OGH 9Ob7/11m

OGH9Ob7/11m27.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. I***** G*****, 2. Dr. R***** G*****, beide vertreten durch Mag. Philipp J. Graf, Dr. Isabelle Dessulemoustier-Bovekercke-Ofner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E***** E*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Prager & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen (zuletzt) 115.932,56 EUR (Erstklägerin) und 84.270,96 EUR (Zweitkläger), jeweils sA, über den Rekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse 46.812,89 EUR sA) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 8. November 2010, GZ 12 R 195/09y-71, mit dem infolge Berufungen der Streitteile das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. August 2009, GZ 14 Cg 17/06g-63, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Erstklägerin ist die Witwe, der Zweitkläger der eheliche Sohn des am 10. 9. 2004 verstorbenen Dr. K***** G***** (Erblasser). Die Erstklägerin und der Erblasser lebten zwar bis zu seinem Tod in aufrechter Ehe, jedoch seit längerem getrennt. Die Beklagte war von 1999 bis zu dessen Tod die Lebensgefährtin des Erblassers.

Die Erstklägerin und der Erblasser waren je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ *****. Mit Schenkungsvertrag vom 8. 3. 1999 schenkten sie ihren jeweiligen Hälfteanteil dem Zweitkläger, wobei der Erstklägerin ein lebenslanges Wohnrecht in dem auf der Liegenschaft befindlichen Einfamilienhaus eingeräumt wurde.

Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt war der Erblasser an Lymphdrüsenkrebs erkrankt. Ab Juni/Juli 2004 verschlechterte sich sein körperlicher Zustand derart, dass er der intensiven Pflege der Beklagten (Medikamenteneinnahme, Toilettegänge, Körperpflege etc) bedurfte. Die Beklagte verrichtete sämtliche Tätigkeiten freiwillig. Der Erblasser versicherte ihr aber, dass sie für ihre aufopfernde Pflege einmal etwas bekommen solle.

Am 10. 9. 2004 errichtete der Erblasser im Krankenhaus kurz vor einem geplanten operativen Eingriff ein Testament, in dem er die Beklagte zur Alleinerbin einsetzte. Nach dem Eingriff verstarb er am selben Tag im Krankenhaus.

Im Rekursverfahren ist nicht mehr strittig, dass der Reinnachlass, der vom Erstgericht mit 46.812,89 EUR beziffert wurde, ohne Berücksichtigung eines der Verlassenschaft des Erblassers nicht eindeutig zuordenbaren Scheckbetrags von 198.000 EUR zu berechnen ist. Der Verkehrswert der gesamten dem Zweitkläger geschenkten Liegenschaft betrug zum Stichtag 10. 9. 2004 (Todestag) unter Berücksichtigung des Wohnrechts der Erstklägerin 745.000 EUR.

Die Beklagte gab am 25. 10. 2004 eine bedingte Erbserklärung ab. Mit Beschluss vom 22. 5. 2006 wurde ihr der Nachlass zur Gänze eingeantwortet.

Mit ihrer am 19. 10. 2005 eingebrachten Klage machen die im Testament nicht bedachten Kläger ihre Pflichtteilsansprüche geltend, wobei die Erstklägerin zuletzt 115.932,56 EUR und der Zweitkläger 84.270,96 EUR jeweils samt 4 % Zinsen seit Klagstag begehrten.

Soweit im Rekursverfahren relevant, begehrte die Erstklägerin auch die Anrechnung der Schenkung des Hälfteanteils der Liegenschaft ***** durch den Erblasser an den Zweitkläger gemäß § 785 ABGB und Zahlung des sich daraus ergebenden Schenkungspflichtteils.

Die Beklagte bestritt die Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wandte gegen die Schenkungsanrechnung ein, deren Geltendmachung durch die Erstklägerin zu Lasten der Beklagten als Lebensgefährtin und Testamentserbin des Erblassers sei sittenwidrig und rechtsmissbräuchlich, weil die Erstklägerin und der Erblasser als Eltern die gesamte Liegenschaft dem Zweitkläger gemeinsam geschenkt haben. Mit am 10. 9. 2007 beim Erstgericht überreichten Schriftsatz brachte sie überdies vor, sie habe den Verstorbenen nach dem Eintreten seiner Erkrankung intensiv gepflegt, wofür sie für die letzten drei Monate 3.000 EUR monatlich und für den geringeren Pflegeaufwand in den drei Monaten davor 1.500 EUR geltend mache. Die Pflegekosten stünden ihr gegen den Nachlass zu und seien daher bei der Ermittlung der von den Klägern geltend gemachten Pflichtteilsansprüche vom Nachlass in Abzug zu bringen.

Die Kläger bestritten dies und wandten unter anderem Verjährung der Pflegekosten ein.

Das Erstgericht gab auf Basis eines Reinnachlasses von 46.812,89 EUR dem Begehren der Erstklägerin im Umfang von 7.802,15 EUR und dem des Zweitklägers im Umfang von 15.604,30 EUR, jeweils samt 4 % Zinsen seit 2. 2. 2006, statt und wies beide Mehrbegehren ab.

Soweit im Rekursverfahren von Bedeutung, führte es in Hinblick auf die Schenkungsanrechnungsregel des § 785 Abs 1 ABGB aus, die Schenkungsanrechnung diene dem Schutz der Pflichtteilsberechtigten vor einer Verkürzung ihrer Ansprüche durch Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten. Die Liegenschaft sei dem Zweitkläger von der Erstklägerin und dem Erblasser gemeinsam geschenkt worden. Anhaltspunkte für die Gründe der Schenkung gebe es nicht. Allfällige erbrechtliche Überlegungen seien im Schenkungsvertrag nicht enthalten. Dass die Erstklägerin eine Anrechnung der dem gemeinsamen Sohn geschenkten Liegenschaftshälfte begehre, widerspreche dem gesetzlichen Zweck des § 785 ABGB, dies insbesondere deswegen, weil die Beklagte von der damaligen Schenkung des Erblassers überhaupt nicht profitiert habe. Da der Geschenknehmer und Begünstigte der gemeinsame Sohn der Erstklägerin und des Erblassers sei, komme eine Anrechnung nicht in Betracht. Eine vereinbarte Unentgeltlichkeit der Pflege des Erblassers durch die Beklagte habe nicht festgestellt werden können. Die Pflegekosten seien nach den Feststellungen auch gerechtfertigt. Ansprüche daraus unterlägen aber der kurzen Verjährungsfrist des § 1480 ABGB, seien daher - ausgehend vom Todestag des Erblassers, dem 10. 9. 2004, und ihrer erstmaligen Geltendmachung am 10. 9. 2007 - um einen Tag verjährt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Zweitklägers, die sich gegen die Abweisung seines Mehrbegehrens richtete, nicht Folge und bestätigte das Ersturteil in diesem Umfang. Hingegen gab es mit dem angefochtenen Aufhebungsbeschluss sowohl der Berufung der Erstklägerin, die sich gegen die Abweisung ihres Mehrbegehrens wandte, als auch der Berufung der Beklagten, die den Klagszuspruch an die Kläger bekämpfte, Folge und hob das Urteil des Erstgerichts in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung auf. Unter Darlegung der Voraussetzungen einer Schenkungsanrechnung nach § 785 Abs 1 ABGB führte es aus, es sei nicht zu erkennen, dass die von der Erstklägerin begehrte Anrechnung der Schenkung des Erblassers an den Zweitkläger dem Zweck des § 785 ABGB widerspreche. Auch die Sittenwidrigkeit sei zu verneinen. Eine solche wäre dann zu bejahen, wenn darin eine missbräuchliche Rechtsausübung iSd § 1295 Abs 2 ABGB zu erblicken wäre. Hiezu wäre erforderlich, dass das unlautere Motiv der Rechtsausübung die lauteren Motive eindeutig überwiege. Davon könne nicht ausgegangen werden, sei doch das Begehren der Erstklägerin, einen gewissen Ausgleich dafür zu erhalten, dass der Erblasser zwar seinem Sohn, nicht aber ihr als Ehegattin eine Zuwendung gemacht habe, legitim. Der Wert des dem Zweitkläger von seinem Vater zugewendeten Hälfteanteils (372.500 EUR) sei bei der Berechnung der Pflichtteilsansprüche der Erstklägerin dem Reinnachlass rechnerisch hinzuzuschlagen.

Zu den Pflegekosten führte es zusammengefasst aus, auch wenn keine Entlohnung der Pflegegeldleistungen im Sinne eines synallagmatischen Leistungsaustauschs intendiert gewesen sei, habe die Beklagte auf eine spätere Belohnung vertrauen dürfen. Insoweit sich ihre berechtigte Erwartung nicht erfüllt habe, komme eine Kondiktion wegen Zweckverfehlung (§ 1435 ABGB analog) in Betracht, weshalb in Analogie zu § 1152 ABGB eine angemessene ortsübliche Entlohnung zu gewähren sei. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB für Ansprüche aus zweckverfehlenden Arbeitsleistungen beginne in dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem objektiv hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass mit der Erfüllung der Zusage oder der Erwartung nicht mehr gerechnet werden könne. Mit der Einsetzung der Beklagten zur testamentarischen Alleinerbin wäre ihre Erwartung, für die Pflegeleistungen eine Belohnung zu erhalten, insoweit entsprochen, als der Nachlass nicht durch Pflichtteilsansprüche aufgezehrt werde. Der Erstklägerin stehe jedoch auch der Schenkungspflichtteil hinsichtlich der Schenkung der Liegenschaftshälfte an den Zweitkläger zu, weshalb der festgestellte Reinnachlass durch die Pflichtteilsansprüche der Kläger zur Gänze aufgezehrt werde. Dass sich ihre Erwartung betreffend die Abgeltung ihrer Pflegeleistungen nicht erfüllen werde, habe der Beklagten frühestens mit Geltendmachung des Schenkungspflichtteils durch die Erstklägerin klar sein müssen. Dieser Zeitpunkt müsse zwangsläufig nach dem Tod des Erblassers, somit nach dem 10. 9. 2004, gelegen sein, sodass die Forderung zum Zeitpunkt der Geltendmachung am 10. 9. 2007 nicht verjährt gewesen sei. Der Anspruch auf Abgeltung der Pflegeleistungen sei der Beklagten nur gegen den Nachlass, nicht gegen die pflichtteilsberechtigten Kläger, zugestanden. Dementsprechend wäre die Geltendmachung als Kompensandoforderung im gegenständlichen Pflichtteilsprozess verfehlt gewesen. Die Beklagte habe (vor Ablauf der Verjährungsfrist) ihren Anspruch zu Recht als Nachlasspassivum im Pflichtteilsprozess geltend gemacht, das den Reinnachlass und damit die Pflichtteilsansprüche der Kläger vermindere. Es werde daher im fortzusetzenden Verfahren ein angemessenes Entgelt für Pflegeleistungen bei der Ermittlung des Reinnachlasses als Passivum zu berücksichtigen sein. Auch aufgrund noch ungeklärter Passivposten (Höhe der Begräbniskosten, Kosten der Abwicklung der Verlassenschaft) sei die Rechtssache hinsichtlich der Höhe der Pflichtteilsansprüche noch nicht spruchreif.

Der Rekurs gegen den aufhebenden Teil der Entscheidung sei zuzulassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob das im Rahmen einer Pflichtteilsklage gegen die testamentarisch zur Alleinerbin eingesetzte Lebensgefährtin des Erblassers von dessen Witwe erhobene Begehren auf Anrechnung der Schenkung einer Liegenschaftshälfte durch den Erblasser an den ehelichen Sohn dem Zweck des § 785 ABGB widerspreche oder sittenwidrig sei, wenn die Erstklägerin in dem seinerzeitigen Schenkungsvertrag gleichzeitig auch die ihr gehörige zweite Liegenschaftshälfte dem gemeinsamen Sohn schenkungsweise übertragen habe. Auch fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob dem im Pflichtteilsprozess beklagten Erben die Unterbrechung der Verjährung nach § 1497 ABGB zu Gute komme, wenn er vor Ablauf der Verjährungsfrist eine ihm vormals gegen den Erblasser zustehende Forderung als den Nachlass minderndes Passivum geltend mache.

In ihrem gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts erhobenen „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs) wendet sich die Beklagte gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die von der Erstklägerin begehrte Schenkungsanrechnung widerspreche nicht dem Zweck des § 785 ABGB und sei nicht sittenwidrig.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Gemäß § 785 Abs 1 ABGB sind auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes oder des pflichtteilsberechtigten Ehegatten bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen des Erblassers in Anschlag zu bringen. Der Gegenstand der Schenkung ist dem Nachlass mit dem Wert hinzuzurechnen, der für die Anrechnung nach § 794 ABGB maßgebend ist.

Die Bestimmung bezweckt, den übergangenen Noterben so zu stellen, wie er stünde, wenn die Schenkung unterblieben wäre. „In Anschlag bringen“ einer Schenkung bedeutet dabei die rechnerische Annahme, es wären noch alle Schenkungen im Nachlass (RIS-Justiz RS0012936). Damit soll einerseits der Vereitelung des Noterbrechts durch den Erblasser vorgebeugt und andererseits, soweit Noterben selbst Schenkungen empfangen haben, ein gewisser Ausgleich unter ihnen herbeigeführt werden (vgl Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht, 414; Umlauft, Die Anrechnung von Schenkungen und Vorempfängen im Erb- und Pflichtteilsrecht, 148; Welser in Rummel, ABGB³ § 785 Rz 1; Apathy in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB3 § 785 Rz 1). Die Berücksichtigung der Schenkung erfolgt auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes oder des Ehegatten. Der Anspruch richtet sich gegen den Nachlass bzw die Erben (RIS-Justiz RS0012941).

Rechnerisch wird die Schenkung dadurch berücksichtigt, dass sie dem reinen Nachlass hinzugeschlagen wird. Auf dieser Basis wird neuerlich der Pflichtteil ermittelt. Der Mehrbetrag, der sich im Vergleich zum Nachlasspflichtteil ergibt, ist der Schenkungspflichtteil (die Pflichtteilserhöhung), der zusammen mit dem Nachlasspflichtteil den gemeinen Pflichtteil bildet. Jeder Noterbe muss sich gemäß § 787 Abs 2 ABGB die ihm gemachte Schenkung auf die Pflichtteilserhöhung, also nicht auf den ganzen Pflichtteil, anrechnen lassen (RIS-Justiz RS0107684).

Ebenso wie der Nachlasspflichtteil ist auch der Schenkungspflichtteil aus dem Nachlass zu decken, geht also zu Lasten des Erben. Doch haftet auch ein unbedingt erbserklärter Erbe für den Schenkungspflichtteil nur bis zur Höhe des Nachlasses (Welser, aaO § 785 Rz 23 mwN; Apathy, aaO Rz 7).

Vor diesem Hintergrund ist der Einwand der Beklagten, die von der Erstklägerin begehrte Schenkungsanrechnung widerspreche dem Zweck des § 785 ABGB und sei sittenwidrig, nicht berechtigt:

Dass die Schenkungsanrechnung zu Lasten der Beklagten geht, ist schon in ihrer Position als Erbin begründet. Da der Zweck der Schenkungsanrechnung auch in der Erfüllung eines Ausgleichs unter den Pflichtteilsberechtigten liegt, wenn der Erblasser einen von ihnen durch Schenkungen zu Lebzeiten bevorzugt hat, ist auch nicht maßgeblich, dass die Beklagte als Erbin von der damaligen Schenkung nicht profitiert hat (Weiß in Klang, Komm z. ABGB², III. Band, 908).

Soweit sie sich daran stößt, dass der Erblasser und die Erstklägerin ihre jeweiligen Liegenschaftshälften dem Zweitkläger gemeinsam schenkten, vermag dies nichts daran zu ändern, dass es sich um zwei getrennte Schenkungsvorgänge handelte, sodass die Schenkung des Hälfteanteils des Erblassers an den Zweitkläger eine eigenständige Betrachtung erfordert.

Sollten die Rekurserwägungen dahin gehen, dass die gleichzeitige Schenkung der Liegenschaftshälften durch den Erblasser und die Erstklägerin an den Zweitkläger als Verzicht der Erstklägerin auf die Geltendmachung einer entsprechenden Pflichtteilserhöhung zu werten sei, kann allein die zustimmende Kenntnis eines Pflichtteilsberechtigten von einer Schenkung des Erblassers an einen anderen Pflichtteilsberechtigten nicht in diese Richtung verstanden werden. Nicht umsonst unterliegt auch ein Verzicht auf den (Schenkungs-)Pflichtteil der Formpflicht des § 551 ABGB (s Eccher in Schwimann, ABGB3, §§ 550, 551 Rz 2, 8).

Mangels weiterer Anhaltspunkte im festgestellten Sachverhalt schließt dies aber auch die Annahme einer absichtlichen rechtsmissbräuchlichen Schädigung der Beklagten aus. Von einer rechtsmissbräuchlichen Rechtsausübung kann nur gesprochen werden, wenn demjenigen, der sein Recht ausübt, jedes andere Interesse als das, dem anderen Schaden zuzufügen, abgesprochen werden muss. Besteht ein begründetes Interesse des Rechtsausübenden, einen seinem Recht entsprechenden Zustand herzustellen, wird die Rechtsausübung nicht schon dadurch rechtsmissbräuchlich, dass der sein Recht Ausübende mit der Rechtsausübung dem anderen Schaden zufügt (vgl RIS-Justiz RS0026271). Von einem solchen Rechtsmissbrauch kann nach den obigen Erwägungen nicht ausgegangen werden.

Vergleichsweise sei auch auf die Entscheidung 1 Ob 516/86 hingewiesen: Ihr lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein Ehepaar zwei Kinder hatte, von denen eines vom Vater und das andere von der Mutter beschenkt wurde. Nach dem Tod des Vaters wurden von dem von der Mutter beschenkten Kind im Hinblick auf die Schenkung keine Pflichtteilsansprüche geltend gemacht. Nach dem Tod der nachverstorbenen Mutter begehrte dagegen das vom Vater beschenkte Kind nach der Mutter den gesetzlichen Pflichtteil. Das Begehren wurde selbst in einer solchen Konstellation nicht als rechtsmissbräuchlich erachtet.

Schließlich ist nicht ersichtlich, warum im Begehren der Erstklägerin gegenüber der Beklagten faktisch eine Revidierung der Schenkung liegen könnte und deshalb die begehrte Schenkungsanrechnung an den Voraussetzungen des Schenkungswiderrufs nach den §§ 947 ff ABGB zu messen wäre - wird doch mit einem Begehren auf Schenkungsanrechnung im Verhältnis zum Nachlass bzw dem Erben die aufrechte Schenkung an den Empfänger gerade nicht in Frage gestellt.

Es ist daher dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass das Begehren der Erstklägerin, einen gewissen Ausgleich dafür zu erhalten, dass der Erblasser zwar seinem Sohn, nicht aber ihr als Ehegattin eine Zuwendung machte, legitim ist. Der von der Erstklägerin begehrten Schenkungsanrechnung steht daher kein Hindernis entgegen.

Soweit der Zulassungsausspruch des Aufhebungsbeschlusses auch mit dem Fehlen von Rechtsprechung dazu begründet wurde, ob dem im Pflichtteilsprozess beklagten Erben die Unterbrechung der Verjährung nach § 1497 ABGB zu Gute komme, wenn er noch vor Ablauf der Verjährungsfrist eine ihm vormals gegen den Erblasser zustehende Forderung als den Nachlass minderndes Passivum geltend mache, wurde diese Frage im Rekursverfahren nicht releviert, sodass darauf nicht näher einzugehen ist.

Dem Rekurs der Beklagten war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 50, 52 ZPO.

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