OGH 9Ob74/10p

OGH9Ob74/10p28.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** Z*****, vertreten durch Mag. Eva Berger-Hanzl, Rechtsanwältin in Mödling, gegen die beklagte Partei E*****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen 41.400 EUR (Rekursinteresse 31.050 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Juli 2010, GZ 1 R 154/10i-27, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 10. Mai 2010, GZ 41 Cg 72/08h-22, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.751,04 EUR (darin 291,84 EUR) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte, dem Kläger den Betrag von 31.050 EUR Zug um Zug gegen Übergabe von 1.414 Stück von im Ersturteil näher bezeichneten Aktien zu zahlen. Das Mehrbegehren des Klägers auf Zahlung von 10.350 EUR Zug um Zug gegen Übergabe von 471 Stück Aktien wies das Erstgericht hingegen ab. Das Berufungsgericht gab der gegen den klagestattgebenden Teil des Ersturteils erhobenen Berufung der Beklagten Folge, hob das Ersturteil in diesem Umfang mangels ausreichender bzw eindeutiger Tatsachenfeststellungen auf und trug dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung auf. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass den gegenständlichen Rechtsfragen insbesondere im Zusammenhang mit den behaupteten strafbaren Handlungen (auf Seite des Emittenten) aufgrund der Vielzahl der anhängigen Gerichtsverfahren erhebliche Bedeutung zukomme.

Die Beklagte räumt in ihrem gegen die Berufungsentscheidung erhobenen „Revisionsrekurs“ ein, dass das Berufungsgericht die Problematik der nicht ausreichenden Feststellungen „völlig richtig und instinktiv treffsicher“ gesehen habe. Erheblich sei aber dennoch die Rechtsfrage, wie der Eintritt mehrerer Schadensursachen beim Kursverfall und die Frage der Naturalrestitution miteinander in Einklang zu bringen seien.

Der Kläger bestreitet in seiner Rekursbeantwortung ausdrücklich das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels der Beklagten. Im gegenständlichen, weitgehend von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Fall gehe es darum, ob die Beklagte dem Wunsch des Klägers nach einer risikolosen Veranlagung entsprochen habe oder fahrlässig ihre Beratungs-, Aufklärungs- und Informationspflichten verletzt habe. Zum Haftungsumfang in einem derartigen Fall liege bereits eine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor.

Rechtliche Beurteilung

Das von der Beklagten erhobene, als Rekurs zu qualifizierende Rechtsmittel ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 iVm § 519 Abs 2 ZPO) - nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erfolgten Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die unrichtige Benennung des Rechtsmittels als „Revisionsrekurs“ ist zwar gemäß § 84 Abs 2 ZPO unerheblich. Es genügt aber nicht zur Darlegung der Zulässigkeit des Rechtsmittels, interessante Rechtsfragen aufzuwerfen, solange nicht die Entscheidung von deren Lösung „abhängt“ (§ 502 Abs 1 ZPO); die angeschnittenen Rechtsfragen müssen in diesem Sinn „präjudiziell“ sein (Kodek in Rechberger, ZPO³ § 508a Rz 1; 9 ObA 45/10y ua). Dies ist gegenwärtig nicht der Fall. Gemäß § 510 Abs 3 Satz 4 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof in einem derartigen Fall auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Der hier zu beurteilende und dem Begehren auf Naturalrestitution zugrundeliegende Prozessstandpunkt des Klägers besteht - zusammengefasst - darin, aufgrund bestimmter Erklärungen einer Mitarbeiterin der Beklagten ein Finanzprodukt mit nicht gewünschten Eigenschaften erworben zu haben. Der Schaden sei bereits durch den Erwerb eingetreten. Der Kläger stützt sein Klagebegehren nicht auf den Kursverfall, sondern darauf, dass er zufolge mangelhafter Beratung durch die Beklagte ein anderes Produkt erhalten habe als er wollte. Er macht nicht geltend, dass die Beklagte für strafbare Handlungen eines Dritten mitverantwortlich sei oder verpflichtet gewesen wäre, vor diesen zu warnen. Die diesbezüglichen Überlegungen im Rekurs, die dem Berufungsgericht grundsätzlich attestieren, dass der Sachverhalt, insbesondere zum Inhalt der Beratung noch nicht ausreichend und widerspruchsfrei geklärt sei, gehen daher am Prozessstandpunkt des Klägers vorbei. Wenn das Berufungsgericht der Ansicht ist, dass der Sachverhalt in Bezug auf die Klagebehauptungen noch nicht genügend, vor allem aber nicht eindeutig und verlässlich geklärt sei, dann kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (vgl RIS-Justiz RS0042179 ua). Darauf stützt die Rekurswerberin die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels aber ohnehin nicht, geht sie doch, wie bereits ausgeführt, ebenfalls davon aus, dass die Aufhebung durch das Berufungsgericht zurecht erfolgt ist. Auf hypothetische rechtliche Überlegungen und mögliche Sachverhaltsvarianten ist im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht einzugehen.

Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist der Rekurs unzulässig und daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0035979).

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