OGH 3Ob59/11i

OGH3Ob59/11i9.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Dr. K*****, vertreten durch Dr. Kristina Venturini-Köck und Mag. Dietmar Heck, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei DI C*****, vertreten durch Birnbaum-Toperczer-Pfannhauser, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2011, GZ 43 R 709/10y-53, womit über Berufung beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Liesing vom 12. August 2010, GZ 5 C 144/08d(5 C 8/09f)-45, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Ausspruch der Scheidung als unangefochten unberührt bleiben, werden im Ausspruch über das Verschulden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:

„Die zwischen den Parteien am ***** vor dem Standesamt W***** geschlossene Ehe wird aus dem überwiegenden Verschulden der klagenden und widerbeklagten Partei mit der Wirkung geschieden, dass sie mit Rechtskraft dieses Urteils aufgelöst ist.“

Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit 3.397,44 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin enthalten 546,16 EUR USt und 136,40 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit 2.604,04 EUR bestimmten Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens (darin enthalten 242,87 EUR USt und 1.146,75 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am ***** die Ehe. Für die klagende und widerbeklagte Partei (in der Folge immer: Klägerin) war es die erste Eheschließung, für die beklagte und widerklagende Partei (in der Folge immer: Beklagter) die dritte Ehe. Am 10. Juli 2006 wurde ein Ehepakt errichtet. Der Ehe entstammen eine am 13. Dezember 1990 und eine am 7. Oktober 1992 geborene Tochter. Die Streitteile sind österreichische Staatsbürger.

Die Beziehung der Streitteile begann 1989. Als sie einander kennen lernten, arbeiteten beide bis zu 16 Stunden täglich. Der Beklagte war als Vertriebsdirektor beschäftigt; die Klägerin als Angestellte.

Anfangs war vor allem die Gestaltung der gemeinsamen Beziehung ein großer Reibungspunkt. Der Beklagte wünschte sich eine eher offene Beziehung, für die Klägerin hingegen stellte Treue einen wichtigen Pfeiler in einer Beziehung dar. Im März 1990, also gut zweieinhalb Jahre vor der Eheschließung, traf die Klägerin am Abend einen anderen Mann. Sie erzählte ihm von ihrer neuen Beziehung und ihrer Liebe zum Beklagten. Sie betrog den Beklagten an diesem Abend nicht, auch wenn eine erotische Stimmung herrschte.

Knapp zwei Jahre vor der Eheschließung hatte der Beklagte ein Verhältnis mit einer anderen Frau, als er sich in den USA aufhielt. Nachdem er der Klägerin davon erzählt hatte, bedeutete das für sie zunächst einen Bruch in der Beziehung. Ab diesem Zeitpunkt verweigerte die Klägerin dem Beklagten für die Dauer von rund eineinhalb Jahren den Geschlechtsverkehr. Seitdem war auch das Thema offene Ehe, wie sie der Beklagte in seiner zweiten Ehe praktiziert hatte, zwischen den Streitteilen vorerst erledigt.

Im Frühjahr 1992 ließ sich der Beklagte von seiner zweiten Ehefrau, nachdem er sich finanziell mit ihr geeinigt hatte, scheiden.

Nach der Geburt des ersten gemeinsamen Kindes im Dezember 1990 begann die Klägerin bereits nach einigen Wochen - auch aus finanziellen Gründen - wieder halbtags zu arbeiten. Die Familie zog vom 19. Bezirk in ein Haus in Breitenfurt.

Nach der Geburt des zweiten gemeinsamen Kindes im Oktober 1992 blieb die Klägerin rund zwei Jahre zu Hause. Der Beklagte arbeitete ab Herbst 1992 in einem Vermögensverwaltungsunternehmen. Der Erfolgsdruck für ihn war recht hoch, weil Schulden für das Haus abzuzahlen waren.

Die Streitteile besuchten im Jahr 1992 - jeweils getrennt voneinander - etwa drei bis vier Seminare bei einem Indianer. Dabei ging es unter anderem um Selbstreflexion und um Vereinbarungen, wie etwa die Ehe und deren Bedeutung. Im Zuge dessen lernten sie eine Frau kennen, über deren Institut sie später weitere derartige Seminare besuchten. Beide Streitteile waren in der spirituellen und psychotherapeutischen Szene sehr aktiv. Sie besuchten während der Ehe laufend Paarseminare, absolvierten Ehetherapien und waren bereit, an ihrer Beziehung zu arbeiten.

Etwa im Jahr 1994 machte sich der Beklagte zusammen mit zwei Partnern selbständig. Diesen Schritt hatte er mit der Klägerin abgesprochen. Die erste Zeit als Unternehmer bis 1996 arbeitete er sehr viel. Er begann mit 5 Millionen ATS Schulden, die er aufgrund des wirtschaftlichen Erfolgs bereits 1996 zurück zahlen konnte.

Die Klägerin arbeitete ab 1996 bis 2000 als selbständige Beraterin. Sie gab die Tätigkeit auf, um den Beklagten zur Gänze unterstützen zu können. Sie begleitete ihn auf Geschäftsreisen, organisierte Veranstaltungen und war jederzeit für das Unternehmen präsent. Für diese Tätigkeit erhielt die Klägerin kein gesondertes Entgelt.

Im Jahr 1998 kauften die Parteien das eheliche Haus in Wien. Sie errichteten später ein Schwimmbad um insgesamt 24 Mio ATS.

Zwischen den Eheleuten gab es immer wieder Streitigkeiten, etwa einmal pro Monat heftiger. Dabei ging es in erster Linie um die intensive Arbeitstätigkeit des Beklagten, um finanzielle Angelegenheiten und um die Gestaltung der Ehe als offene Ehe. Die Klägerin wollte einerseits tendenziell, dass der Beklagte mehr Zeit mit ihr und den Kindern verbringt. Andererseits wollte sie einen Einblick in die finanziellen Verhältnisse. Gestritten wurde auch über das monatliche Geld, das der Beklagte der Klägerin überließ. Der Beklagte hielt allgemein Informationen über sein Einkommen und Vermögen zurück. Er teilte zwar mit, welche Ausgaben für das gemeinsame Leben angefallen sind, was den Eheleuten zur Verfügung stand und wie es um die finanziellen Verhältnisse bestellt ist. Über Berufliches hielt er sich im Laufe der Ehe zunehmend bedeckt, einerseits, weil er Geschäftsgeheimnisse nicht preisgeben wollte, andererseits, weil er „apodiktische“ Aussagen seiner Frau dazu vermeiden wollte.

1996 gab der Beklagte der Klägerin im Zuge eines Streits eine Ohrfeige. Danach gab es keine weiteren körperlichen Übergriffe zwischen den Parteien.

Im Jahr 1998 besuchten die Streitteile gemeinsam mit etwa zehn anderen Paaren ein sechsmonatiges Paarseminar. Was im Rahmen dieses Seminars gesprochen, geschrieben und getan wurde, unterlag der Vertraulichkeit. Im Zuge dessen machte der Beklagte Aufzeichnungen zu den Themen „In Harmonie Ehrlichkeit“ (./B), „Verzeihen in Harmonie“ (./C), „In Harmonie Sex“ (./D), „Gemeinsamkeit“ (./E und ./F). Mit den Aufzeichnungen, die nur der eigenen Selbstreflexion dienten und nicht für andere Personen bestimmt waren, sollten ehrlich die angeführten Themen behandelt werden. Darin beschrieb der Beklagte unter anderem neben seiner mangelnden Offenheit der Klägerin gegenüber, insbesondere in finanziellen und beruflichen Angelegenheiten, auch seine Stärken und Schwächen und jene der Klägerin. Gleichzeitig formulierte er konkrete Schritte, um eine Besserung des Ehelebens zu erreichen. Die gerichtliche Vorlage dieser Unterlagen nach dem Sommer 2009 (sämtliche in Maschinenschrift ./I), die die Klägerin aus dem Meditationsraum des Beklagten im Spätherbst 2007 an sich genommen hatte, stellte für den Beklagten eine schwere Verletzung seiner Intimsphäre dar.

Als Ergebnis der Therapie, die sie aufgrund der Eheprobleme machten, setzten die Eheleute drei gemeinsame Projekte durch: Sie schufen sich als gemeinsames Hobby das Golfspiel, erwarben eine 23-Meter-Yacht, um das Privatleben in das Geschäftsleben einzubringen und verlegten zur Zeitersparnis das Büro des Beklagten in die Nähe ihres Hauses.

Im Jahr 1998 wurde eine Privatstiftung gegründet, in die später beinahe das gesamte Vermögen eingebracht wurde. Daneben besaßen die Parteien etwa noch zwei Eigentumswohnungen, den gemeinsamen Haushalt und Bilder.

Im Jahr 2006 schafften sich die Streitteile ein Haus in Frankreich an. Zunächst wollte die Klägerin im Grundbuch stehen. Aus steuerlichen Gründen wurde aber als Eigentümerin eine Tochtergesellschaft der Privatstiftung eingetragen. Für den Ankauf des Hauses in Frankreich diente die eheliche Liegenschaft als Sicherheit. Gleichzeitig wurde ebenfalls aus steuerlichen Gründen die eheliche Liegenschaft beiden Kindern geschenkt, wobei sich die Parteien jeweils ein Wohnrecht einräumen ließen. Aus diesen Gründen wurde am 10. Juli 2006 zur Absicherung der Klägerin und als Gegengeschäft ein Ehepakt in Form eines Notariatsakts geschlossen. Diesen erstellte unter Mitarbeit seines Konzipienten ein Rechtsanwalt, den die Klägerin aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit etwa im Jahr 1997 und durch sie später auch der Beklagte kennen gelernt hatte. Im Frühjahr 2006 war der Rechtsanwalt als Stiftungsvorstand der Privatstiftung bestellt worden. Gleichzeitig mit dem Ehepakt wurde eine Vereinbarung geschlossen, wonach sich die Privatstiftung verpflichtete, die Klägerin schad- und klaglos zu halten, sollte aufgrund der Liegenschaftsfinanzierung in Frankreich die eheliche Liegenschaft als Haftungsgrundlage herangezogen werden. Um eine Haftung der Stiftung auch für den Fall, dass die Begünstigtenstellung der Klägerin widerrufen wird, zu gewährleisten, war ursprünglich im Notariatsakt selbst eine Bürgen- und Zahlerhaftung vorgesehen. Diese wurde aus Zweckmäßigkeitsgründen jedoch inhaltsgleich am 7. Juli 2006, allerdings gesondert, geschlossen, damit diese von den Stiftungsvorständen gesondert unterzeichnet werden konnte. Über diese Vorgangsweise wurden beide Parteien informiert.

Nach dem Kauf des Hauses in Südfrankreich war die Klägerin alle sechs Wochen für die Dauer von zwei bis drei Tagen dort, um sich um die Handwerker, Angestellten und das Haus zu kümmern. Der Beklagte verbrachte dort im Sommer 2006 etwa fünf Wochen und im Sommer 2007 drei Wochen mit seiner Familie.

Im Sommer 2006 besuchten die Streitteile ein weiteres Eheseminar, diesmal in Korfu.

Die Gestaltung der Wochenenden richtete sich allgemein stark nach dem Beklagten. Zum Teil nutzte der Beklagte auch diese Zeit für Geschäftstermine und seine Hobbys, insbesondere um Sport zu treiben. Die Klägerin bat den Beklagten wiederholt, sich für sie und die Kinder mehr Zeit zu nehmen. Im Durchschnitt verbrachte der Beklagte knappe zwei Tage pro Woche auf Geschäftsreisen. Er arbeitete unter der Woche durchschnittlich von etwa 9:30 Uhr bis 19:00 Uhr.

Im Jahr 2007 verbrachte der Beklagte knapp die Hälfte aller Wochenenden zur Gänze mit der Familie zu Hause. Rund ein Drittel der Wochenenden verbrachte er mit der Familie an anderen Orten, 7 % der Wochenenden war er geschäftlich mit der Klägerin unterwegs und jeweils drei Wochenenden war er alleine privat, also etwa bei buddhistischen Wochenenden, und alleine beruflich unterwegs. Im Jahr 2008 verhielt sich die Wochenendgestaltung sehr ähnlich.

Im Jahr 2007 wurde bei der Klägerin ein Melanom am Oberschenkel entdeckt. Der Beklagte begleitete sie auf ihren Wunsch zum Operationstermin. Er wartete während des etwa 20-minütigen Eingriffs auf sie und fuhr gemeinsam im Beisein des Chauffeurs mit ihr nach Hause.

Im selben Jahr unterzog sich die Klägerin wiederholten Augenuntersuchungen. Die Sehkraft ihres rechten Auges ließ in kurzer Zeit stark nach und verschlechterte sich von fünf auf zehn Dioptrien. Sie machte sich in dieser Zeit große Sorgen um ihre Gesundheit, befürchtete, dass mit ihrem Gehirn irgend etwas nicht in Ordnung sei und fühlte sich vom Beklagten nicht ausreichend gestützt. Dieser versuchte sie zu beruhigen, nahm Anteil an ihrem Gesundheitszustand und wirkte eher beschwichtigend auf die Klägerin.

Im Herbst 2007 begannen die Streitteile eine weitere Ehetherapie. Der Beklagte brach die Therapie in der zweiten Stunde ab, da er die Therapeutin als parteilich ablehnte. Er erklärte sich aber dazu bereit, mit einem anderen Therapeuten eine Therapie zu machen.

Nach dem Herbst 2007 kam es zu weniger sexuellen Kontakten zwischen den Streitteilen. Der Beklagte verhielt sich gegenüber der Klägerin zunehmend distanziert. In den Vordergrund geriet immer mehr das Berufliche. Der Beklagte widmete sich vermehrt geschäftlichen Angelegenheiten.

Die Klägerin schenkte dem Beklagten zu Weihnachten 2007 ein Stofftier, nämlich einen Frosch, der das Lied „I love you more than I can say“ sang. Dieses Stofftier nahm der Beklagte in sein Büro, wo es längere Zeit auf seinem Schreibtisch stand.

Anfang 2008 waren die Streitteile bei einem befreundeten Ehepaar zum Abendessen eingeladen. Anwesend war ein weiteres befreundetes Ehepaar. Der Beklagte äußerte scherzhaft im Zuge einer lockeren Diskussion über außereheliche Beziehungen, dass er der Klägerin ein erotisches Abenteuer mit einem anderen Mann gönnen würde. Die Klägerin war dadurch sehr verletzt.

Im Jahr 2008 unternahmen die Streitteile viel gemeinsam. So verbrachten sie den Jahreswechsel 2007/2008 gemeinsam in London und in Südfrankreich, im Jänner ein verlängertes Wochenende in St. Moritz, im Februar eine Woche am Arlberg im Hospiz, im März ein Wochenende an der Cote d´Azur und ein paar Tage im Haus in Südfrankreich. Weiters fuhren sie im April zwei Tage nach Amsterdam, dann einige Tage (16. 4. - 20. 4. 2008) nach Nizza, wo sie ein verlängertes Romantikwochenende in einem Luxushotel verbrachten und im Mai wieder für einige Tage in ihr Haus in Südfrankreich. Im Juni besuchten sie gemeinsam eine Ausstellung in Basel. Im Juli fuhren sie mit einem Mietauto eine Woche durch Irland. Dabei gab es zwei Geschäftstermine, einen etwa halbstündigen in Cork und einen längeren auf einem Luxusgolfplatz in Dublin. Weiters besuchten sie im Juli einige Tage die Eltern der Klägerin in Vorarlberg. Großteils verliefen diese Reisen harmonisch, auch wenn es - wie im Alltag - Streitereien zwischen den Parteien gab.

Am 27. Juli begann der Familienurlaub im Haus in Südfrankreich. Die Klägerin reiste frühzeitig ab und teilte dem Beklagten mit, dass sie alleine sein wollte. Sie war für den Beklagten einige Tage telefonisch unerreichbar, weshalb er sich Sorgen machte. Zurück in Wien erkundigte sich der Beklagte bei der Klägerin, was los gewesen sei. Diese teilte ihm mit, dass sie nun einen Freund hätte. Der Beklagte wollte weiterhin mit der Klägerin zusammen bleiben.

Im Juni 2008 hatte die Klägerin einen anderen Mann auf einem Seminar kennen gelernt. Er kümmerte sich um sie in einer für sie aufgrund der in erster Linie gesundheitlichen Probleme schweren Zeit. Es kam auch zu Küssen und sexuellen Handlungen zwischen ihnen. Im Sommer 2008 war für die Klägerin die Ehe endgültig zerrüttet.

Die Streitteile hatten bis Sommer 2008 im Schnitt etwa ein bis zwei Mal pro Woche Geschlechtsverkehr, bei Urlauben auch öfters. Das letzte Mal hatten sie geschlechtlichen Verkehr im Sommer 2008 in Frankreich.

Ab Oktober 2008 übernachtete die Klägerin wiederholt auswärts. Teilweise war sie auf Seminaren, teilweise verbrachte sie die Nächte bei einer Freundin und bei dem anderen Mann.

Im November 2008 machten die Streitteile auf den Seychellen ein weiteres Paarseminar. Die Streitteile wohnen getrennt. Thema war primär die Aufteilung des Vermögens unabhängig von einer möglichen Fortsetzung der Ehe. Es kam auch zu einer vorläufigen Einigung, eine endgültige Einigung wurde jedoch nicht erzielt.

Nach der Rückkehr von den Seychellen im November 2008 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie ein paar Tage im Haus in Südfrankreich verbringen werde, da sie alleine sein und dort ein buddhistisches Seminar besuchen wolle. Einen Tag nach dem Abflug der Klägerin erfuhr der Beklagte von einem Freund, dass die Klägerin mit einem fremden Mann weggeflogen war. Daraufhin beauftragte der Beklagte eine Detektei mit der Observierung der Klägerin in Frankreich. Ab der Beauftragung des Detektivs war die Ehe für den Beklagten unheilbar zerrüttet. Bis dahin hatte er darauf gehofft, dass sich alles wieder einrenkt. Die Klägerin verbrachte rund eine Woche in Südfrankreich mit ihrem Freund, was auch durch den Detektiv fotographisch dokumentiert wurde.

Der Beklagte erfuhr am 19. Dezember 2008 von der Scheidungsklage durch den Gerichtsvollzieher beim Vollzugsversuch aufgrund der vom Erstgericht erlassenen einstweiligen Verfügung zur Sicherung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Vermögens in seinen Geschäftsräumlichkeiten.

Die Klägerin begehrt mit der am 15. Dezember 2008 beim Erstgericht eingelangten Klage die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten. Er habe die Klägerin vernachlässigt, sie während einer schweren Erkrankung im Stich gelassen, grundlos den Geschlechtsverkehr verweigert und sie unehrenhaft behandelt. Der Beklagte habe jede Gelegenheit dazu benützt, um sich dem Zusammenleben mit der Klägerin zu entziehen. Er sei praktisch nie zu Hause gewesen. Im Jahr 1998 sei der Beklagte mit körperlicher Gewalt gegen die Klägerin vorgegangen. Er habe die Klägerin respektlos wie sein Eigentum behandelt, ihre Meinung nicht mehr gelten lassen und sie auch aus dem Unternehmen - bei welchem sie zunächst mitgearbeitet habe - kontinuierlich ausgeschlossen. Spätestens 2006 habe der Beklagte versucht, die ehelichen Ersparnisse der Kontrolle der Klägerin zu entziehen. Unter den Umständen sei es mehr als verständlich, dass sie im August 2008 Verständnis, Trost und Beistand bei einem anderen Mann, mit dem sie eine rein platonische Beziehung verbinde, eingegangen sei.

Der Beklagte bestreitet die ihm zu Last gelegten Eheverfehlungen und begehrt mit der am 30. Jänner 2009 beim Erstgericht eingelangten Widerklage die Scheidung der Ehe aufgrund des Alleinverschuldens der Klägerin. Bis Ende Juni 2008 sei die Ehe harmonisch verlaufen. Der Klägerin sei von Beginn an bewusst gewesen, dass sie einen Unternehmer geheiratet habe, der beruflich stark engagiert sei. Sie habe immer den mit seinem beruflichen Erfolg verbundenen hohen Lebensstandard genossen. Trotz seiner beruflichen Belastung habe er sich immer um eine ausgewogene und partnerschaftliche Beziehung zur Klägerin bemüht und seine Wochenenden der Familie gewidmet. Die Klägerin habe schon früh für sich in Anspruch genommen, sich gelegentlich mit anderen Männern zu treffen. Andererseits hätte sie es abgelehnt, wenn er sich einmal mit einer anderen Frau zu einem harmlosen Treffen verabredet habe. Er habe der Klägerin auch bei ihrer Operation Beistand geleistet. Seit dem Sommer 2008 entziehe sich die Klägerin dem ehelichen Zusammenleben. Das sei deutlich anlässlich des Urlaubs im August 2008 in St. Tropez zu Tage getreten. Nach der überstürzten Abreise der Klägerin habe er erfahren, dass sie schon damals eine ehewidrige Beziehung zu einem anderen Mann unterhalten habe.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden beider Parteien. Die unheilbare Zerrüttung der Ehe sei objektiv im November 2008 eingetreten. Die außereheliche Beziehung der Klägerin stelle eine Eheverfehlung dar. Diese Eheverfehlung sei auch kausal für die unheilbare Zerrüttung der Ehe gewesen. Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stelle keine Eheverfehlung dar. Der Klägerin sei jedoch anzulasten, dass sie die „Tagebuchaufzeichnungen“ des Beklagten vorgelegt habe. Der Beklagte habe jedoch ebenfalls einen Beitrag zur Zerrüttung der Ehe geleistet. Er habe sein Einkommen zum Teil verschwiegen und der Klägerin den Einblick in seine Vermögensverhältnisse verweigert. Durch seine zunehmende Distanz zur Klägerin habe er die Pflicht zur anständigen Begegnung verletzt. Überdies habe er eine verletzende Äußerung vor befreundeten Ehepaaren getätigt. Die Tätlichkeit gegen die Klägerin im Jahr 1996 sei, wenn auch untergeordnet, zu berücksichtigen.

Das Berufungsgericht gab den von beiden Parteien nur gegen die Verschuldensaussprüche erhobenen Berufungen nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Zwar sei die festgestellte Tätlichkeit gegen die Klägerin 1996 nicht als zerrüttungskausal zu werten. Bei Vornahme einer Gesamtschau sei jedoch ein offenkundiger augenscheinlicher Unterschied in den Verhaltensweisen der Streitteile zu Gunsten einer der beiden Parteien nicht erkennbar. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass als Hauptursache des Zerrüttungsprozesses nur die ehewidrige Beziehung der Klägerin anzunehmen sei.

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig, weil die Gewichtung der beiderseitigen Eheverfehlungen durch das Berufungsgericht nicht vertretbar ist; es wurde daher der Klägerin die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt.

In dieser beantragt sie, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

In der außerordentlichen Revision macht der Beklagte zusammengefasst geltend, dass nach den Feststellungen die Ehe bis zum Sommer 2008 intakt gewesen sei. Allein die Klägerin habe durch Aufnahme ihrer außerehelichen Beziehung die unheilbare Zerrüttung der Ehe verschuldet. Dass der Beklagte sich geweigert habe, der Klägerin Geschäftsgeheimnisse offen zu legen, stelle keine Eheverfehlung dar. Eine einmalige scherzhafte, wenngleich möglicherweise überschießende, Äußerung im Rahmen eines lockeren Gesprächs im Freundeskreis könne unter Heranziehung des Gesamtverhaltens nicht als zerrüttungskausal gewertet werden.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu:

1. Nach der Rechtsprechung ist eine unheilbare Ehezerrüttung dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört haben, wobei es genügt, dass ein Teil die eheliche Gesinnung verloren hat (RIS-Justiz RS0056832). Während es sich bei der Wertung, ob die wesentlichen Grundlagen für die Fortführung der Ehe bei einem Teil subjektiv zu bestehen aufgehört haben, um Tatsachenfeststellungen aufgrund irrevisibler Beweiswürdigung handelt (RIS-Justiz RS0043423 [T4]), stellt die Frage, ob eine Ehe objektiv unheilbar zerrüttet ist, eine aufgrund der Feststellungen zu entscheidende Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0043423 [T6]).

2. Dem Beklagten ist darin beizupflichten, dass ausgehend von den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts die Ehe bis Sommer 2008 nicht objektiv zerrüttet war: So kam es im Jahr 2008 zu vielen gemeinsamen Unternehmungen und mehreren Urlauben. Großteils verliefen diese Reisen harmonisch. Bis Sommer 2008 hatten die Streitteile etwa ein bis zwei mal wöchentlich Geschlechtsverkehr, in Urlauben auch öfters. Auch im Sommer 2008 hatten sie Geschlechtsverkehr. Die objektive Zerrüttung der Ehe trat somit erst nach Sommer 2008 ein, wobei für den Beklagten ab Beauftragung des Detektivs die Ehe unheilbar zerrüttet war.

3. Es besteht somit ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen der von der Klägerin gesetzten Eheverfehlung durch Aufnahme einer ehewidrigen Beziehung und der eingetretenen Zerrüttung. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, dass die bei der Verschuldensabwägung maßgebliche Frage, wer den Anlass zur Zerrüttung gegeben hat und wodurch die Zerrüttung in erster Linie zu einer unheilbaren wurde (RIS-Justiz RS0057361; RS0056597), zu Lasten der Klägerin zu beantworten ist.

4. Unter Zugrundelegung der Feststellungen kann die Auffassung der Vorinstanzen, (auch) den Beklagten treffe ein erhebliches, nicht zu vernachlässigendes Verschulden, nicht geteilt werden: Der Vorwurf, der Beklagte habe während einer Krankheit der Klägerin seine Beistandspflicht verletzt, ist unzutreffend, hat er doch nach den Feststellungen die Klägerin zum Operationstermin 2007 gebracht und auch versucht, die Klägerin zu beruhigen, als die Sehkraft ihres rechten Auges nachließ. Unzutreffend ist auch der Vorwurf, der Beklagte habe die Klägerin vernachlässigt: Zwar richtete sich die Gestaltung der Wochenenden stark nach dem Beklagten. Allerdings verbrachte der Beklagte etwa im Jahr 2007 ein Großteil der Wochenenden mit der Familie, entweder zu Hause oder an anderen Orten; im geringeren Umfang war er mit der Klägerin geschäftlich an den Wochenenden unterwegs. Lediglich drei Wochenenden verbrachte er allein, privat oder beruflich. Berücksichtigt man die Lebensgestaltung der Streitteile, kann auch der Vorwurf, der Beklagte habe die beruflichen Belange wichtiger als die Ehe genommen, nicht als berechtigt eingestuft werden: Abgesehen davon, dass der Beklagte nach den Feststellungen unter der Woche durchschnittlich von 9:30 Uhr bis 19:00 Uhr arbeitete und diese Arbeitszeiten nicht als „exzessiv“ einzustufen sind, ist zu berücksichtigen, dass auch die Klägerin zunächst im Unternehmen mitarbeitete, in der Folge Repräsentationsaufgaben wahrnahm und der Beklagte andererseits bei den im Laufe der Ehe auftauchenden Diskussionen über das Ausmaß seiner beruflichen Tätigkeit Bereitschaft zu Änderungen zeigte: So war etwa Ergebnis einer 1998 absolvierten Paartherapie, dass die Streitteile als gemeinsames Ziel drei Projekte verfolgten (gemeinsames Hobby Golfspiel, Erwerb einer 23m-Yacht und Verlegung des Büros des Beklagten in die Nähe des Hauses). Dem Beklagten kann somit mangelnder Ehewille und mangelnde Bereitschaft zum Kompromiss nicht vorgeworfen werden. Auch im Herbst 2007 war der Beklagte zu einer weiteren Ehetherapie bereit. Schließlich kann dem Beklagten auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er der Klägerin seine Vermögensverhältnisse verheimlichte: Der Beklagte hielt sich zwar über Berufliches im Laufe der Ehe zunehmend bedeckt, das dazu festgestellte Motiv, dass er Geschäftsgeheimnisse nicht Preis geben wollte, lässt aber dieses Verhalten nicht als Eheverfehlung erscheinen. Dass er auch „apodiktische“ Aussagen seiner Frau dazu vermeiden wollte, mag für die Entwicklung der Ehe nicht förderlich gewesen sein, war aber nach dem Gesamtzusammenhalt der Feststellungen nicht zerrüttungskausal. Dass der Beklagte allgemein Informationen über sein Einkommen und Vermögen zurückhielt, trifft zwar zu. Allerdings teilte er der Klägerin sehr wohl mit, welche Geldmittel zur Verfügung standen, wie hoch die jeweiligen Ausgaben waren und wie es um die finanziellen Verhältnisse bestellt ist. Schließlich kann auch die im Freundeskreis getätigte, einmalige Äußerung des Beklagten, die die Klägerin zwar als verletzend empfand, die aber offenkundig nur ein, wenngleich nicht sehr geschmackvoller, Scherz war, nicht als entscheidender Beitrag für die unheilbare Zerrüttung gewertet werden.

5. Zusammengefasst ergibt sich daher bei einer Gesamtschau, dass die im Wesentlichen bis Sommer 2008 harmonisch verlaufende Ehe erst durch die Aufnahme der ehewidrigen Beziehung der Klägerin unheilbar zerrüttet wurde und die dem Beklagten vorwerfbaren Verhaltensweisen („sich in finanziellen Angelegenheiten bedeckt geben“; eine unbedachte Äußerung bei einem Abendessen; „sich Zurückziehen“ ab Herbst 2007) nicht geeignet sind, das augenscheinliche Hervortreten des graduellen Unterschieds der beiderseitigen Verschuldensanteile (RIS-Justiz RS0057821) zu hindern. Bereits das Erstgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der in der Revisionsbeantwortung neuerlich hervorgehobene Wunsch des Beklagten nach einer „offenen Ehe“ bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung der Streitteile für den Beklagten kein Thema mehr war. Da somit der entscheidende Beitrag zur Zerrüttung der Ehe in der Aufnahme einer ehewidrigen Beziehung durch die Klägerin lag und die dem Beklagten anzulasteten Verhaltensweisen demgegenüber zu vernachlässigen sind, ist der erstinstanzliche Verschuldensausspruch im Sinne des Ausspruchs des überwiegenden Verschuldens der Klägerin abzuändern.

6. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf §§ 43 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO. Bei überwiegendem Verschulden eines der Ehegatten ist die Ausmessung des Kostenersatzes dem begründeten Ermessen des Gerichts zu überlassen, dass hierbei auch auf die besonderen Umstände des Falls, insbesondere auf den Grad des Verschuldens, Bedacht zu nehmen hat. Danach entspricht es hier der Billigkeit, den gegenständlichen Prozesserfolg des Beklagten mit 75 % zu bewerten und dementsprechend der Klägerin die Hälfte der Vertretungskosten aufzuerlegen (s auch 9 Ob 33/03y). Die staatlichen Gebühren waren gemäß § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO nach dem Ausmaß des Obsiegens zu teilen. Diese Grundsätze gelten auch für das Berufungsverfahren und das Revisionsverfahren.

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