OGH 6Ob79/11b

OGH6Ob79/11b16.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen L***** GmbH mit dem Sitz in Wien, über den Revisionsrekurs des Einschreiters Dr. R***** B*****, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 25. Februar 2011, GZ 28 R 302/10b-6, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 17. November 2010, GZ 71 Fr 12533/10m-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Einschreiter behauptet, eine Honorarforderung gegen die Gesellschaft zu haben, die derzeit über keinen Geschäftsführer verfügt.

Die Vorinstanzen wiesen seinen Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG ab; der Einschreiter, der (bloß) einen Anspruch gegen die Gesellschaft durchsetzen will, habe es unterlassen darzulegen, weshalb ihm ein Antrag auf Bestellung eines Prozesskurators nach §§ 8 ff ZPO nicht zumutbar ist und/oder dass ein weiterer, über den Prozess hinausgehender dringender Vertretungsbedarf der Gesellschaft besteht.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu; es fehle jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Möglichkeit, einen Prozesskurator zu beantragen, die Dringlichkeit iSd § 15a GmbHG ausschließt, wenn kein über den Prozess hinausgehender dringender Vertretungsbedarf dargelegt wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht dargelegten Gründen zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Nach § 15a Abs 1 GmbHG hat das Gericht in dringenden Fällen auf Antrag eines Beteiligten für die Zeit bis zur Behebung des Mangels einen Geschäftsführer zu bestellen, wenn die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Geschäftsführer fehlen. „Beteiligt“ ist dabei grundsätzlich jeder, der ein Interesse an der ordnungsgemäßen Organzusammensetzung geltend machen kann, also neben Gesellschaftern und Organen auch diejenigen Personen, die einen gegen die Gesellschaft durchzusetzenden Anspruch behaupten (RIS-Justiz RS0113161). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notgeschäftsführers durch das Firmenbuchgericht streng auszulegen und nur dann gegeben, wenn glaubhaft gemacht wird, dass ohne unverzügliche Abhilfe erhebliche Nachteile für die Gesellschaft oder ihre Gesellschafter beziehungsweise für Dritte drohen (RIS-Justiz RS0059953).

2. Es entspricht weiters ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass jedenfalls dann, wenn bereits ein Prozesskurator nach §§ 8 ff ZPO bestellt wurde und keine weiteren dringenden Vertretungsagenden als jene der konkreten Prozessführung anstehen, mangels Dringlichkeit kein Anlass für die Bestellung eines Notgeschäftsführers besteht (RIS-Justiz RS0113944; zuletzt 6 Ob 26/08d RdW 2008/352).

3. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 6 Ob 129/00i ausgeführt, es mache keinen Unterschied, ob die Gesellschaft als Verfahrenspartei im Verfahren durch einen Prozesskurator nach §§ 8 ff ZPO oder durch einen Notgeschäftsführer nach § 15a GmbHG vertreten wird; die unterschiedliche Bestellungsart ziehe gleiche Wirkungen nach sich. Deshalb könne bei Bestellung eines Notgeschäftsführers dessen Aufgabenkreis auf die Vertretung der Gesellschaft in einem gegen sie zu führenden Verfahren eingeschränkt werden. In der Entscheidung 6 Ob 292/06v (NZ 2007, 153) wurde dies jedoch dahin ergänzt, dass eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Notgeschäftsführers gegenüber Dritten keine rechtliche Wirkung hat; eine derartige Beschränkung könnte auch gar nicht im Firmenbuch eingetragen werden.

4. Damit kämen aber einem nach § 15a GmbHG bestellten Notgeschäftsführer selbst dann weitreichende Vertretungsaufgaben für die Gesellschaft zu (etwa abgabenrechtliche Verpflichtungen), wenn er an sich nur für die Vertretung der Gesellschaft in einem konkreten Prozess bestellt werden sollte. Vor diesem Hintergrund ist der Auffassung zu folgen, dass - bei Fehlen sonstiger dringender Angelegenheiten - ein Notgeschäftsführer nicht nur dann nicht zu bestellen ist, wenn für die Gesellschaft bereits ein Prozesskurator für einen bestimmten Prozess bestellt wurde, sondern auch dann, wenn es nur um die Passivvertretung der Gesellschaft geht und ein Prozesskurator bestellt werden könnte (Pöltner, Der Notgeschäftsführer in der GmbH [2002] 62; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] § 15a Rz 5; vgl auch Duursma/Duursma-Kepplinger/Roth, Handbuch des Gesellschaftsrechts [2007] Rz 2809; Umfahrer, GmbH6 [2008] Rz 187; Ratka in Straube, GmbHG [2010] § 15a Rz 2). Bereits das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es nicht im Belieben des Gläubigers der Gesellschaft steht, durch entsprechende Antragstellung - nach §§ 8 ff ZPO beziehungsweise nach § 15a GmbHG - eine unterschiedliche Vertretung der Gesellschaft herbeizuführen, sofern er keine weiteren dringenden Vertretungsagenden als jene der konkreten Prozessführung glaubhaft macht.

5. Der Einschreiter stellt all dies in seinem Revisionsrekurs nicht in Frage. Er meint lediglich, die Löschung des bisherigen Geschäftsführers der Gesellschaft sei fehlerhaft gewesen und damit (offensichtlich) nicht rechtsgültig erfolgt. In diesem Fall würde die Bestellung eines Notgeschäftsführers aber erst recht nicht zulässig sein.

Weiters weist der Einschreiter darauf hin, dass er auf die Organbestellung bei der Gesellschaft keinen Einfluss habe. Dabei verkennt er aber, dass er nach § 8 ZPO in jeder Lage des Verfahrens (Schubert in Fasching/Konecny, ZPO² [2002] § 8 Rz 9), also auch bereits mit der Klage, einen Antrag auf Bestellung eines Prozesskurators für die von ihm geklagte Gesellschaft stellen kann, über den das Prozessgericht zu entscheiden hat. Dass es darüber hinaus weiterer (dringender) Vertretungshandlungen bedarf, hat der Einschreiter im Verfahren erster Instanz nicht geltend gemacht.

6. Der Einschreiter verweist in seinem Revisionsrekurs auf den Umstand, dass ihn seine „Standesregeln“ (als Notar) zwingen würden, vor Einbringung einer Honorarklage dem „Klienten“ eine Honorarnote zuzustellen und nicht ohne deren Zustellung sofort zu klagen.

Abgesehen davon, dass er diese „Standesregeln“ nicht näher belegt und diese auch nicht gerichtsnotorisch sind, verstößt der Einschreiter mit seinem nunmehrigen Vorbringen gegen das auch im Verfahren außer Streitsachen geltende Neuerungsverbot (§ 49 AußStrG).

Damit war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

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