OGH 9ObA72/11w

OGH9ObA72/11w28.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat der L*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei L*****, vertreten durch Dr. Roland Gerlach, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 ASGG (Streitwert 21.800 EUR sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. März 2011, GZ 8 Ra 18/11t-27, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. November 2010, GZ 8 Cga 112/09z-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.329,84 EUR (darin enthalten 221,64 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Betrieb der Beklagten werden bei 40 sogenannten Transportbetonwerken Mischmeister verwendet, die eine Facharbeitertätigkeit ausüben, die nunmehr dem Beruf eines Transportbetontechnikers entspricht. Es handelt sich beim Abmischen des Transportbetons um eine verantwortungsvolle Tätigkeit, bei der bis zu 1000 Rezepte nach genauen Regeln berücksichtigt werden müssen. Im hier unstrittig anzuwendenden Kollektivvertrag für die Stein und Keramische Industrie in Österreich fand sich in der Lohnordnung früher keine ausdrückliche Einstufung für die Mischmeister. Sie wurden von der Beklagten in die Lohngruppe 3e als Maschinenwärter für größere Anlagen eingestuft, die einen Kollektivvertragslohn von 9,67 EUR hatte, wobei jedoch von der Beklagten ein Istlohn von 11 EUR bezahlt wurde.

Im Jahr 2009 forderte der klagende Betriebsrat eine Umstufung in die im Ergebnis unstrittig zutreffende Lohngruppe 2c. Dies entsprach auch der Einstufung in den anderen Unternehmen in dieser Branche. Knapp vor der Wirksamkeit der neuen Lohnordnung nach dem Kollektivvertrag in der nunmehr die Mischmeister ausdrücklich in Lohngruppe 1 eingestuft werden und einen Kollektivvertragslohn von 10,60 EUR haben, nahm die Beklagte die Umstufung in die alte Lohngruppe 2c vor, die damals einen Kollektivvertragslohn von 10,23 EUR vorsah.

Im Zusammenhang mit der Neuregelung der Lohnordnung vereinbarten die Kollektivvertragsparteien unstrittig eine Übergangsregelung, wonach „die je nach Dienstvertrag bestehende betragsmäßige Differenz zwischen dem kollektivvertraglichen Stundenlohn und dem tatsächlichen Lohn (ohne kollektivvertragliche Zulage) vor dem Inkrafttreten dieses Kollektivvertrags … aus Anlass der Neueinstufung der Arbeitnehmer in die Lohngruppe 1 nicht geschmälert werden“ darf. Soweit die Differenz in Prozenten vereinbart wurde, sollte dies „sinngemäß“ gelten.

Mit seiner „Klage“ begehrt der klagende Betriebsrat die Feststellung, dass jene Mischmeister, die bis zur Umstufung in die Lohngruppe 2c in der Lohngruppe 3e eingestuft waren, die volle Differenz zwischen den jeweiligen Istlöhnen und der kollektivvertraglichen Entlohnung nach 3e der alten Lohnordnung zu erhalten haben. Es sei bei der Beklagten üblich gewesen, die Mischmeister in die Lohngruppe 3e einzustufen, die sich von dieser niedrigeren Lohngruppe auf den Istlohn ergebende Differenz sei im Sinne der Übergangsbestimmung des Kollektivvertrags aufzuschlagen und könne nicht durch eine kurz vorher von der Beklagten einseitig vorgenommene Umstufung unterlaufen werden. Die Kollektivvertragsparteien haben auch nicht auf eine fiktive Überzahlung abstellen wollen, sondern auf die tatsächliche. Die Arbeitnehmer seien in ihrem schützenswerten Vertrauen auf die Beibehaltung der Überzahlung beeinträchtigt worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung und wendete zusammengefasst ein, dass sie nur den Wünschen des klagenden Betriebsrats auf richtige Einstufung nachgekommen sei. Der Kollektivvertrag sehe die Einstufung auch zwingend vor. In diesem Sinn sei auch die Übergangsbestimmung zu verstehen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging zusammengefasst davon aus, dass sich die Einstufung in der Lohnordnung nach den tatsächlich geleisteten Dienste richte und nicht von der Einstufung durch den Arbeitgeber abhängig sei. Den Kollektivvertragsparteien sei es ersichtlich darum gegangen, dass eine Neueinstufung nicht zu einer Aufsaugung der Überzahlung führe. Auszugehen sei daher von der letztlich von der Beklagten auch richtig vorgenommenen Einstufung in die Lohngruppe 2c. Dies habe auch zu keiner Lohnkürzung geführt.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des klagenden Betriebsrats nicht Folge. Es verwies ebenfalls darauf, dass es bei der Einstufung in den Kollektivvertrag auf die tatsächlich geleistete Tätigkeit ankomme, aber nicht auf die vom Arbeitgeber vorgenommene Einreihung. Die Übergangsbestimmung sei dahin zu verstehen, dass die Kollektivvertragsparteien eine vertragsmäßig zustehende Überzahlung nicht durch die Neueinstufung in die neue Lohngruppe und die dadurch mitbedingte Erhöhung des kollektivvertraglichen Grundlohns „aufgesaugt“ haben wollten. Hier sei ein ziffernmäßiger Stundenlohn vereinbart worden, bei dem die Differenz zu dem richtigen kollektivvertraglichen Lohn aufrecht zu erhalten sei und auch bezahlt werde. Ein Fixaufschlag oder ein Prozentaufschlag sei nicht vereinbart gewesen. Auch eine Kürzung des Istlohns sei nicht eingetreten. Zu einer betrieblichen Übung habe der klagende Betriebsrat kein Beweisanbot erstattet. Im Übrigen sei aber ein ziffernmäßig bestimmter Stundenlohn vereinbart worden und es könne nicht angenommen werden, dass die Arbeitsvertragsparteien für den Fall, dass die daneben vorgenommene Kollektivvertragseinstufung unrichtig wäre einen höheren Istlohn hätten vereinbaren wollen.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da der Auslegung des Kollektivvertrags erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der klagenden Partei ist aus dem Berufungsgericht genannten Grund zulässig aber nicht berechtigt.

Die Begründung des Berufungsgerichts ist zutreffend, sodass es ausreicht auf die Richtigkeit dieser Begründung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revision entgegenzuhalten, dass das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die Auslegung der normativen Bestimmungen eines Kollektivvertrags objektiv nach den Regeln der §§ 6 und 7 ABGB zu erfolgen hat (RIS-Justiz RS0010088). Ausgehend vom Text und Wortsinn sowie dem Zusammenhang der Regelung ist die Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0010089) und im Zweifel davon auszugehen, dass diese eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung schaffen und eine Ungleichbehandlung vermeiden wollten (RIS-Justiz RS0008828; RS0008897 mwN).

Die Vorinstanzen haben bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Einstufung in den Kollektivvertrag hier nicht von der Vereinbarung, sondern von der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit abhängt (RIS-Justiz RS0064705 mwN). Ausgehend davon ist aber auch die Kollektivvertragsbestimmung, wonach die Differenz zwischen dem Kollektivvertragslohn und dem Istlohn aufrechtzuerhalten ist, eben in dem Sinne zu verstehen, dass es sich um die Differenz zwischen der richtigen Einstufung und dem tatsächlich vereinbarten Istlohn handelt. Ein in den Arbeitsvertrag aufgenommener Hinweis auf die nach dem Kollektivvertrag vorzunehmende Einstufung wird zumeist als Verweis auf eine ohnehin geltende Norm nur als Wissenserklärung zu verstehen sein, ohne mit dieser Erklärung die Rechtslage im Sinne einer vertraglichen Vereinbarung gestalten zu wollen (vgl dazu etwa RIS-Justiz RS0120267; 8 ObA 52/03k Punkte IV, V). Für einen Vertrauensschutz der Arbeitnehmer (vgl dazu RIS-Justiz RS0014478 [T1] mwN) findet sich dann, wenn diese Erklärung vom tatsächlich nach diesem Kollektivvertrag bestehenden Anspruch nachteilig abweicht, schon im Ansatz kein Anhaltspunkt.

Der Vertrag hat sich hier - wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben - letztlich nur auf die Festlegung des Istgehalts bezogen und nicht etwa darauf, dass der Istlohn jedenfalls in einer bestimmten Überzahlung zum Kollektivvertragslohn, wie hoch dieser auch immer sein sollte, vereinbart wurde.

Auch der Überleitungsklausel im Kollektivvertrag ist gerade nicht zu entnehmen, dass auf die betragsmäßige Differenz zwischen dem kollektivvertraglichen Stundenlohn „laut Dienstvertrag“ und dem tatsächlichen Lohn laut Dienstvertrag abzustellen wäre, sondern eben auf den kollektivvertraglichen Stundenlohn und damit jenen der der zutreffenden Einstufung entspricht. Insoweit erübrigt es sich auch auf die Frage einzugehen, inwieweit es den Kollektivvertragsparteien frei stünde, auf einen „kollektivvertraglichen Stundenlohn laut Dienstvertrag“ abzustellen.

Im Ergebnis lässt sich die begehrte Feststellung also weder aus dem Dienstvertrag noch aus dem Kollektivvertrag ableiten.

Auch eine betriebliche Übung, die die begehrte Feststellung decken könnte ist unabhängig von der Frage, ob der klagende Betriebsrat dazu ein ausreichendes Beweisanbot erstattet hat, nicht ersichtlich. Unterscheidet sich die „betriebliche Übung“ doch insoweit nicht von dem, was ohnehin im Vertrag festgehalten wurde.

Insgesamt ist daher der Revision des klagenden Betriebsrats nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 2 ASGG, §§ 50 und 41 ZPO.

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