfung des Zustandekommens des Gesellschafterbeschlusses in einem solchen Fall nicht doch - wenigstens bis zu einem gewissen Grad - auf materiellrechtliche Probleme einzugehen ist. Die Judikatur ist dazu nicht ganz einheitlich (vgl. SZ. VI 122, aber auch SZ. XIV 81 und SZ. XIX 113). Eine abschließende Stellungnahme dazu ist entbehrlich, weil jedenfalls daran festgehalten werden muß, daß sich einzelne Gesellschafter nicht zum Richter über den Bestand einer Verpflichtung aufwerfen dürfen die sie nach den Geschäftsbüchern der Gesellschaft dieser gegenüber trifft und von der sie behaupten, sie bestehe nicht zu Recht. Eine unvoreingenommene Prüfung kann dabei nämlich schwerlich erwartet werden. Gerade darauf lief aber die vom Kläger beanständete Beschlußfassung vom 21. Juli 1961 hinaus. Die damals erreichte Streichung der Forderung gegen die Verlassenschaft nach Maria F. aus den Büchern der Gesellschaft ist für sich allein schon im Hinblick auf die Beweislastverteilung im Prozeßfall als so gravierender Verstoß gegen die Vorschrift des § 39 (4) GesmbHG. zu werten, daß in der Stattgebung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht keine Fehlentscheidung erblickt werden kann.

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