OGH 7Ob46/11g

OGH7Ob46/11g27.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Schwarzenbacher und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** R*****, vertreten durch Mag. Hannes Huber und Dr. Georg Lugert, Rechtsanwälte in Melk, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Rechtsanwalt in Wien, wegen 30.724 EUR (sA) und Feststellung, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. Februar 2011, GZ 13 R 196/10d-52, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, in welchem Umfang der Arzt den Patienten aufklären muss, ist keine feststellungsfähige Tatfrage, sondern eine Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0026763), die nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten ist (RIS-Justiz RS0026529). Grundsätzlich muss der Arzt nicht auf alle nur denkbaren Folgen einer Behandlung hinweisen (RIS-Justiz RS0026529). Die ärztliche Aufklärungspflicht ist aber bei Vorliegen sogenannter typischer Gefahren verschärft. Die Typizität ergibt sich nicht aus der Komplikationshäufigkeit, sondern daraus, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist; der nicht informierte Patient wird überrascht, weil er nicht mit der aufgetretenen Komplikation rechnete (RIS-Justiz RS0026340). Diese typischen Risken müssen erhebliche Risken sein, die geeignet sind, die Entscheidung des Patienten zu beeinflussen, ohne dass dabei nur auf die Häufigkeit der Verwirklichung dieses Risikos abzustellen wäre (RIS-Justiz RS0026581). Zufolge der Einzelfallbezogenheit ist die Frage des Umfangs der Aufklärungspflicht im Allgemeinen nicht revisibel, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre eine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen, die aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0021095; RS0042405).

Dies ist hier nicht der Fall. Nach den vom Berufungsgericht gebilligten erstgerichtlichen Feststellungen stellt die Vernarbung der Harnblase („narbige Blasenhalsenge“) ein mit der Bestrahlung der Prostata verbundenes typisches Risiko dar, über das der Kläger aufgeklärt wurde. Der Kläger wurde auch darauf hingewiesen, dass diese möglichen Spätfolgen eine Operation erfordern könnten, nicht jedoch darauf, dass die Harnblase dadurch irreparabel geschädigt werden könnte. Es handeltsich dabei um ganz außergewöhnliche und um keine typische Folge der Strahlentherapie. Deshalb hat das Berufungsgericht die Frage, ob das Unterlassen einer diesbezüglichen Aufklärung eine Pflichtverletzung darstelle, verneint. Darin kann, da die Frage der Typizität einer Behandlungsfolge nicht Rechtsfrage ist, sondern zur Ebene der im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbaren Tatsachenfeststellungen gehört (8 Ob 43/10x), kein tauglicher Grund für die Zulassung des außerordentlichen Rechtsmittels gesehen werden. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers weicht die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts nicht von oberstgerichtlicher Judikatur, insbesondere auch nicht von den Entscheidungen 9 Ob 12/07s, Zak 2007/746, 436 und 4 Ob 132/06z, Zak 2006/729, 422 ab, sondern hält sich in deren Rahmen.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher als unzulässig zurückzuweisen. Dies bedarf nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung.

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